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Jörg Boström
Zwischen Mechanismus und Freiheit Werde ich gesteuert von Bildern oder steuere ich sie und das Übrige? „Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem Wagen durch. Uns bleibt nichts als mutig gefasst bald rechts und links die Räder weg zu lenken. Wohin es geht, wer weiß es. Erinnert er sich doch kaum, woher er kam.“ Goethe, aus Egmont, Schluss von „Dichtung und Wahrheit“. Oder „Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein. Es darf sich einer nur für frei erklären, so fühlt er sich den Augenblick als bedingt. Wagt er es, sich für bedingt zu erklären, so fühlt er sich frei.“ Auch von Goethe.. gefunden durch zufällige und geplante Suche im Internet. Nun etwas von der Notwendigkeit und der Getriebenheit der Kunst, der bildenden Kunst im Leben. Schwer zu ertragen diese Sache, mit der wir es zu tun haben. Ich meine unser Lebens im einzelnen und allgemeinen, schwer zu ertragen ohne Kunst. Ohne Bilder Kunst. Von der unerträglichen Leichtigkeit des Seins spricht Milan Kundera in seinem so betitelten Roman. Er schreibt dagegen an. |
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Wir haben es hier mit der Bilderwelt, mit den Sensationen des Sehens zu tun. Um nicht unterzugehen in dem Gestrüpp des Kausalen, des Banalen, der Frühstücksprobleme, dem Picken um die Hackordnung, dem Feilschen um die Soße aus einer immer gleichen Küche, wehren wir uns mit dem Stift. So mit dem Pinsel. Auf großen Flächen, auf kleinen Papieren, bilden wir die Flächen und Figuren, die Farbsplitter und Lineamente unseres tonlosen Widerspruchs. Außer denen, die selbst dieser Sucht verfallen sind, sich in Bildern darzustellen, zu spiegeln und zu verformen, halten viele die Produkte dieses Tuns für Verschönerung, für Schmuck. Malerei sagt Picasso, ist nicht erfunden worden, um die Wände zu schmücken, sondern als Angriff und zur Verteidigung gegen den Feind. Welchen Feind. Niemand bedroht uns ernsthaft, nur die Banalität und der Tod. So gesehen, ist Malerei eine ekstatische, aus sich heraus brechende Form des Lebens, ohne Zweck, wie dieses selbst. Man darf so weit gehen zu behaupten, je zweckloser eine Bilderwelt, desto näher ist sie am Leben, an der Artikulation unserer Existenz. Dieses Tun auf Leinwänden und Papieren, das in Ausstellungen und Katalogen eine bürgerliche, sich ordentlich eingefügte Form gibt, die sich hier als Festveranstaltung in die Zweckbestimmung einmogelt, existiert in Wahrheit nur aus sich selbst und für sich selbst. Malerei gehört zu unseren elementarsten Äußerungen. |
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Man erkennt in der Geschichte die Geburtsstunde des menschlichen Bewusstseins in den Höhlen von Lascaux, in den Jägern und Tieren, in den Schwimmerbildern unter dem Boden der Wüste Sahara. In der von Zweck- und Zieldenken strukturierten, verschulten Welt bricht dieser ungezogene Trieb zur visuellen Musik immer wieder auf. Der Körper ist das Instrument dieser Produktionen, die Hand, das Auge, aber auch Arme, Beine, Bauch und Kopf. Jeder Strich, jeder Farbauftrag auf der Fläche, geh durch Nerven und Muskulatur. So ist es nicht verwunderlich, dass der Körper, die Figur, die physische Empfindung des Selbst immer wieder zum Inhalt der Bilder wird, selbst da wo diese sich in freien Formen auf der Leinwand entwickeln. Die Kunstpsychologie spricht von eine anthropomorphen Struktur unseres Sehens und Gestaltens. Wenn die Welterfahrung von ersten Griff des kleinen Kindes an seinen Zeh bis zur Umarmung des anderen Menschen über den Körper läuft, durch ihn hindurch geht, so ist es begreiflich, dass dies sich in den Bildern niederschlägt. Man spürt in den Werken des Künstlers nicht nur die geistige, sondern auch die körperliche Präsenz. Das Auge umfasst die umgebende Welt wie eine Kamera. Die Kamera gestaltet im Zugriff auf das Gesehene schon die eigene Welt. Im Kopf verbinden sich die Bilder und ihre Elemente zu immer neuen Konstellationen. Es ist eine vom Bewusstsein kaum noch zu steuernde Zusammenfügung immer neuer Bildwelten. Die Malerei macht diese sichtbar. Insofern ist Kunst auch ein Stück weit Indiskretion, ein Überschreiten der Grenzen von Intimsphären zwischen Gestalter und Betrachter. |
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Nicht erst hier beginnt die Abhängigkeit. Die Einschränkung der Freiheit des Gestaltens. Das Aug nimmt auf was vor ihm liegt. Und das ist abhängig von unserer Lebenssituation. Von der räumlichen Präsenz. Die gesteuert ist von unserem Leben, das eben nicht nur einer Planung unterliegt, sondern selbst gesteuert ist von den Zufällen unserer existentiellen Lage. Von der Dynamik des Lebens selbst. Die Faszination des Gestalters beim Setzen der Linien, des Strichgespinsts, das sich in Aufbau und Zerstörung fortentwickelt zu einer scheinhaften Endgültigkeit, die sich schon bei bildnerischen Vorstellungen fast zwanghaft entwickelt, ist in diesen verschlungenen Bildern zu erleben. Eine neu zusammengefügte Welt strahlen die Werke immer wieder aus. Schon unbestimmte Formen im Material setzen unsere Vorstellung in Bewegung. Sie können vielerlei bedeuten, Flecken, Wolken, abgeschrubbte Dielenböden,Schaum, Rauch, Büsche in der Nacht, Zypressen und zerfließende Milch im Teeglas. Sie sind in den Umrissen offen, bewegt, erzeugen ständig neue Bildverbindungen. Hinzu kommt die freischwebende Imagination. |
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Leonardo da Vinci empfiehlt den Blick auf bunt gefleckte Mauern. Als Künstler der Renaissance sieht er Schlachten darin, Gestalten mit lebhaften Gebärden, seltsame Gesichtszüge und Gewänder. Erlkönigs Töchter sieht der Reiter in Goethes Gedicht in den Nebelschwaden und Finsternis aus dem Gesträuche blickt ihn selbst mit schwarzen Augen an. Dem Surrealisten Max Ernst erscheint die Sphinx in ihrem Stall. Für den Psychologen Leo Navratil ist das menschliche Gesicht als Urerfahrung des ersten Blickes auf die Welt die stärkste Vision in der Deutung des Unbestimmten, weiterhin sieht er darin Anthropomorphes, Körperformen in unheimlicher, fantastischer und sexueller Formation. Fast zeitgleich mit den Surrealisten entdeckt im Behn-Rorschach Test die Psychologie die Bedeutung der Ausdeutung nicht festgelegter Bilder. Die Tafeln mit sorgfältig getesteten Klecks Bildern dienen der Analyse gutwilliger Patienten und werden zeitweilig als Grundlage für Einstellungsgespräche missbraucht. Es geht darum, die tiefen Schichten der Psyche und der Bilder zu reizen, hervor zu kitzeln, die festgefahrenen Klischees der Massenkultur aufzuweichen, um die darunter fließenden Lavaströme freizulegen und ihre Form Welt im Zustand ihrer Entstehung zu erleben. Die Arbeit mit wuchernden Strichen, den Verletzungen und dem emphatischen Streicheln der Oberflächen, dem Fließenden, noch unbestimmten Figurieren, dem allmählich sich Formenden vermittelt ein immer wieder faszinierendes Erlebnis, wenn man sich mit und neben dem Künstler darauf einlässt, es führt zu einer Offenheit und unbefangenen Intimität der Bildsprache, welche an die Grenzen der Person führen kann, an die Haut und gelegentlich unter sie. Zwischen Selbsterfahrung, Bildentwicklung, Zugriff auf die Innenseiten, an die sich auflösende Grenze zwischen Innen und Außen, zwischen sich selbst bestimmendem Material und Kunst bewegt sich auch unsere verschlungene Bilderwelt. Nicht nur die Willkür der Hand hat das Sagen sondern es sind auch die Bewegungen der Substanzen selbst, welche dem Bild Prozess über die psychische und formale Lenkung hinaus die Objektivität von Naturprozessen gibt. Entsprechungen von Wolkenbildungen, Gezeiten, Schaum und Rauch erschließen sich der Beobachtung. Das rauschhafte Einatmen der ätherischen Dämpfe verbindet sich mit dem freigelegten Bildgedächtnis des Hirns. Pythia, die Seherin des delphischen Orakels, pflegte ihre dunklen Zukunftsverse unter dem Einfluss von Dämpfen den ängstlichen Pilgern mitzuteilen. Angeregt ist die Bilderwelt auch von Reisen zu historischen Stätten, nach Spanien und Portugal, nach Leningrad und Nowgorod, nach England mit den mythischen Plätzen Stonehenge, nach Schottland , nach Russland, Lettland und Litauen, in die Bretagne und die Normandy. Aber auch in die industrielle Dichte des Ruhrgebiets und die landschaftliches Weite von Mecklenburg. |
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Zu der Zeit.. 1966-1972 etwa war die Malerei diktiert vom Kunstgeschäft. "Der Gegenstand ist nicht mehr tragfähig", wurde behauptet. Ich bin eine Beobachter der Welt um mich. Da ging ich zunächst in die Fotografie.. als Realist der ich war und bin. Und das in krasse auch sozial abwesende Regionen. Hier in Düsseldorf in das Obdachlosen Quartier am Tichauer Weg. „Zeige deine Wunde“.. Der Gedanke auch an Jesus.. und Joseph.. zeige deine Wunde (1974−1975) ist eine Installation beziehungsw eise ein Environment des deutschen Künstlers Joseph Beuys, das in einer Aktion des Künstlers präsentiert wurde. |
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Das Projekt unserer Gruppe PSR- Politisch Soziale Realität – konnte in der Kunsthalle Düsseldorf gezeigt werden, weil eine Schwedische Ausstellung dort mit dem Titel „Verändert die Welt-- Kunst muss von allen gemacht werden“.. einen örtlichen Beitrag dazu verlangte. Geplant? Gefordert? Gewollt? Wir gestalteten diese Ausstellung. Die Obdachlosensiedlung ist nun abgerissen. Und ich wurde nach Bielefeld eingeladen zum Vortrag und dann zu einer Professur. Zufall? Planung. „..du glaubst zu schieben, doch du wirst geschoben..“ heißt es nun wieder bei Goethe im Faust. Das als Beispiel zum Dialog Kunst und Realität, den wir uns allerdings auch geplant auf die Fahne geschrieben hatten.. PSR..Politisch Soziale Realität.. |
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Ich zeige nun in der Folge Serien von Fotografien.. schnell zu sehen wie ein Film.. Realität in meinem Blick.. gesteuert durch meine Lehrtätigkeit als Professor für Fotografie und Intermedia an der Fachhochschule Bielefeld. Eine Projektarbeit mit Studierenden, welche durch Ausstellungen und Publikationen erweitert werden konnte. |
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Bruckhausen.. ein Stadtteil kämpft.. in Duisburg.. meiner Geburtsstadt außerdem.. Die Bürgerinitiative kämpft heute noch... |
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Sinti und Roma.. eine Fotografische Kommunikation mit einem selten beachteten und wenig geachteten Bürger Teil unserer Gesellschaft... Zufall..Planung? Es war mein Interesse am Sozialen und es war auch Interesse der Studierenden, welches solche Projekte möglich machte. Es war auch das Interesse der Menschen an unserer Arbeit. Zum Abschluss zeige ich noch eine Bildfolge zum Dialog zwischen Fotografie und Malerei, der mich bis heute.. unter Freiheit oder Zwang?.. nicht los lässt... |
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Dabei sind auch Bilder aus meiner gegenwärtigen Umwelt, Weserlandschaft bei Minden. Freiheit oder Zwang? Da wo ich bin, da entstehen meine Bilder. Zuletzt eine Wanderung meiner Klassenbrüder über das Wasser.... |
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