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Virtuelles Magazin 2000

 


Jörg Boström

 

Wer ist der Erste? Wer ist die Schönste? Schneewittchens Stiefmutter?

Wer ist schneller?

Hase und Igel wollen das klar stellen. Sie veranstalten ein Rennen. Igel sind Zwei. Einer am Start und einmal am Ziel. Der Hase rast und immer ist ein Igel am Ziel. Bin schon da.

Der Kuckuck und der Esel, die hatten einen Streit. Wer wohl am besten sänge. Kuckuck ..kuckuck..IiiAAAAA.

Beim Tennis weiß man, wer gewonnen hat. Bei Kunst und Konzept?

Timm Ulrichs hat mal eine Kirche eingegraben.. ein andrer auch.. wer gräbt am Ersten und am Tiefsten?

Gemalt hat auch schon jemand. In Lascaux. Oder war Chauvet ganz vorn?

Nun ist wieder mal das Fotografieren verboten. Kamera hoch.

Bei einer Demonstration in Vilnius hielten sich die Frauen Blumen vor die Gesichter. Es war die erste Veranstaltung zur neuen Zeit unter und neben Gorbatschow. Die Kameras der Dienste waren die Sorge. Nicht wir erstaunten Reisenden. Aber wer weiß das schon. Einer fotografierte die Polizisten. Seine Kamera wurde ihm abgenommen und der Film heraus genommen. Schade.

Günter Zint ..Güzi.. fotografierte einen Polizisten mit Kamera vor dem Bauch. Prozess wegen Persönlichkeits Recht. Zint verlor und setze dem Polizisten einen schwarzen Balken ins Gesicht. Persönlichkeits Schutz.

Nicht Fotografieren. Ein unendliches Thema. Wer hat es erfunden. Die Polizei. Stellt sie unter Datenschutz.

Bitte um Kommentar!

Wer es noch nicht weiß, kann es jetzt im neuen Buch von Timm Ulrichs erfahren. Er hat 1974 die erste Aktion „Fotografieren verboten!“ durchgeführt. „Gratuliere“! Von den 60 Fotos im Buch, die Fotoverbote zeigen, sind 58 Aufnahmen zwischen 1996 und 2011 entstanden. 35 Bilder sind von anderen Autoren. Kurt Buchwald hat er nicht eingeladen. Das Vorwort hat  Prof. Jäger geschrieben. Auf dem Titel ist auf schwarzem Grund ein Logo „Fotografieren verboten!“ und sein Name zu sehen. In der Ankündigung der Publikation vom Verlag für Moderne Kunst ist zu lesen:

„Auf des Künstlers Reisen sind viele Schnappschüsse entstanden, denen man durchaus ansieht, dass sie heimlich gemacht wurden mit der Gefahr im Nacken, entdeckt und vielleicht sogar bestraft zu werden. Die Freude an der Übertretung dieses Verbots teilt der Betrachter gern mit dem Künstler, wird er doch der Komplizenschaft für würdig befunden“

Tim Ulrichs ist mir ein schöner Komplize. Als meine Mitstreiter und ich 1989 zum 150. Geburtstag der Fotografie auf dem Alexanderplatz in Ostberlin die Aktion „Fotografieren verboten!“ durchgeführt haben, sind wir verhaftet worden. In der DDR war das Verbot allgegenwärtig. Nach der Wende wurde es möglich, die Aktion auf der ganzen Welt durchzuführen. Ich konnte In Paris, Rom, Wien und New York vor touristischen Sehenswürdigkeiten das Fotografien hinterfragen und das Bildermachen mit listigem Hintersinn karikieren.

 

Wer die beiden Projekte nicht kennt, auf folgenden Links ist mehr zu erfahren:

http://www.zeit.de/kultur/kunst/2012-04/fs-timm-ulrichs

http://www.wahrnehmung.de/NoFoto.htm

Würde um einen Kommentar auf Zeit-online bitten.

 

Mit freundlichen Grüßen

Kurt Buchwald

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1988. Bei einer Demonstration in Vilnius hielten sich die Frauen Blumen vor die Gesichter. Es war die erste Veranstaltung zur neuen Zeit unter und neben Gorbatschow. Die Kameras der Dienste waren die Sorge. Nicht wir erstaunten Reisenden.

 

 

 

Jörg Boström."Nicht fotografieren." 160x120 cm.

Nach Fotografien. Vilnius.

nichtfotografieren

Stop.

Foto: Annette Bültmann

Fotografieren verboten!
Dokumentation als Pdf

Kommentare:

 

Basel:

Ich finde, die beiden Arbeiten haben außer dem Titel nichts gemeinsam. Die politische Tiefe zum Beispiel, welche in Deiner Arbeit aufscheint, kann man bei Ulrichs nur mit Mühe ahnen. Die Aktionen und Performances, zum Beispiel, welche Du gemacht hast, und die mir doch wichtiger als das reine Bildergebnis zu sein scheint, fehlt bei ihm. Der Unterschied, pathetisch ausgedrückt, ist der zwischen Lebensnotwendigkeit bei Dir und Spiel bei ihm. Wenn es denn ein Trost ist: der Aufmerksame Betrachter wird diesen entscheidenden Unterschied wahrnehmen.

Der ganze Vorgang beleuchtet auch ein grundsätzliches Problem in der Rezeption konzeptueller Kunst. Wenn ich brav meine Landschaftsfotos mache, käme niemand auf die Idee mir vorzuwerfen, ich würde jemandem das Sujet wegnehmen. Sondern, die Bilder würden innerhalb des Genres verglichen und das schlimmste Ergebnis könnte sein, dass ich über das Epigonenhafte nicht hinaus gekommen bin. Ein differenzierender Blick wäre selbstverständlich (oder einfach nur Desinteresse am Sujet). Desto mehr die Idee oder das Konzept in den Vordergrund rückt, desto öfter scheint mir der genaue Blick auf die Ausführung und die Unterschiede verloren zu gehen. 

 

 

Saarbrücken:

Auch der ansonsten mir in seinem Werk sympathische Zeitgenosse Timm Ulrichs ist lediglich Teil der internationalen Kunstmafia, die sich gegenseitig hofiert und so ihre Aktienwerte steigert. Ob Museumsdirektor, Kurator, Sammler, Galerist oder Künstler: Alle ziehen zu ihrem jeweiligen Nutzen

am selben Strang. Daß Timm Ulrichs allerdings in Zusammenarbeit mit Prof. Jäger so skrupellos sein kann, überrascht auch mich. Bislang hatte er mir den Eindruck gemacht, es mangele ihm nicht an eigener Kreativität. Nimm es einfach als späte Anerkennung Deiner mutigen und einfallsreichen Aktionen, auch wenn andere den Rahm abzuschöpfen versuchen.

 

 

Berlin:

was soll ich sagen: jeder, der einigermaßen kreativ arbeitet, erlebt im Laufe seines Lebens staunend mit offenem Mund, dass sich (Selbst-) Vermarktungskünstler unverfroren auf Ideen draufsetzen.

 

 

Berlin:

Der Tausendsassa Ulrichs merkt aber auch alles – der Fotograf und Künstler Kurt Buchwald hingegen hat 1988 und in den Folgejahren eine weltumspannende Aktionen-Serie aus der Forderung "Fotografieren verboten!" entwickelt. Timm Ulrichs sollte in Buchwalds "Amt für Wahrnehmungsstörung" vorstellig werden.

 

 

Berlin:

T.U. ist schon immer so, hinterher hat er's immer schon vorher gemacht, bei
mir auch öfter. Schade, aber was soll's. Jeder Künstler weiß das über ihn, 
trotzdem hat er eine Faszination, wie Du siehst, sich immer wieder
durchzusetzen. Tut mir für Dich leid.
Andererseits hat er ja tatsächlich offensichtlich was anderes gemacht:
Fotografiert, da wo schon steht, man soll nicht, während Du das
Philosophischer siehst. Man sollte überhaupt nicht Photographieren, oder...?
 

 

Bielefeld:

Dein Ansatz ist aber auch ein Anderer als der von Timm. Du stellst das Massenmedium "Foto" zur Debatte, nennst das Bildermachen eine "ansteckende Krankheit" und wendest Dich mit Deinen Aktionen gegen Bildverfall. Timm wendet sich gegen das Fotografierverbot als solches und stellt es in Frage. Du setzt ein neues Zeichen, er fotografiert das vorhandene. Wie er mir sagte, hat er niemanden eingeladen, sondern, sofern die Aufnahmen nicht von ihm selbst stammen, so stammen sie von Schülern und/oder von Studienaktionen oder  -projekten, wie zuletzt in Zürich.

Deine verdienstvolle und wegweisende Arbeit wird m. E. durch die Arbeit von Timm Ulrichs nicht geschmälert, findet eher eine gewisse Bestätigung, da sie den gleichen Begriff aufgreift und thematisiert.

 

 

Berlin:

Deine originäre Aktion "Fotografieren verboten" ist für mich so stark mit Deiner Person, Kurt Buchwald, verbunden, dass ich sie gar nicht anders denken kann. 

D.h., sie existiert auch in meinem Bildkosmos nur in Verbindung mit Deinen, zuweilen anarchischen, Aktionen um das Bilderverbot. 

Nicht zuletzt habe ich das ja in meinen Artikeln für die "Bildende Kunst", "Sonntag" und anderen Publikationen auch öffentlich – und für jeden lesbar – dokumentiert.

Als wir im Januar 1990 in Paris bei Deiner Aktion "Fotografieren verboten" am Arc de Triomphe wegen "Schändung eines nationalen Heiligtums" verhaftet wurden, 

schloss sich für uns als Ostdeutsche nicht nur ein Kreis staatlicher Machtausübung, sondern blätterte der rohe Putz der Freiheit der Kunst. 

Die Erfahrung, als Künstler nicht nur seine Haut zu Markte zu tragen, sondern mit seiner ganzen Existenz dafür geradezustehen wurde festgeschrieben.

Und das zeigt sich vor allem in Deiner konsequenten, gut dokumentierten und inhaltlich ausgeloteten Aktion um die durchgestrichene Kamera.

 

 

Chemnitz:

Als leidenschaftlicher Fotograf, welcher sich zwar auf andere Felder bewegt, aber dennoch die Breite der Möglichkeiten gerne betrachtet, habe ich volle Hochachtung von deiner Kontinuität, die mannigfaltige Bilder hervorbrachte, aber inhaltlich, schaut man sich die Ergebnisse an, mehr ein Reisegeck darstellt, als ernsthafte Konsequenzen bezüglich einer Aussage zulässt. Letztlich eine Nihilistische Aktion, die interessante Sichtweisen erzeugten, aber schlüssige Antworten letztlich schuldig bleiben. Ich kenne Timm Ulrichs nicht, aber wenn er tatsächlich auf echte Verbote hinweist, das Anliegen der Piraten-Partei verinnerlicht, Zunehmende Videoüberwachung und Ortung der Subjekte Weltweit anspricht, dann könnte sich daraus eine zeitgemäßes Anliegen entwickeln. Rückwärts genannte Zitate, vom Überwachungsstaat DDR, darüber können wir doch nur Lachen, wenn wir heutige Möglichkeiten der visuellen Allmacht wahrnehmen. Aber das hatte wohl das Amt für Wahrnehmung eine Störung. Auch ein Grund, weswegen heutige "Künstler" kaum wahrgenommen werden.

 

 

Dresden:

es ist doch immer wieder dasselbe, wenn es einem nicht gelungen ist, sich einen Namen zu machen, wird man schlichtweg unter den Tisch gekehrt. Nebenbei bemerkt ist es mir immer noch ein Rätsel, dass es dir nicht gelungen ist mehr Aufmerksamkeit in der Fotoszene zu erlangen. Für mich  ist deine Arbeit immer noch einmalig gut bis hin zu solchen schönen Aktionen, wie das Amt für Wahrnehmungsstörung, dass man langsam mal offiziell einführen sollte. Das nur nebenbei bemerkt. 
Wahrscheinlich bleiben wir eben die blöden Ossis. Das spielt auf jeden Fall eine Rolle dabei. Trag es mit Gelassenheit.

 

 

Weitere Kurzkommentare:

 

Siehe ZEIT ONLINE - Timm Ulrichs: No pictures, please!
www.zeit.de/kultur/kunst/2012-04/fs-timm-ulrichs