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Zeichenstift vor die Augen. Immer wieder geht
es um Ausdehnung, gar Aufquellen des Ich in der sonst unveränderten
und vielleicht unveränderbaren Lebensenge, die zugleich etwas makaber
gemütliches und gefährlich erstickendes hat. Eine existentielle
Bosheit, die nun nicht mehr nur mit einem humorvollen Augenzwinkern zu
verkaufen ist, zeigt sich darin, dass der Raum um diese Menschen, der Spielraum,
der Lebensraum, immer weiter schrumpft, weiter bis zur erdrückenden
Enge, je mehr diese Menschen sich, ihren Körper und ihr inhaltlich
auf wenige Funktionen beschränktes Selbst ausdehnen und aufblähen.
Mach dich klein, sagen diese Bilder, und du hast Fernsicht und Raum, mach
dich wichtig, und dir schrumpft der Raum bis zur beklemmenden Enge. Kunst,
sagt Peter Menne, will er nicht machen. Vielleicht ist ihm diese zu transzendent,
zu weit entfernt von den Banalitäten des Alltäglichen, dem er
sich verschrieben hat. In den Kunstwerken vieler sich als Künstler
definierenden Bildner erkennen wir oft mit wachsender oder weichender Andacht
den Künstler selbst und seine Visionen, in Menne Arbeiten mit dem
Stift erkennen wir bei immer genauerem Hinsehen nicht so sehr Peter Menne,
den Macher, sondern mit wachsender Unruhe immer wieder uns selbst.
Bei der Beschäftigung mit den Zeichnungen anlässlich dieser Ausstellung machte ich an mir eine Beobachtung, die ich Ihnen gerne vermitteln würde. Ich spazierte auf der Suche nach Cafegenuss mit meiner |
Frau und meinem Schwiegervater auf den durchsonnten Strassen
des Kurortes Bad Salzufflen. Die Stege, Wege und Cafés waren überströmt
von Menschen wie wir. Auf einmal und dann für längere Zeit reduzierten,
konzentrierten, formten sich die vertrauten und zugleich fremden Figuren
der Spaziergänger, Sitzenden, Schaufenster Studierenden zu voluminösen
Strichgestalten aus der Feder unseres Zeichners. Ich flanierte durch eine
Mennewelt, ohne dass sich die bisherige sehr stark verwandelt hätte.
Ich spazierte durch eine Menneausstellung in der Art bewegter, und dann
wieder erstarrter Zeichnungen, durch ein Figurentheater. So real, dachte
ich, sind seine Visionen. Ich habe diesen erlebnisreichen Spaziergang bisher
niemandem geschildert. Ich sah die Gefahr einer Halluzination ebenso wie
den Erlebniszuwachs einer geliehenen Sicht. Der grosse Zeichners des 19.
Jahrhunderts, Daumier, hat eine Serien von Museumsbesuchern gestaltet.
Dieses sind nun Sie. Sie könnten, wenn Sie sich hineinversetzen lassen.
Ihre Freunde und Bekannten, sich selbst sogar, für einen Moment begreifen
als als von Peter Menne entworfen. Ich wünsche Ihnen viel Freude an
den zeichnerischen Spiegeln, die uns dieser Künstler, wie ich ihn
nun doch nenne, immer wieder vorhält.
Herford, 15.5.1999 Jörg Boström |
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