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zur Ausstellung von Manoel Nunes

Deutschland - Stolzland

Ich bekomme einen Aruf von der Organisatorin der Ausstellung von Manoel Nunes und dann von ihm selbst. In der Alten Poststation in Melle ist zu seiner Ausstellung eine Gruppe von Jugendlichen erschienen, die sich als Neonazis zu erkennen gaben und Drohungen gegen die Veranstalter ausstiessen. Manoel , der Brasilianer ist, sagte, dass er nun zum ersten in Deutschland Angst habe. Bisher sei er auch allein in vielen Teilen unseres Landes unterwegs gewesen, in allen Himmelsrichtungen, ohne etwas befürchtet zu haben. Nun sei das vorbei. Dazu schickt er uns und vielen anderen den folgenden Brief:

Betreff:
"...müde Dummheit."
Datum:
Mon, 7 May 2001 10:21:44 +0200
Von:
Manoel Nunes <manoelnunes@web.de>
An:
"'Jbostroem@gmx.de'" <Jbostroem@gmx.de>
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: info@frank-platte.de [SMTP:info@frank-platte.de]
Gesendet am: Donnerstag, 3. Mai 2001 23:23
Betreff: stolzland
hallo pinki -
ist das einzigartig für deutschland? vieles aus folgendem bericht kommt mir
sehr bekannt vor. "national-befreite zonen" gibt's überall, zumindest in
vielen köpfen... was macht man mit solchen köpfen? sie werden härter und
härter, holer und holer, vermehren sich wie krebsgeschwüre und nähren sich
vom ausbrennenden fett des wohlstandes. gutriechende, braungebrannte und
schick motorisierte maden im speck satter ignoranz und müder dummheit.
wie sieht's anderswo aus, zum beispiel bei dir in london?
herzlichst
frank
 
"GAMER GEGEN NAZIS
Der folgende Text erreichte mich heute per E-mail. Falls die Geschichte euch
auch nur annähernd so sehr schockiert wie mich, dann nehmt euch ein paar
Minuten Zeit und schickt diesen Bericht an alle, die ihr kennt - HIER!
Entweder ihr kopiert diesen Text, oder ihr schickt euren Freunden einfach
einen Link zu dieser Seite. Wer jetzt nicht den Mund aufmacht, soll für
immer schweigen. Solltet ihr sogar eine Meinung zum Thema haben - zum Forum geht's hier lang.
NACHTRAG: Da ich inzwischen eine Nachricht erhalten habe, die Wurzen in
etwas anderem Licht erscheinen lässt, bitte ich euch, auch diesen Text der
Vollständigkeit halber zu beachten. In unseren News findet ihr eine
umfangreichere Erörterung dazu. Den Inhalt der Gegendarstellung findet ihr
HIER.
hallo liebe leute,
ich schreibe euch heute allen zusammen eine mail, weil ich euch allen etwas
berichten möchte, was ich erlebt habe.
 
zum background: zur zeit gibt es eine hip hop tour gegen rechte gewalt, die
durch verschiedene städte ostdeutschlands geht. die tour steht unter dem
nahmen ,die leude woll'n, dass was passiert' (slogan von fünf sterne deluxe)
und ist im rahmen der stern aktion mut gegen rechte gewalt'. ins leben
gerufen haben diese tour der stern und das büro lärm, für die ich diese tour
als tourleitung begleite. wir sind in städten wie neustadt an der orla,
wurzen, eberswalde, dessau und bad salzungen, weil dieses einige der
brennpunkte sind, in denen die nazis die überhand gewonnen haben. ich möchte
euch nun hier von unserem aufenthalt in wurzen am 21.april 2001 erzählen,
weil ich das gefühl habe, dass viel mehr menschen darüber informiert werden
müssen, was in dieser stadt abgeht.
 
wurzen ist die erste stadt, die sich national befreite zone genannt hat.
demzufolge gibt es dort auch keine ausländer. es gibt keine dönerbude, es
gibt kein ital. restaurant. das einzige chinarestaurant, dass es dort gab,
wurde solange terrorisiert, bis die inhaber flohen. die anfangsbuchstaben
vom happy house (name des restaurants) wurden stehen gelassen und stehe
heute für heil hitler. die nazis haben dort einen ihrer treffpunkte
eingerichtet, in dem sie sogenannte heimatabende verbringen. als wir in
wurzen ankamen, war sofort klar, dass wir dort alles andere als willkommen
sind. wir wußten zwar, dass wurzen mit der härteste termin auf unserem plan
war, doch was uns dort erwarten sollte, übertraf jede vorstellung.
 
zunächst muß gesagt werden, dass die veranstaltung open air war, da die
stadt keinen raum zur verfügung stellen wollte. vor ort organisierte das
konzert eine gruppe von antifa leuten, die (man kann es gar nicht glauben)
in wurzen und umgebung wohnen. diese menschen sind alle um die 20 jahre und
wollen nicht aus wurzen wegziehen, da sie sagen, dass sie den kampf dann
endgültig verloren haben. unsere sprüher, die fester bestandteil der tour
sind, fingen um 14h an, eine mauer, die gegenüber des geländes an einer
straße lag zu bemalen. von anfang an wurden sie von vorbeifahrenden nazis
bedroht. (heute nacht krieg ich dich. ich töte euch. etc) von der vorher
abgesprochenen polizeistreife zu unserem schutz war nichts zu sehen. um ca
15h hielten zwei polizeiautos vor der mauer. die polizisten stiegen aus und
verlangten von den sprühern die sprüherlaubnis. reine schikane, wenn ihr
mich fragt, denn logischerweise war die ganze veranstaltung (also auch das
sprühen) genehmigt und angekündigt.
von anfang an trat die polizei sehr unfreundlich und äußerst unkooperativ
auf. einer der sprüher, der chinesischer abstammung ist, filmte die ganze
aktion mit seinem camcorder. plötzlich nahmen die polizisten ihn und wiesen
ihn an, ihnen ins polizeiauto zu folgen. es gab überhaupt keine erklärung
bzw rechtliche grundlage zu dieser aktion. ich versuchte herauszufinden, was
dem sprüher vorgeworfen wird, aber schon bald war klar, warum gerade er
ausgesucht wurde. ich bekam keine antworten auf meine fragen. daniel
(sprüher) mußte seinen film löschen und seine personalien angeben. dafür
gibt es ebenfalls keine rechtliche grundlage. reine schikane! als mir einer
der polizisten dann sagte, dass der sprüher dort festgehalten wird, weil er
ja erst einmal seinen namen buchstabieren müsse ("oder können sie etwa
vietnamesisch?"), war die situation kurz vor dem eskalieren. deshalb und
natürlich auch, weil wir die presse hinter uns haben (stern und focus waren
anwesend), wurde daniel schließlich wieder frei gelassen. von da an war
klar, dass die polizei, die uns eigentlich beschützen sollte, nicht wirklich
auf unserer seite steht. ein einsatzwagen stellte sich dann eine zeitlang
neben die mauer, und tat so, als würde er aufpassen. einer der polizisten in
diesem auto war der vater des npd vorsitzenden dieser stadt. ein weiteres
beispiel für die parteiorientierung der polizei: ein einzelner nazi geht an
ca 30 prühern vorbei und sagt ganz selbstbewußt, dass er heute nacht alle
tötet. dann geht er um die ecke und begrüßt die schon erwähnten polizisten.
das konzert verlief reibungslos. wir bekamen so viel dankbarkeit entgegen
und merken wie in neustadt, dass es so wichtig ist, etwas für die menschen
zu tun, die gegen diese nazis kämpfen. ich habe tiefsten respekt, vor diesen
leuten, die dort täglich verprügelt oder aus bussen geschmissen werden und
den kampf trotzdem nicht aufgeben!!! als das konzert zuende war und der
großteil des publikums zuhause und die bands im hotel waren, tauchten
plötzlich ca 50 glatzen auf dem großen parkplatz vor dem konzertgelände auf.
von der polizei war zunächst nichts zu sehen. unser sicherheitschef konnte
die nazis mit seinen leuten einkesseln und eine straße hoch ,treiben'. dann
tauchte auch die polizei auf, die sich (mal wieder) äußerst unkooperativ
verhielt. doch nach einem gespräch des einsatzleiters mit anetta kahane von
der amadeu antonio stiftung, die während der ganzen tour dabei ist, gaben
die polizisten ein versprechen, dass sie auf dem parkplatz blieben, bis alle
beteiligten den ort verlassen hätten. immer wieder tauchten nazis aus der
dunkelheit auf. im fünfer konvoi fuhren wir (a. a. stiftung, sprüher, focus
fotograph und ich) dann mehr oder weniger fluchtartig mit unsrem
sicherheitschef in unser hotel, dessen besitzer übrigens einen der npd
jugendclubs durch geldspenden unterstützt. auf dem weg bekamen wir dann noch zum abschied den
hitlergruß.
ich finde es sehr wichtig, dass ich möglichst vielen menschen mitteile, was
in dieser stadt abgeht. wir erfahren viel aus den medien, nehmen das auf,
und denken, dass das schon schlimm ist, aber dass da ja eh nichts passieren
kann. das sind doch nur so ein paar vollidioten, die so denken. man kann
sich das aber nicht vorstellen, wenn man es nicht erlebt hat oder jetzt
hört. es ist wirklich so schlimm. egal wohin du guckst, es leben dort nur
nazis (bis auf die handvoll antifa leute). der stadtrat, polizei - egal was
* nazis! und die, die keine glatze oder hitlerfrisur tragen, verschließen
die augen. genau wie vor 50 jahren. das ist dort ganz schlimm und ich
wünschte mir, dass viel mehr menschen davon etwas mitkriegen, damit das
problem ernst genommen wird. auch wenn ich in meinem ganzen leben noch nie
solche angst vor menschen gehabt habe, bin ich sehr froh, dass ich diese
tour mitmache. wie gesagt, die menschen, die dort gegen die nazis kämpfen,
müssen viel mehr unterstützt werden.
ich würde immer wieder bei dieser aktion mitmachen. bei dem konzert waren
übrigens ca 400 leute, die richtig gefeiert haben. denen war es im prinzip
auch total egal, wer auf der bühne steht. hauptsache, es wird was für sie
getan. ich hoffe, ich konnte euch so einigermaßen eine vorstellung geben,
was in wurzen (und nicht nur dort) abgeht. wenn ihr mehr über die tour
erfahren wollt, guckt im internet unter www.eyedoo.de, www.buerolaerm.de,
www.fourartists.com, www.amadeu-antonio-stiftung.de - oder kauft euch den
neuen stern. da steht ein bericht über wurzen drin, den ich vor der tour
reißerisch fand, aber nach der tour mit ganz anderen augen sehen.
bis dann,
macht es gut und denkt mal drüber nach,
meike"

Dazu ein Verweis auf das darin eingerichtete Diskussionsforum. Bei meiner Fotoarbeit in Deutschland bin ich vielen, sehr unterschiedlichen Menschen begegnet, aus welchen ich in Anlehnung an eine Aktion in Herford eine Tafel zusammengestellt habe mit dem Stempel:"WIR SIND DIE ANDEREN" - wir alle. "Je suis un autre," sagte der Dichter Arture Rimbaud.

Herford, 10.5.2001

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Jörg Boström