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In einem Fernsehbericht gab es eine
für diesen Zusammenhang aufschlußreiche Szene: ein junger Fotograf,
Andreas Varnhorn, präsentiert eine Bildauswahl zur Vorstellung und
in der Hoffnung auf Aufträge dem Redakteur von "FOCUS" Rüdiger
Schrader. Dabei kommt die Herausgeberphilosophie zur Sprache: "Ich glaube,
"sagt Schrader," dass sich unsere Wahrnehmungsgewohnheiten geändert
haben. Ich glaube, dass wir nicht mehr, so wie früher, die Zeit haben,
uns lange mit einem Bild, lange mit einem Text und lange mit einer Nachricht
zu beschäftigen. Wir brauchen möglichst viel, möglichst
schnell - auf einen Blick. Diesem Bedürfnis hat FOCUS irgendwie Rechnung
getragen". Ein Foto müsse daher klar, eindeutig und schnell lesbar
sein. Von diesen deutlichen und klaren Fotos könne man dafür
eine größere Menge auf eine Seite, jedes Heft mit etwa dreihundert
Seiten und ca. 500 Fotos. Kracauers "Schneegestöber" hat sich zur
Methode verdichtet und wird als solche offen vorgetragen. Diese Art der
Bildauswahl und Präsentation hinterläßt in der Tat keine
Spuren. Die Fotos flutschen durch, ohne sich irgendwo im Bewußtsein
festzusetzen. Zugunsten der raschen Information wird das visuelle Denken
und das damit verbundene Gedächtnis ausgeschaltet.
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Unter den jungen Fotografen und Fotografinnen
entwickelt sich in einer Art persönlichem Widerstand eine gegenläufige
Tendenz. Es geht den besten von ihnen gerade um sperrige, nicht sofort
entschlüsselbare Bilder. Sie neigen zum Verrätseln, zur Gestaltung
von Denkbildern oder auch zur Verweigerung glatter, eingängiger Information.
Absichtlich fotografieren viele von ihnen an dem Bekannten, Erwarteten
vorbei, sie akzentuieren das "Beiläufige", wie dies ein Sprachgebrauch
formuliert, sie suchen das in sich Widersprüchliche, das sich einer
glatten Lesbarkeit eher entzieht. Sie machen "ihre" Bilder, sie stellen
den Anspruch einer subjektiven Sicht und Bildsprache. Auch dies natürlich
führt zu einem Zeitstil, den sie mitgestalten und dem sie auch unbewußt
vielleicht, aber doch auch unterworfen sind. Erzielt werden soll, wenn
dies denn überhaupt auf einen Betrachter gerichtete Absicht ist, Erstaunen,
Aufmerksamkeit, geduldiges Hinsehen und ein Rest von unaufschlüsselbarem
Geheimnis.
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Die Merkwürdigkeit des Sehens,
des Fotografierens selbst wird zum Thema. "ojana lok - Zur Erfahrung des
Fremden" nennt zum Beispiel Axel Grünewald eine Bildserie aus Indien.
Hier ist nicht mehr Reise- oder Reportagefotografie im Sinne einer leicht
ablesbaren Bildergeschichte im Spiel, die uns vormacht, wir lernten im
raschen Durchblättern selbst Indien kennen, weil es in den vertrauten
Bildmustern daherkommt. Grünewalds Kamera geht sehr nah heran an die
Dinge, schneidet Stücke heraus, akzentuiert das Geheimnis - sowohl
die Fremdheit der Oberflächen, der Lichter und Schatten, wie auch
das Geheimnis immer noch des Fotografierens selbst. Fotografie erhält
so eine neue, existentielle Dimension. Seine Arbeit aus Jordanien ist nicht
weniger kryptisch. Gemessen daran sind die meisten Magazinbilder von comic-hafter
Eindimensionalität, als ginge Donald Duck als Reporter durch die für
ihn leicht durchschaubare, von Magazinredakteuren bereits fertig entworfene
Welt.
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