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Virtuelles Magazin 2000


Datum: 11. Juni 2013 09:12:23 MESZ
hallo annette - viele grüße aus wilmersdorf. - leider ist das fotografieren nicht meine stärke. - diese hier hat meine freundin sabine gemacht. - es handelt sich um "disposal bags" - auf gut deutsch: "kotztüten" - also:
WELCOME ON BOARD
da sie ( sabine ) durch ihre arbeit am tegel-airport auch von kolleginnen immer diese bags mitbringt, auf meine bitte, habe ich inzwischen schon einige beklebt, bemalt, bearbeitet...
interessanter "bildträger" - bißchen lustig, bißchen eklig ( sind natürlich nur leere, haha.. ) - und ein bißchen "konsumkritik" - eine interessante mischung.
was genau ich damit machen könnte, weiß ich noch nicht - und der "air berlin" hatte ich 2 gesendet, um evtl. eine rückmeldung zu bekommen ... ( eine mail, dankeschön, hängen jetzt im büro, fliegen sie bitte auch weiterhin immer schön mit unserer airline... )
tschüß, klaus -------- bin jetzt erstmal wieder ein paar tage weg ---
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Annette Bültmann
Kunst und Alltagsgegenstände - Klaus Nolte gestaltet "disposal bags"
 
Bildträger wie Leinwand, Holz oder verputztes Mauerwerk galten lange Zeit als üblicher Untergrund für Malerei, Karton oder Papier für Zeichnung und Druckgrafik.
Aber sowohl die ursprüngliche Malerei, an Höhlenwänden oder auf Baumrinden, hielt sich nicht an diese Vorgaben, und auch die Neuzeit tut es nicht, sondern malt auf Verpackungen, Koffern, Fundstücken und Futtertrögen.
 
Es entsteht Kunst aus Alltagsgegenständen, bemalte, oder auch bedruckte, oder zur Kunst gemachte Alltagsgegenstände,
in Form des objet trouvé seit der Zeit des Dadaismus bekannt, als "ready made" wenn die Gegenstände nicht oder nur wenig bearbeitet wurden, wofür der Surrealist Marcel Duchamp eine besondere Vorliebe entwickelte. Manche ready-mades verbesserte er, z.B. ein Parfümflakon mit einem Foto seines alter ego Rrose Sélavy.
In der Merzkunst des Dadaisten Kurt Schwitters werden gefundene Gegenstände und Zeitungsausschnitte collagenartig zusammengefügt nicht nur zu Bildern, Reliefs und Assemblagen, sondern auch zu Merzbauten oder einer Scheunenwand, wo sie ein merkwürdiges Eigenleben entwickeln.
Der mechanische Kopf von Raoul Hausmann ist eine ausdrucksstarke Assemblage aus einem hölzernen Perückenkopf und hinzugefügten Gegenständen wie Lineal, Maßband, Schnapsbecher, einem zylindrischen Typenrad einer Schreibmaschine, einem Schildchen mit der Nr.22, einem Etui und der Mechanik einer Armbanduhr. Frühe Recyclingkunst?
Aus Verpackungsmaterial und Ähnlichem zusammengefügte Kunstwerke sind heute keine Seltenheit, manchmal werden Dinge zu neuen Gebrauchsgegenständen recycelt, manchmal zweckfrei zusammengefügt, geklebt oder bemalt.
Sicher hätten die Künstler des Dada-Zeitalters mit Freude manche dieser Schöpfungen bewundert.
Gerne werden Müll oder Verpackungsmaterialien recycelt, die Ästhetik des Trash ist inzwischen nicht mehr völlig unvereinbar mit der Ästhetik der Museumspräsentation.
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Während sich Dinge wie ausrangierte Fenster, Möbel, Regenschirme und Planen, Bücher, Pappschachteln, Blechdosen u.Ä. noch gut eignen für quasi konventionelle Bemalung, zum Bedrucken oder für die Herstellung von Skulpturen, und daher auch problemlos in üblichen Räumen ausgestellt werden können, schuf der Künstler Dieter Roth in den 70er Jahren ein mit Lebensmittelkunstwerken gefülltes Schimmelmuseum, das gefahrlos virtuell begehbar ist.
Essbares verwendete auch Joseph Beuys in seien Multiples, wie mit Ölfarbe übermalte Schokolade, oder Fischgräte und Pergamentpapier in verglastem Holzkasten. Weitere Beuys Multiples enthielten Objekte wie Zitrone, Kräutertee, Olivenöl, aber auch viele nicht essbare Dinge wie Blechdosen, Stempel, Photo-Negative, Magneten Stempel, Postkarten, Siebdrucke, Offset und handschriftliche Texte, Lithografien etc.
Die Kunstform des Multiple ist eine Fortsetzung der ready mades in der Fluxus Ära, der Künstler George Maciunas fertigte ab 1962 in Serie Flux Boxes und Flux Kits an, Holzkästen oder Aktenkoffer, die kleine Objekte und Druckwerke enthielten.
Kästen und Koffer erfreuen sich also einer besonderen Beliebtheit bei der Umgestaltung zum Kunstwerk, aber auch Tüten sind ein sehr beliebter Gegenstand. Auf die Arbeit mit Tüten spezialisiert haben sich Künstler wie Thitz, der schon in diversen Städten "Bag Art Projects" durchgeführt hat, oder Ausstellungsorte, wie das Schloss Untergröningen, das von Zeit zu Zeit immer wieder Ausstellungen zum Thema Kunst Stoff Tüten veranstaltet.
Mit Kunst gefüllt Wundertüten bietet seit über 12 Jahren das art-magazine.de an, bei dem die beteiligten Künstler im Laufe der Zeit mehr als 4.500 Wundertüten mit Kunst füllten. Der Bochumer Künstler Matthias Schamp bietet Buh-Rufe in Tüten zum Preis von 20 Euro an.
Aktuelle Kunst auf Tüten entsteht im Rahmen des Obsttüten-Obsttypen-Projekts vom Typografie-Seminar der UdK in Berlin in der Markthalle NEUN in Kreuzberg. Dort bedrucken Studenten während des wöchentlichen Gemüsemarktes Papiertüten mit aus Kartoffeln und Gemüse hergestellten Buchstaben. Eine Auswahl der gestalteten Obsttüten wird anschließend vom 26.Juni–14.Juli in der Galerie designtransfer der UdK am Einsteinufer ausgestellt.
Die UdK-Obsttypen-Aktion ermutigt zur Vermeidung von Plastikmüll und zum Gebrauch klassischer Obstverpackungen aus Papier, und auch Klaus Noltes Papiertüten könnten sicher auf einige Fluggäste ermutigend wirken, z.B. wenn sie unter Aviophobie leiden.
Flugangst ist eine relativ häufige Phobie, daher bieten Fluggesellschaften Seminare dagegen an. Manche von Flugangst Betroffenen sind noch nie geflogen, sondern schrecken vor dem ersten Flug zurück. Oft tritt die Phobie aber auch bei Menschen auf, die schon mehrmals angstfrei geflogen sind, z.B. nach einem unruhigen Flug. Die ungewohnte Höhe im Flugzeug kann Schwindelgefühle auslösen, auch wenn der Blick aus dem Fenster auf die Landschaft eigentlich auch spektakulär schön sein kann. Die Wolkendecke von oben ist interessant anzuschauen, weich wie eine riesige Decke, aber für Menschen keine allzu natürliche Perspektive, sogar Vögel geraten nur selten in solche Höhen.
Zwar können Streifengänse bei der Überquerung des Himalaya Höhen von über 9 km erreichen, und haben sogar für solche Fälle eine spezielle körperliche Anpassung des Hämoglobins, so dass sie bei dem geringen Luftdruck in diesen Höhen schneller Sauerstoff ins Blut aufnehmen können. Der afrikanische Sperbergeier hält den Höhenrekord und kann bis zu 11 km hoch fliegen. Aber für Menschen ist diese Höhe schon schwindelerregend, und daher liegen im Flugzeug disposal bags bereit, bei Klaus Nolte teilweise mit dem hilfreichen Hinweis "feel better now". Guten Flug!
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