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Die Todeslandschaften von Christof
Gödan stehen in Stil und Auffassung dafür. Die Technik ist streng
dokumentarisch, die Zusammenhänge sind recherchiert. Wie Kisch kann
Gödan sagen, das habe ich gesehen und hier sind meine fotografischen
Aufzeichnungen.
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"Der Tod im Präsens" nennt Christoph
Gödan die Bilder aus Bosnien. Der Völkermord gehört eben
leider nicht in die Vergangenheit. Er bleibt gegenwärtig. Der Tod
ist im Spiegel, sagt der Tod, dargestellt durch die schöne Schauspielerin
Maria Casarées in Jean Cocteaus Film"Orphée". Er ist auch
in der Fotografie. Gödan sucht den Tod in der Wirklichkeit, da wo
er uns in hunderten verwester Gesichter in Bosnien anstarrt. Er fotografierte
die Landschaften und Städte, in welchen die Zestörung sichtbar
wird.
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Wie in Mostar 1994.
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Die schwarzweissen, als Bildfolge nebeneinandergesetzten
Panoramen transportieren den Schrecken des Krieges unmittelbar.
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Dazu geben die Farbbilder den Rest
einer friedlichen Anmutung, die mehr Sehnsucht ist als Gegenwart. Durch
Novo Sarajewo, das olympische Dorf in Grbevica ging die ehemalige Frontlinie.
Das Gelände der olympischen Winterspiele von 1984 fasst nun die Gräber
von erschossenen Zivilisten, 2800 Tote allein in Sarajewo - nach 5 Jahren
Belagerung."Das Massaker von Biljani", schreibt Gödan in seinem Bericht,"wurde
am 10. Juli 1992 von serbischen Militärs verübt ...Die muslimischen
Einwohner wurden unter dem Vorwand der Registrierung aus ihren Wohnungen
gezerrt... am Vormittag gegen 11.30 Uhr begannen die ersten Hinrichtungen
vor der Gemeindehalle. Getötet wurden zwischen 250 und 300, steht
im Tagebuch des serbischen Soldaten Luka Budimir" Exhumiert, ausgegraben
wurden 248 Leichen. Das jüngste Opfer dieses Massakers war einen Tag,
das älteste 92 Jahre alt."
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Bilder aus der Pathologie im Kreiskrankenhaus
in Tusla, andere aus einer Turnhalle in Kluj mit vielen Toten. Christoph
Gödan fotografiert dem Schrecken hinterher, wie um ihn festzuhalten
und zugleich zu bannen. Auf einer Wäscheleine in Sanski Most hängen
Kleidungsstücke, ansich ein friedliches Bild, aber diese sind nicht
Teil eines Reinigungsprozesses, sie dienen als Hilfe zur Identifikation
von Toten aus dem Massengrab.
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Die farbig kühlen, sachlich berichtenden
Landschaftspanoramen zeigen die Ungerührtheit der Natur gegenüber
unzählbarem menschlichen Schmerz: Die Exhumierung bei Prhovo setzt
Gödan in montierten Panoramen ins Bild, das in Übereinstimmung
mit den Ritualen muslimischer Religion erfolgte Begräbnis in Donja
Samica in Bildpaaren, die in der Abfolge zugleich einen Zeitabschnitt fixieren,
wie Bildstücke aus einem angehaltenen Film. Es ist die Verbindung
aus sachlicher Präsentation und Grauen, welches den Bildern den nüchternen
Blick in das Gesicht des Todes gibt. Die Menschen müssen damit überleben,
wenn man es ihnen erlaubt. Die pure Existenz im Grauen muss schon als Glück
erscheinen, weil man noch lebt. Immer erscheint die Natur friedlich, sie
bleibt unberührt von der menschlichen Gemeinheit.
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Diese zusammengeschossenen, zusammengeworfenen
und verschütteten Leiber finden keine Ruhe. Die Toten erleben eine
makabre Auferstehung vor den Überlebenden und zuletzt vor dem internationalen
Gericht in den Haag. Auch hier wird die Kamera als Zeuge eingesetzt, mit
ihren technischen und ästhetischen Möglichkeiten.
Der subjektive Blick erstarrt
vor Entsetzen. Er sichert sich an der Technik. Die Bilder erstarren zugleich
zu Belegen und Beweisfotos. Ein Hinsehen reicht nicht aus. In Bildfolgen
nach der Struktur von Tryptichen werden zerstörte Stadtlandschaften
visuell eingefroren, werden Landschaften mit lyrischer Weite und schrecklichen
Einzelheiten sichtbar gehalten, werden Reste von Menschen als grausige
Stilleben vor unsere Augen gedrückt.
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In diesem Zusammenhang erscheinen lebende
Menschen wie melancholische Skulpturen oder wie absurde Puppen.
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Ein Blick in die Zukunft, wie oft ein
Menschenpaar ihn suggeriert, enthält bereits die Erinnerung an den
überlebten Untergang und die Ahnung von zukünftigem Massentod.
Überreste der gemordeten Menschen werden sortiert und in Pizzakartons
gesammelt zur späteren Identifikation. Was bleibt sind die materiellen
Reste am Körper und solche Fotografien. Diese Welt kommt noch immer
nicht hinein in die Normalität des Lebens, des Wachstums und des natürlichen
Sterbens, sie bleibt und wird Teil des noch immer nicht beendeten Völkermords.
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Gefragt nach der Wirksamkeit solcher
Bilder äussert der Fotograf Zweifel. Die Konflikte sind archaisch,
der Hass sitzt zu tief. Wie Urtiere in Stämmen organisiert mordet
der eine Sozialverband den anderen. Gerade kulturelle und religiöse
Ausprägungen verschärfen den Drang zum Massenmord, sie liefern
ihm vielfach perverse moralische Begründungen. Man macht es heute
mit anderen technischen Mitteln. Bemerkt wird die Fotografie in ihrer begrenzten
Wirksamkeit besonders dann, wenn man sie zur Begründung von Kriegen
missbraucht oder wenn sie zum Zwecke der Vertuschung verboten wird.
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Nicht fotografierte Kriege geraten
nicht ins öffentliche Bewusstsein, toben weiter, sind schon jetzt
vergessene Kriege. Ausser dem Krieg um das Kossovo sind es zur Zeit mehr
als fünfzig.
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