|
-
Nun setzt der Konsumfotojournalismus,
wie ich ihn nennen möchte, auf die visuelle Denkfaulheit des Betrachters,
stellt sich, wie Schrader ausführt, ein auf die Wahrnehmungsgewohnheiten
und tut dies immer noch mit wirtschaftlichem Erfolg. Jedoch schon nicht
mehr bei mir, denn mich langweilen solche Bilder. Es ist der Bildredakteur,
der zu wissen vorgibt, was die Leute sehen wollen und er erzählt dies
dem Fotografen, der wiederum als Job sein Geld mit den verlangten Bildern
verdient. Nicht der Bildredakteur sieht hin, was die Fotografen von sich
aus treiben, welche Bildformen und visuelle Sprachen sie entwickeln, um
daraus Konsequenzen für die Gestaltung der Medien zu ziehen, wie das
in einer kurzen Zeitspanne der frühen Reportage anscheinend möglich
war, sondern nach vorgefertigten Konzepten der Massenblätter erhalten
die Fotografen ihre ästhetischen Vorgaben und Storyboards. Junge Fotografen,
deren interessante Arbeit ich aus jahrelanger Diskussion kenne, wissen,
wenn sie zum Beispiel für den "Spiegel" arbeiten, welche Art Bilder
sie zu liefern haben, und sie tun es. Die Kreativität, die permanente
Erneuerung der Bilder und Sichten, bleibt auf diese Weise im Beruf stecken.
-
-
Die vertraute Spiegelfotografie blickt
mich über Monate und Jahre immer gleich aus jeder Nummer an, die ich
der Texte und Fakten, kaum aber der Fotografie wegen kaufe. Zeit, Gegenwart
als Bild und existentielle Erfahrung wird nicht mehr visuell artikuliert
in solchen Blättern, sie bleibt eingefroren im redaktionellen Rezept.
Hans Magnus Enzensberger hat in seinem spannenden Essay über "Die
Sprache des Spiegel" dieses für den Textteil untersucht. Eine entsprechende
Untersuchung über die Bildsprache des Spiegel steht noch aus. Eine
offenbar zu Ende gehende Möglichkeit fotografischer Entfaltung ist
fast nur in den Begleitmagazinen, die nach und nach ihr Erscheinen einstellen,
wie die von FAZ, ZEIT und Süddeutscher Zeitung zu beobachten. Der
gleichwertige Dialog zwischen Fotografen und Redakteuren kann vielleicht
eine notwendige Weiterentwicklung der Illustrierten Zeitungen zu einer
zeitgemäßen Bildsprache in Gang setzen. Hinzu kommt unser Dilemma
einer fortschreitenden Konzentration der Medien, die zu fast konkurrenzlosen
Monopolstellungen und damit zu einer Übermacht der Bildredaktionen
geführt hat. Auch in der Gegenwart müssen wir uns wiederum gegen
eine neue Art der "Gleichschaltung der Bilder" zur Wehr setzen, diesmal
bedingt durch die Entwicklung von Monopolstellungen der Medien und ihre
vorgegebenen redaktionellen Konzepte, welche sich die Fotografen unterwerfen.
Für die dreißiger Jahre unserer Mediengeschichte ermitteln Kerbs,
Uka und Walz-Richter immerhin 36 illustrierte Magazine, für welche
eine weitaus geringere Anzahl von Fotografen gearbeitet haben als heute,
wo sich die Arbeitsmöglichkeit auf wenige Blätter konzentriert.
Der Spiegel als textbetontes Nachrichtenmagazin leistet sich gelegentlich
Nachdenkliches in seinen Essays von Dichtern, Literaten, Philosophen etc.
Er erreicht damit hin und wieder einen Diskussionsstand, der über
den Einzugsbereich seiner unmittelbaren Leserschaft hinaus geht. Ich denke
da zum Beispiel an den umstrittenen "Bocksgesang" von Botho Strauß
oder die Texte zur deutschen Frage von Martin Walser, Wolf Biermann u.
a.. Diskussionswürdiges im Text zum "entscheidenden Augenblick" unserer
Zeit kann im Einzelfall auch das Interesse an einem Massenblatt steigern.
Etwas Vergleichbares im Bildbereich, meine ich, könnte ein Magazin
dieser Größenordnung sich gelegentlich leisten, schon um eine
Balance von Text und Bild immer wieder zu versuchen. Es geht um Denkanstöße,
Diskussionsvorlagen auch im visuellen Bereich. Material steht zur Verfügung,
wie zum Beispiel der ZEIT-Magazinbeitrag über die Arbeit EIN-HEIT"
von Michael Schmidt zeigt. Die Eroberung der Kunstszene durch die Fotografie,
die wir heute beobachten können, ist auch zugleich eine Rückzug
aus der Bildpresse und damit verbunden eine entsprechende Verarmung ihrer
fotografischen Kultur. Sperrige, genau zu betrachtende Bildfolgen von Eva
Leitolf über Schrecken und Banalität des Rechtsradikalismus in
Deutschland, Marcus Werres Arbeiten aus dem Jugendstrafvollzug, Wolfgang
Bellwinkels nüchterne, genaue Sichten aus Bosnien bieten Beispiele.
Mühsam genug schafft sich die Fotografie ihren eigenen Benutzerkreis.
Versuchen wir, die schwerfälligen Massenblätter ein wenig zu
provozieren zum Unbequemen, das auch ihren Informationswert steigern könnte
für Menschen, die nicht nur mit kurzlebigem Augenschleim zum raschen
Vergessen abgespeist sein wollen.
-
Da bleibt nur die Glaubwuerdigkeit
des Fotografen selbst, der seine Arbeit nicht immer gegen den Missbrauch
schützen kann.
|
|