Virtuelles Magazin - Ausgabe 1 - 2000

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geplante und gedachte, weitgehend abstrahierte Bild an der Spitze der Wertepyramide zu finden war. Es war dies eine mögliche Antwort der Fotografie auf eine Kunstszene, die auch in der Malerei dem abstraktiven Kunstwerk den Vorzug gab und realistische, gegenständliche Werke an den Rand drängte. Reisepaß der Fotografie in die Zentren der Kultur war daher die Abstraktion, die gestalterische Umdeutung und "Überwindung" des Gegenstands.
Flächengestaltungen, sondern in ihrem unmittelbaren Zugriff auf Realität. Er setzte auf die "life-Fotografie". Die "Weltausstellung der Fotografie", die Pawek mehrfach einrichtete in der Nachfolge der großen Ausstellung "Family of Men" des Amerikaners Edward Steichen, brachte Situationen zwischen Menschen, Menschengruppen, Klassen und Rassen - und dies mit einer humanistischen, zum Teil harmonisierenden und religiösen Anmutung, welche politische oder sozialrevolutionäre Perspektiven ausschloß.
Pawek setzte auf die beobachtende, auf Situationen reagierende Fotografie des Bildjournalismus und lehnte die auf normale Komposition reduzierte Bildform nachdrücklich ab. Natürlich sah er sich in einem erbitterten Spannungsverhältnis zu Otto Steinert. Er meinte in den aus dem unbeeinflußten Leben "life" geschossenen Bildern Wirklichkeit selbst zu greifen, "unbehauen von der Axt des Bewußtseins". 
Jürgen Escher: Roma, Brüssel, 1982
Nun entwickeln sich auch Theorie und Praxis der Fotografie widersprüchlich, beinahe schulmäßig in diesem Fall nach der Lehre von den Widersprüchen, der Dialektik. Karl Pawek behauptete in seinen Schriften und in seiner Praxis als Ausstellungsgestalter das Gegenteil der "Subjektiven". Die besondere Qualität der Fotografie beruhe gerade nicht auf subjektiven Verfremdungen, Dunkelkammermanövern oder der Kunst entlehnten 
Jürgen Escher: Viro Viro, Choco, Kolumbien, 1989