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Kerstin Parlow

 

The roof

A rare and solitary place.

Time is like a gentle breath.

The past felt lonely,

tomorrow may be hard to take,

but here and now is just the sky

to look at.

What would be left of life

if you gave up your dream?

 

Kerstin Parlow

Die Frau ist Fotografin und sie stellt Bilder her von ausgegrabenen Sachen, die über dreitausend Jahre im Boden lagen. Dabei hat sie in den Abstand zwischen den Räumen und den Zeiten Texte und Fotografien gelegt.

In der eigentümlichen Atmosphäre des von Spatenstichen tätowierten Bodens im Nildelta treffen Menschen, Zeiten und Kulturen zusammen, die sich mit Zeichen und jeweils fremden Sprachen annähern und doch nicht ganz erreichen.

Auf ihrem Tisch breiten sich die Bilder über die Fläche aus und greifen auf den Bildschirm über.

Im Netz werden sie medial fixiert und wechseln doch ständig die Beziehungen und Positionen. Sie spielen miteinander. Das Dach, das bei der ersten Zusammenlegung entstanden ist, ist dünn und schattig.

The Roof.

Weitere Positionen folgen.

Jörg Boström

 

Datum: Fri, 15 Feb 2002 19:46:39 +0100 (MET)

Von: k.parlow@gmx.de

An: jbostroem@gmx.de

Das Leben ist so anders da unten. Das Gefühl von Leben. Vorhin war es da, als ich an dem Obst des Vietnamesenladens vorbeiging, ein Aufflackern, verschwunden schon wieder als ich es wahrnehme. Betörend leicht und seltsam wütend und immer jetzt, nur jetzt. Warme übervolle Strassen, übervoll an Menschen, an Autos, dem Gestank von altem Fisch und Pferdepisse, orangenem Licht, Autos, Lärm, Lärm aus Kehlen und Maschinen und Obst in großen Haufen. Es ist schon lange dunkel und ich weit jenseits von Erschöpfung. Mein westliche Geist schäumt auf. Wir wollten doch nur eine e-Mail schreiben, aber es hat wieder nicht funktioniert. Dieser freundliche Mensch mit seinen nicht funktionierenden Computern, dieses Land mit seinen nicht funktionierenden Telefonleitungen, diese Kinder, die so dicht hinter der Schulter stehen wenn man fünf Minuten, nur fünf Minuten mal allein sein will mit einem Monitor und dem Inneren des Kopfes. Es geht nicht. Nichts geht hier, nichts! Nur Schritte, wütend über lose Steinen, stolpernd, eilig. Die Arme vergraben in einem großen Tuch in der Dunkelheit. Der Lärm, das Unvermögen, sich Platz zu schaffen, es vermischt sich alles mit dem orangenen Licht und dem Staub, der stinkt, und den Gestalten, die schattengleich hinter den Obstbergen sitzen, Datteln und Limonen und Granatäpfel. Faqus, Metropole des Deltas. Neben mir geht ein Mann. Dass er da ist hält die Blicke von mir fern und die Worte, die lästigen gesagten und die gerufenen, der Ton sagt mir, es ist gut, dass ich sie nicht verstehe. Eine Frau ohne Mann hat in diesem Land keinen Anstand. Der Lärm hört nie auf. Lauf, sagt er. Das Auto fährt schon, ein Pick-up, ein Taxi. Er wartet, bis meine Hand die Stange greift und ein Fuß auf der Stosstange ist, dann läuft er selber los. Der Spuk ist vorbei. Nur noch Strasse, geradeaus, und Wind, warmer Wind und Dunkelheit. Irgendwo brennt ein Feuer in den Feldern, das sind Beduinen. - und ich weiß nicht. ich - in Berlin - vor einem Computer - frage mich, ob es das Fremde ist, was so zeitlos leise Sternenstaub niederregnen lässt auf diesen anderen Abend. Das Fremde, das fern ferne Unerreichbare. Wenn es nicht fremd ist sondern immer jetzt, ist der Himmel dann noch so groß in der Dunkelheit und so warm wie Samt und ururalte Geschichten?

An einem anderen Abend saß ich mit M. auf der Terrasse, auch im dunkeln. Ein Bier in der Hand nach Feierabend und die Frage, was denn der andere so für Ticks hat. Und dein Tick ist, hat er gesagt und lange nachgedacht, und dein Tick ist, dass du hier bist und dass es dir auch noch gefällt. Ich hab gelacht. Ja. Ja aber warum bin ich dann hier? Hier ist auch gut, anders. Es geht nicht ohne, Europa verdirbt mit seinem Wissen, es macht süchtig, so kompetent, so anders großartig. Tolstoi, für drei Euro das Kilo Papier, und alle Nationen auf einem Haufen. Die Pizzabäcker sind Türken hier. Tante Emma hat jetzt Mandelaugen und verkauft frische Papaya in Streifen. Der Mann ohne Haus ist Amerikaner, aber er wohnt in Berlin, falls man das sagen kann von einem Bumm. Aus den breiten Bürgersteigen und dem Kopfsteinpflaster dünstet das Lachen der Zwanziger. Die Architektur ist aus dem Osten, die Geschäfte aus dem Westen. Und die Wohnung, wo in der Vase von Omi immer frische Blumen stehen, so wie sie mir gezeigt hat, dass man Blumen in eine Vase stellt. Berlin ist, als könnte man überall hin. Vielleicht muss ich noch ein bisschen hier bleiben und das Ich befragen, ob es sich wirklich entscheiden will, vielleicht, may be,

mumkin, peut-ètre, moschedbijet,

k