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"MAIL ART" Nun wieder im Netz... auch im Magazin 2000 Textbeiträge Mails von Rolf Liccini und Manfred Heckmann
1. Gerd J. Wunderer Wie Wasser, ist auch MailArt immer in Bewegung, immer wieder neu und erfrischend. Seit der Entstehung 1962 durch Ray Jonson ist MailArt bis heute immer wieder von Menschen weitergetragen worden, denen der Gedanke entspricht außerhalb des kommerziellen Kunstbetriebes untereinander zu kommunizieren. Immer wieder lassen sich Menschen ein, den Anderen zu entdecken, sich mit ihm auszutauschen, hinweg über alle Grenzen von Politik, Gesellschaft und Kulturen, rund um die Welt. MailArt ist eine Bewegung, die durch Aktivität und Vielseitigkeit der Gedanken und Meinungen lebt. |
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2. Gabriele Hilsbos Mail-Art, Mail Art Art-mail… muss was Neuzeitliches sein, könnte man denken. Hört sich so an als wäre mail-art zwangsläufig mit dem Computerzeitalter verbunden, oder? Weit gefehlt; denn alles „englische“ hat eine anderssprachliche Bedeutung und infolgedessen oft auch einen anderen Ursprung. Ursprung; ja den gilt es zu finden: „mail“ heißt „Post (-sendung)“. „art“ heißt „Kunst“. Damit ist doch alles klar: Post-Kunst Postkartenkunst, Kunstpostkarte etc.... Es gibt Postkartenkunst solange es die Postkarte gibt? Naja, nicht ganz so lange. Denn in dem etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache von Friedrich Kluge ist zu „Postkarte“ folgendes zu lesen: „Im November 1865 empfahl der Generalpostmeister Stephan dem Dt. Postverein die Einführung von Postblatt. In Wien schlug der Professor der Nationalökonomie Herrmann am 1.10.1869 Postkarte vor: „Durch diese Postkarte eine Art Telegramm zu schaffen“. 1870 wurde dies im norddeutschen Postgebiet übernommen. Vorher hatte das Wort jeweils die Bedeutungen ‚Landkarte des Postweges; Liste der Postsendungen; Postfahrkarte’. Im Altonaer Museum in Hamburg kann man sich einen Überblick über die Künstlerpostkarte von 1880 bis zur heutigen Zeit verschaffen. Also ist das Jahr 1880 als Entstehungsjahr der ersten bekannten von einem Künstler gestalteten und verschickten Karte anzusehen. Kunst im Kleinformat“ Jaques Derrida drückte seine Vorliebe zur Postkarte ungefähr wie folgt aus:„Was ich vorziehe an der Postkarte ist, dass man nicht weiß, was vorn oder hinten ist (......). Noch was das Wichtigste ist, das Bild oder der Text, und im Text die Botschaft oder die Legende oder die Adresse“.Der Postbote betrachtet diese Aussage sicher völlig anders als der die Karte erschaffende Künstler oder der Kartenempfänger.....Ich will mich an dieser Stelle auf die Betrachtung /Entwicklung der Kunst auf der Karte konzentrieren.Bärbel Hedinger (Leiterin der Abteilung Gemälde und Graphik am Altonaer Museum) spricht mir aus der Seele, wenn sie in der Einleitung, zu dem von ihr herausgegebenen Buch „Die Künstlerpostkarte“ schreibt, dass die Künstlerpostkarte eher ein Schattendasein im Reich der Künste führt. Die wissenschaftliche Erforschung des Mediums Künstlerpostkarte führt zurück zur Korrespondenz der „Brücke“ (deutsche Künstlergruppe zwischen 1905 und 1913) und des „Blauen Reiters“ (Künstlergruppe um Wassily Kandinsky und Franz Marc um 1911). Im ersten Weltkrieg entwickelte sich eine andere künstlerische Richtung, der „Dadaismus“ (nach dem kindlichen Stammellaut Dada, der franz. >Holzpferdchen<und im Rumänischen<Ja Ja> bedeutet). Dada entstand in Zürich, wo der Schriftsteller Hugo Ball Anfang 1916 das Cabaret Voltaire eröffnete. Künstler wie Hugo Ball, Tristan Tzara, Richard Huelsenbeck, und Hans Arp versammelten sich dort und prägten die revolutionäre literarisch künstlerische Bewegung, die die durch das Chaos des ersten Weltkrieges zusammengebrochenen alten Weltbilder, die überlieferte bürgerliche Kultur lächerlich machen wollten. Sie taten dies, indem sie die Grenzen zwischen Literatur, Malerei und Tanz sprengten und ihr Publikum provozierten und allen traditionellen Ansichten über das Wesen der “Kunst” zu widersprechen versuchten. |
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3. Dieter Daniels 1994
Wenn Künstler ein neues Medium verwenden, werden damit meist auch die Grenzen des Kunstbegriffs auf ein Probe gestellt. Unter dieser Prämisse lassen sich einige Phänomene vergleichen, die in der heutigen Praxis weit auseinander zu liegen scheinen, deren künstlerische Strategien jedoch enge Verwandtschaft aufweisen: die zahlreichen Formen der Mail Art seit den 1960er Jahren und die neuen Konzepte für Kunst mit elektronischen Netzwerken und Mitteln der Telekommunikation. Es gibt derzeit mehrere kulturelle Zeichen für einen Brückenschlag von den 1960ern zu den 1990ern: vom Neo-Psychedelic der Techno-Szene über die Mode mit Hosenschlag und Plateausohle bis hin zum Verhältnis von Kunst und Technologie. Es ist schwer solche gesamt kulturellen Schwingungen präzise zu fassen, jedoch lassen sich einige Leitmotive ausmachen, die in dieser Transformation wieder auftauchen. Um nur drei dieser Motive versuchsweise zu benennen: die Idee einer kollektiven Kreativität, die sich vom Kult des genialen Individuums abwendet, der ebenso in der internationalen Abstraktion der 1950er wie in der Postmoderne der 1980er gepflegt wurde; der Versuch, eine nicht kommerzielle Form von Kunst zu finden, die sich den etablierten Vermittlungs- und Vermarktungswegen entzieht; die Suche nach der Möglichkeit einer weltweiten, kulturelle Grenzen überbrückenden Kommunikation, die zu etwas wie einem „herrschaftsfreien Diskurs“ führen kann. Ray Johnson kann als der Vater der Mail Art gelten. Nach einigen Ausstellung mit den New Yorker Schule des abstrakten Expressionismus freundet er sich mit Robert Rauschenberg und Cy Twombly an, hat sich aber bis heute von allen Trends ferngehalten und lebt ausserhalb der Kunstszene in Locust Valley bei New York. Mitte der 1950er Jahre beginnt er Hunderte von kleinen Collagen zu produzieren, in die Elemente aus seiner gesamten Umwelt einfliessen. Gleichzeitig wird der Postweg zu einem integralen Bestandteil der Entstehung seiner Arbeiten: Er verschickt Collagen per Post, verwendet Teile aus seiner Post darin, schickt Stücke mit der Aufforderung, sie weiter zu verschicken oder zu bearbeiten an Künstlerkollegen, verwendet die Resultate, falls sie zu ihm zurückkommen erneut usw. Es entwickelt sich ein unabschliessbarer Prozess, der zunehmend weitere Kreise zieht und zur Gründung der New York Correspondence School führt. Alleine Ray Johnson hat im Laufe der Jahre Tausende von Mail Art- Stücken verschickt und wer mit ihm in Korrespondenz trat, wurde somit gratis zum Besitzer einer Sammlung seiner Werke. Aus der Keimzelle der New York Correspondence School ist eine weltweite Mail Art Bewegung entstanden, deren Ausläufer auch nach der von Johnson 1972 an die New York Times geschickten „Todeserklärung“ bis heute weiterwirken. |
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Mieko Shiomi begann als Musikerin und kam über Nam June Paik Mitte der 1960er in Kontakt zur Fluxusbewegung. 1964 lebt sie für kurze Zeit in New York und nimmt dort an den Fluxusaktionen teil. Seit 1965 bis heute lebt sie wieder in Osaka und ist von Japan aus eine der aktiven Teilnehmerinnen von Fluxus. Durch ihre Entfernung vom Rest der Fluxusaktivisten wurde die Kommunikation auf Distanz zum zentralen Element ihrer Arbeit. Sie sagt: „Ich fand eine neue Methode für Events – indem ich die Erde als Bühne sah und mich der Post bediente, um dasselbe Event mit Leuten in vielen Ländern aufzuführen, jeder mit seiner eigenen Realisation des Stücks, um dann die Berichte der Teilnehmer auf einer Weltkarte einzutragen – ich begann also die Serie der ‚Spatial Poems‘ (Brief an den Autor). Beim „Spatial Poem No 1" von 1965 wurde jeder Teilnehmer per Post aufgefordert: „Schreibe ein Wort auf die beiliegende Karte und plaziere es irgendwo“. Die Weltkarte mit den Ergebnisberichten zeigt vielleicht am deutlichsten die Internationalität von Fluxus, als der ersten wirklich „interkontinentalen“ Kunstbewegung des 20. Jahrhunderts. Shiomis Arbeit hat ebenso wie die von Paik einen stark immateriellen Charakter, der ebenso die Ursprünge in der Musik wie im asiatischen Denken erkennen lässt. Sie verbindet Ansätze der Konzeptkunst und der Mail Art zu einer neuen, globalen Komposition, die Aspekte der Telekommunikation wie Simultaneität und Ubiquität vorwegnimmt. Ihre Arbeit hat Shimoi deshalb auch zur Nutzung der Telekommunikation geführt, beispielsweise bei dem „Fluxus remote Festival“ mit internationalen, simultanen Telefonbeiträgen 1994 in Osaka.. cr für Text und Bildbeiträge bei den Autoren |
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