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sich seine Auswahl auf die Darstellung von Lebensverhältnissen
der Kinder in diesen Regionen. Auch hier überwiegt der Eindruck des
stillen Leidens und des bedrückten Lebens. Indirekt, indem er die
Haltlosigkeit der gezeigten Zustände in expressiven Bildern ins Bewußtsein
rückt, ist Heinemann ein sozialkritischer, politischer Fotograf, der
sinnliche, hochgradig emotional geladene Argumente für eine überfällige
Veränderung in den Machtstrukturen bereitstellt.
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Fotografie als eine Kunst des Wirklichen zwischen
subjektiver Leidenschaft und Leidensfähigkeit, Einfühlung in
die Leiden eines Kontinents, gestaltet hier das Wirkliche als das Schwererträgliche.
Von
einem Europäer und für die kirchlichen Auftraggeber - Adveniat,
Misereor - fotografiert, treiben diese Bilder Nägel in selbstgefällige
Augen. Sie erfüllen den Auftrag und zerstören ihn zugleich. Sie
entstehen aus einem ähnlichen Impuls wie die andere widerspruchs-
volle Bewegung im kirchlichen Bereich: die Theologie der Befreiung. In
tiefen Schwärzen, harten Kontrasten und rauhem fotografischen Korn
formt sich ein Kontinent aus Gewalt und Resignation, aus Schnaps und Weihrauch,
Ausbeutung und Almosen. Jürgen Heinemanns fotografische Arbeit folgt
auf die
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spätkolonialistische Phase des Bildjournalismus,
dem sich die Welt als Safaripark voller Beutetiere präsentierte. Sie
schließt sich an diese Phase an und macht ihr den Garaus. Der Europäer
- seine Kultur und seine Kirche - kann in diesen Bildern betrachten, was
er angerichtet hat. Der Geschmack an der Macht wird ihm gründlich
verdorben.
Auf
diesen dünnen, hochglänzenden Papieren erscheint in immer neuen
Gestaltungen das soziale Karree von Ohnmacht und Verfall, von menschen-
zerschindender Arbeit und aufgeblasener Obszönität des Reichtums.
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In jedem Kunstwerk steckt ein Stück Selbstdarstellung,
auch in einem fotografischen Werk. Die Einfühlung, die Angleichung
der Außenwelt an das innere Bild, bestimmt auch die lebenslange Arbeit
des Fotografen Jürgen Heinemann, mit dem wir es heute zu tun haben.
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Grenzsituationen, Übergangsgesellschaften, Kolonien
im Abseits, Lebensverhältnisse, die einer besonderen Gefährdung
ausgesetzt sind, bilden für beide Fotografen Heinemann und Escher
ein immer neu faszinierendes Thema. Entsprechend der Existenzphilosophie,
die viele unserer Generation geprägt hat, entwickelt sich in der Kamera
und dem Labor so etwas wie Existenzfotografie.
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