Laurie Long: Die Kunst der Detektivin
28.2. - 27.3.2002
 
von Peter V. Brinkemper
 
Die aufmerksamen Augen einer jungen blonden Frau. Mit hochgezogenen Augenbrauen erforscht sie den engen Korridor. Eingeengt in ein Kostüm der 40er Jahre, die Arme auf den Rücken gefesselt, hockt sie auf einem Polstersessel an der menschenleeren Fensterwand eines Flugzeugs. Ein letzter, fast abstrakter Blick führt durch den Korridor zwischen den Stuhlreihen. Doch in der Pose der Fesselung zeigt sich ein letzter weiblicher Ausweg: Wie in einer Hitchcock-Szene verwandelt sich der Lippenstift zum Schreibgerät: Ein spiegelverkehrtes SOS schmückt bereits das Bordfenster. Die Botschaft der schönen Gefangenen an die Außenwelt, ein Hilferuf zur Rettung und Befreiung der entführten Weiblichkeit.
 
Mit ihrer Serie "Becoming Nancy Drew2 (1996) schuf die junge amerikanische Künstlerin Laurie Long eine Folge eigenwilliger fotoliterarischer Inszenierungen. Sie hat die Lektüre ihrer Kindheit zum Modell für die Suche nach ihrem künstlerischen Selbst gemacht. Das kreative Sehen wird so zum medialen Spiel zwischen Tarnung, Fesselung und Befreiung des Blicks, zur detektivischen Suche nach dem eigenen und dem anderen Ich.
 
Nancy Drew ist eine in den USA geläufige Jugendbuchfigur seit den 40er Jahren, ein smartes "Girl Detective2 mit kultivierten Manieren und ungewöhnlich ausgeprägtem Sinn für Selbstständigkeit, Pragmatismus und unbändige Abenteuerlust. Laurie Long hat Original-Illustrationen als Foto-Triptychen rekonstruiert, zwischen Motivtreue und abweichendem Blick. Die übernommenen Szenen und Bildunterschriften werden durch eine dritte Dimension ergänzt, die subjektive Wahrnehmung Nancys, die in der Jugendbuchillustration fehlt, aber vom Text angedeutet wird. Dem Bildobjekt "Nancy2 wird die Gabe des unbewußten Sehens, der "zufallsgerahmten2 Anschauung ("random framed view2) verliehen. Auf diese Weise wird die Nancy-Drew-Lektüre über die fotografische Selbst-Inszenierung hinaus zur Reise in die Zone visueller Leerstellen und Tabus, die überraschend aufgedeckt werden. Blick und Figur werden ineinander spielerisch gebrochen.
 
Laurie Long: "Mein Bestreben ist es, Nancy zu werden, so zu leben wie sie und auch wieder von ihr abzuweichen. Ich nehme die Qualitäten von Nancy, die Nancyness an und inkorporiere sie in meine Person. Sie ist intelligent auf eine weibliche Weise und sie behält ihre Weiblichkeit, mitten in ihrer detektivischen Arbeit."

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