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Stefan Klink Stationen - Bahnhofsarchitektur im Harz
Einleitung: Im Zeitalter der Industrialisierung entschied der Anschluss an das Eisenbahnnetz über die weitere Entwicklung von Städten und Gemeinden. Die Bahnhöfe bedeuteten das "Tor zur Welt", entsprechend aufwendig und sorgfältig wurden sie gestaltet. Die Architektur musste sowohl den verkehrstechnischen Anforderungen entsprechen, als auch dem Repräsentationsanspruch der Eisenbahngesellschaften und der Ortschaften Rechnung tragen. So entstanden Empfangsgebäude die Schlösser und Burgen, Stadttore und Kirchtürme, Villen oder Landhäuser zitieren. »Funktionale Zweckarchitektur steht neben reich gegliederten und ornamentierten, vom Historismus beeinflußten Prachtbauten, nüchterne Sand- oder Backsteingebäude neben malerischen Fachwerkkonstruktionen, bescheidene Bretterhütten [...] neben repräsentativen, nach einer einheitlichen Konzeption durchgestalteten Gesamtanlagen.«[1] | |
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Gunsleben | |
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Bad Suderode | |
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Drohndorf-Mehringen | |
Aktueller Forschungsstand und innovative Bedeutung Der Bautypus "Bahnhof"[2] stellt im Bestand der technischen Denkmale der Bundesrepublik Deutschland die größte und bedeutendste Einzelgruppe dar, wird bisher aber weder in der Architektur- und Technikgeschichte noch in der Fotografie angemessen gewürdigt. Während für den angloamerikanischen Bereich bereits 1956 das Standardwerk The Railroad Station von Carroll L. V. Meeks[3] erschien, fehlt für den deutschsprachigen Raum ein ähnlich umfassender Überblick. Dem am nächsten kommt Manfred Bergers[4] vierbändiges Werk Historische Bahnhofsbauten. | |
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Ditfurt | |
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Rieder | |
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Schwanebeck | |
Eisenbahnen im Harz Schon fünf Monate vor der Eröffnung der ersten deutschen Fernstrecke von Leipzig nach Dresden[16] fuhren im Dezember 1838 Züge im Harzvorland von Braunschweig nach Wolfenbüttel.[17] Die 1840 an dieser Strecke erbauten Bahnhöfe Vienenburg und Schladen verfügen somit über die beiden ältesten erhaltenen Empfangsgebäude Deutschlands.[18] Die Strecke zeichnet noch eine weitere Besonderheit aus: Zu einem Zeitpunkt, als andernorts Eisenbahnstrecken noch auf Initiative privater Aktiengesellschaften entstanden, errichtete das Herzogtum Braunschweig zum Bau der Linie die erste staatliche Eisenbahngesellschaft. Protektionismus und politische Kleinstaaterei drückten sich im Verhalten der benachbarten Staaten Preußen und Hannover aus, die sich gegenüber einer Vernetzung mit ihrer Verkehrsinfrastruktur sperrten. | |
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Bühne-Rimbeck | |
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Hordorf | |
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Elbingerode | |
Zur Fotografie Prof. Roman Bezjak, FH Bielefeld: | |
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Vienenburg II | |
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Wipperdorf | |
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Osterwieck West | |
[1] Markus Krause: Abseits der Magistralen. Köln 1987, S. 47. [2] Der Begriff "Bahnhof" bezeichnet in der bahnamtlichen Definition «eine Betriebsstelle mit mindestens einer Weiche, wo Züge [...] kreuzen [...] dürfen.« Vgl: Axel Föhl: Der Kern gigantischer Sterne mit Strahlen aus Eisen. In: Bund Deutscher Architekten BDA, Deutsche Bahn AG, Förderverein Deutsches Architekturzentrum DAZ in Zusammenarbeit mit Meinhard von Gerkan (Hg.): Renaissance der Bahnhöfe. Berlin 1997. Fehlt die Weiche, so wird von einem Haltepunkt gesprochen. Zur Gesamtanlage Bahnhof zählen das Empfangsgebäude, die Nebengebäude, die Bahnsteige, der Bahnhofsvorplatz und das Gleisfeld. Die korrekte Bezeichnung lautet daher: Das Empfangsgebäude auf Bahnhof Vienenburg. [3] Caroll L. V. Meeks: The Railroad Station. An Architectural History. New Haven/London 1975. Das Werk bietet eine Ge-samtdarstellung englischer und US-amerikanischer Bahnhofsarchitektur von den Anfängen bis zur Gegenwart. [4] Manfred Berger: Historische Bahnhofsbauten I. Berlin 1980. Historische Bahnhofsbauten II. Berlin 1987. Historische Bahnhofsbauten III. Berlin 1988. Historische Bahnhofsbauten IV. Stuttgart 1996. [5] Für den Bereich der Großstadtbahnhöfe liegt das gleichnamige Standardwerk von Krings vor. Ulrich Krings: Bahnhofsarchitektur: Deutsche Großstadtbahnhöfe des Historismus. München 1985. Die in der Architekturgeschichte bislang wenig beachteten und zu Unrecht gering geschätzten Bahnhofsbauten der 1950er und 1960er Jahre illustriert Schack anhand vieler eindrucksvoller Fotografien. Martin Schack: Neue Bahnhöfe. Empfangsgebäude der deutschen Bundesbahn 1948-1973. Berlin 2004. [6] Klaus Siegner: Die Bahnhofsarchitektur Hubert Stiers (1838-1907). Ein Beitrag zur Niedersächsischen Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts. (Dissertation), Göttingen 1986. [7] Lutz-Henning Meyer: 150 Jahre Eisenbahnen im Rheinland. Entwicklung und Bauten am Beispiel der Aachener Bahnen. Köln 1989. Eine systematische Erfassung und Beschreibung der Bahnhofsarchitektur im Saarland liefert Barbara Neu. Barbara Neu: Bahnhöfe im Saarland. Nur im Internet veröffentlichte Magisterarbeit im Fach Kunstgeschichte an der Universität Saarbrücken, 1993. Vgl. www.members.aol.com/barbaraneu. [8] A. Holtmeyer: Kleinere Eisenbahn-Empfangsgebäude. Berlin 1915. In diesem Buch werden u. a. auch die im Untersu-chungsgebiet dieser Arbeit liegenden Bahnhöfe der Strecke Bleicherode OstHerzberg anhand von Abbildungen be-schrieben. [9] Dirk Endisch, Uwe Oswald: Klein- und Privatbahnen im nördlichen Harzvorland. Leonberg-Höfingen, 2004. Dirk Endisch: Der »Balkan«. Die Kleinbahn FroseGernrodeQuedlinburg. Leonberg-Höfingen, 2005. Dirk Endisch: Die Kleinbahn NienhagenJerxheim. Leonberg-Höfingen, 2005. Dirk Endisch: Die Nebenbahn OscherslebenGunsleben. Leonberg-Höfingen, 2005. [10] Thomas Knop: Auf Schmalspurgleisen durch den Harz. Gifhorn 1991. [11] Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hg.): Eisenbahn in Hessen. Teil I: Volker Rödel: Eisenbahngeschichte und -baugattungen 1829-1999. Teile II/1, II/2: Heinz Schomann: Eisenbahnbauten und -strecken 1839-1939. Verlagsort, 2005. [12] Sten Nadolny (u. a.): Zeit zu sehen. Sieben Fotografen erfahren die Bahn. Mainz 1996 Horst Hamann. Panorama Deutsche Bahn. EDITION PANORAMA 2003 [13] Axel Zwingenberger: Vom Zauber der Züge. Hamburg 2000. [14] Vgl u.a. Bernd und Hilla Becher: Typologien. München 2003. [15] 1855 erhielt der Maler Karl Herrle durch die Eisenbahnkommission der Bayerischen Staatsbahnen den Auftrag, die neu entstandenen Brücken und Bahnhofsbauten der Ludwig-Süd-Nord-Bahn zu "portraitieren". Die 565 Kilometer lange Strecke von Hof nach Lindau wurde als Meisterleistung moderner Bautechnik gefeiert und dementsprechend in Szene gesetzt. Vgl.: Markus Hehl: Fortschritt im Bild. Die biedermeierlichen Veduten des Karl Herrle. In: Kultur & Technik 01/2003, München, 2003. Die Präzision und Schnelligkeit der Fotografie machte sich 1907 ein weiteres Projekt der Bayerischen Staatsbahnen zu Nutze: Ein Fotograf dokumentierte alle bayerischen Bahnhöfe mitsamt dem jeweiligen Personal aus der gleichen Perspektive. Ein Großteil der Fotografien wird im DB Museum Nürnberg im Ausstellungsbereich »Bahnhöfe« präsentiert. [16] Leipzig-Dresdner Bahn, Eröffnung 7. April 1839. Siehe dazu Ralf Roman Rossberg: Geschichte der Eisenbahn. Künzelsau (o. J.), S. 39. [17] Die Strecke wurde sukzessive bis Bad Harzburg verlängert. Streckeneröffnungen: WolfenbüttelSchladen (22. August 1840), SchladenVienenburg (31. Oktober 1840), VienenburgHarzburg (8. November 1840). Siehe dazu Volker Rödel: Kulturdenkmäler in Hessen. Eisenbahn in Hessen. Teil 1. Stuttgart 2005, S. 45. [18] Siehe dazu Stefan W. Krieg: Bahnhöfe und Denkmalpflege. In: Bund Deutscher Architekten BDA; Deutsche Bahn AG; Förderverein Deutsches Architekturzentrum DAZ in Zusammenarbeit mit Meinhard von Gerkan (Hg.): Renaissance der Bahnhöfe. Berlin 1997, S. 234.
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