| - Jörg Boström
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- Eis - Land
- Fotografien von Stefan Ziese
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- Eine Welt ohne den Menschen wird wieder vorstellbar. Zu denken gibt, daß sie um so vieles schöner erscheint. Wenn Lava, Wasser, Schwefel und Eis sich mischen, entstehen Figuren, Flächen und Räume von einer abweisenden Reinheit, die dem Betrachter den Atem verschlägt. Wenn Flammen Formen ins Eis brennen, wenn Stein fließt und Wasser zu Felsen sich auftürmt, wenn glasblaue Höhlen einen tödlichen Schoß für den warmen, schmutzigen Organismus des Lebens öffnen, werden nur noch Elfen und Gnomen gefragt sein, Naturgötter, die sich in Dunst auflösen, die fließen und in Schlacken sich wieder verkörpern können. Es entstehen Formen, die in eine vorzeitliche, vormenschliche Welt zurückverweisen, aus welchen die wandernden Sänger der Edda, der altisländischen Sammlung von Visionen, Sagen, Liebes- und Haßversen ihre Gestalten entwickelten. Nicht ohne Doppelsinn auch für uns Weltverwüster bleibt die Szene, in der Sigurd der in Eis und Stahl schlafenden Brynhild den Panzer aufschneidet mit dem Schwert, sie später täuscht durch Figurentausch, seinen und ihren Tod und die Vernichtung eines Volkes verursacht. Er zerstört mit der Waffe den Schutz der Schlafenden, eine Befreiung, welche bereits den Untergang im Programm hat.
- Als Flóki Vilgeròarson im Jahre 865 die Insel im Nordmeer besiedelte, nannte er sie Eisland. Er muß die Isolation des Menschen vor dieser Natur gefühlt haben. Seine Beschreibungen stellen mehr die Unheimlichkeit und Unwirtlichkeit der Landschaft dar als ihre Schönheit. Inzwischen weiß man, daß von 103 000 qkm der Insel 80 000 qkm völlig unfruchtbar sind und unbewohnbar.
- Es ist dem verdorbenen Auge der Fotografie vorbehalten, in dieser schrecklichen Lebensferne, in kochenden Vulkanspalten, zwischen Eisfratzen und vergiftenden Schwefeldämpfen die Schönheit zu suchen. Kein Lebewesen hält sich hier, Pflanzen sind schon zuviel. Bilder entstehen, die vergessen lassen, daß ein Fotograf sich nah an diesen dunklen Urraum Ginnungsgagap der Edda heranpirschen wollte, das dem Chaos der Griechen und der Bibel entspricht. Diese glänzenden Fotografien zeigen, wie schön die Hölle sein kann, wenn sie nicht bewohnt ist.
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