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Gabriele Senft, Jörg Boström Erinnerung an ein verschwundenes Land. Veranstaltung der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde |
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Die Fotografien von Gabriele Senft zeigen Menschen, die einen großen Teil ihres Lebens in der DDR verbracht haben. Ihre Präsentation in facebook hat eine Diskussion angeregt, welche zeigt, dass die Gespräche zwischen den deutschen Bürgern in Ost und West kaum noch geführt werden. In den Schulen wird die DDR durch vorgeschriebene Besuche des Gefängnisses Hohenschönhausen einseitig charakterisiert. Die Erinnerung reduziert sich immer mehr auf Mauerbau, Schiessbefehl und Stasi. Der Alltag verschwindet hinter einer neuen Mauer. Von beiden Seiten erscheint unser Land im Zerrspiegel des zu unserem Glück kaltgebliebenen Krieges. In der Gegenwart wird die Vereinigung nicht von allen Menschen als Wohltat empfunden. Das Internet zeigt nun auch hier seine Möglichkeit der Verbindung des Privaten mit dem Öffentlichen. Und Stellungnahmen öffnen Gedankenwege. Machen vielleicht nachdenklich. Schaffen neue Formen der Gesrächs- und Erinnerungskultur, So begann ein kurzer Dialog auf der Grundlage der Bilder.
Hans Joachim Gültner Ich habe zum Schutz meines Landes alles getan. Nur unsere Info wurden von der Partei leider nicht immer mit den richtigen Ernst bewertet? Es war eben auch bei einigen Funktionsträgern in Fragen Kritik und Selbstkritik einseitige Vorbehalte. Wie schade! Aber unsere DDR war das Beste, was die Geschichte auf deutschem Boden hervorgebracht hatte. Es lohnt sich für Gerechtigkeit und sozialen Wohlstand zu kämpfen. |
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Jörg Boström Seniorentreffen! DDR. .. war sie das "Beste"? Wo war da unter Aufsicht der Stasi und hinter der Mauer die Menschenwürde? Gabriele Senft Politische Vorsicht - Jörg, du weißt, dass ich vor allem das Wort von Rosa Luxemburg beherzigen möchte, das zu sagen und zu zeigen, was ist und was war und an Dir schätze ich, dass Du das auch für das Wichtigste hältst. Gabriele Senft Könnt ihr mir helfen, Jörg Boström zu antworten? Er ist ein anständiger, wissbegieriger Wessi und ich bitte euch, sachlich zu bleiben, auch, wenn ihr euch provoziert fühlt. Heike Neudeck : und ja..ich fühl mich provoziert, denn ich habe geliebt, gelacht, geweint, gelebt...hab es satt mich dauernd dafür entschuligen zu müssen, das ich geatmet habe...vielleicht fangen ja einige leute im westen mal an ihr leben zu reflektieren.“ Gabriele Senft Danke, Heike Jörg Boström Liebe Gabriele, liebe Heike, danke für die nachdenklichen Fotografien... ich werde versuchen.. einen Artikel aus dem Dialog und den Bildern zu montieren.. mit einer kurzen Einführung zum Thema Dialog O/W Claus Samtleben "Wo war da unter Aufsicht der Stasi und hinter der Mauer die Menschenwürde?" - Es ist für uns Wessis leicht, zu bezweifeln, dass die Menschenwürde in der DDR nicht zum tragen kam - man hat uns nie was anderes erzählt! Und wenn wir da nie gelebt haben, steht uns dann das Recht zu, dies zu beurteilen?! Und wenn wir uns über fehlenden Menschenrechte, Diktaturen und Unrechtsstaaten echauffieren, machen wir dann was anderes als von den Problemen hierzulande abzulenken?“ |
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Eva-Maria Blesse Liebe Gabriele uns verbindet mehr, j a m e h r & t i e f e r , als unsere Körperzellen gespeichert haben ! ! !... es ist das so tief UR-MENSCHLICHE SEIN. Meister Kulturdieb Ich beurteile eine Gesellschaft nicht an Ihren Grenzen nicht an einer Mauer, sondern an dem Umstand wie Sie mir den Schwächsten in Ihren Reihen umgeht !!!vor 18 Stunden · Gefällt mir nicht mehr· 3 Personen Andrea Keller Meister Da hatte die DDR aber eindeutig den besseren Part. Meister Kulturdieb Ich weiß, und doch ist das Bessere nicht immer das Stärkere Andrea Keller Tja, da hst Du Recht, aber in der DDR gab es auch weniger Schwächere. Ich will jetzt nicht weiter ausholen, aber ich verkaufe jetzt hier in Erfurt die Straßenzeitung "Brücke" und ich hab den Vorteil, dass ich mir das was oben zu sehen ist, erhalten habe, meine Lebensfreunde. Eva-Maria Blesse ... Völkerfreundschaft & Menschenliebe. Meister Kulturdieb Das es weniger Schwächere gab würde ich so nicht sagen wollen , die Hürden für die Schwachen waren nicht so hoch, dass Soziales nicht an Bedingungen geknüpft war .Was ist das "sozial Schwache" ? Ein Kampfbegriff der anderen Klasse, denn " Sozial stark" auf das Individuum bezogen gibt es nicht. Wenn man genauer hinsieht, ist "sozial Schwach" eigentlich Stärke, unglaubliche Menschliche Stärke in der Realität des Kapitialismus. Andrea Keller Ok, da geb ich Dir Recht. Meister Kulturdieb Es geht nicht ums "Recht" sondern darum zu begreifen wie diese subtile Masche dieses Systems funktioniert, die Menschen zu verblöden. Jürgen Reinhardt Jr. Es war nicht ALLES schlecht. Vor allem Dingen der soziale Zusammenhalt zwischen den Menschen war viel größer. Heute soll das Individium als Einzelnes nur noch zum Konkurrenten erzogen werden. Während so ein paar verdammte Manager untereinander himmelschreiende Partys feiern...: Thomas Werner Billaudelle "...Auf diese Frage möchte ich eigentlich gar nicht antworten..."- Das kenne ich, Gabriele, mir gehts genau so.. |
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Ulrich Farin Allein das Wappen. Der Hammer stand als Symbol der Arbeit der Werktätigen, der Kornehrenkranz für die Arbeit der Bauern und der Zirkel für die Tätigkeit der Intelligenz. Diese Symbole standen für ein gesellschaftliches Bündnis der Arbeit und Macht. Die Menschen und ihre Errungenschaften werden heute entwertet, vernichtet und abgewickelt. Das goldene Kalb mit $ und € Zeichen in den Augen wurde zum Götzen der Menschheit erhoben, die gesellschaftliche Arbeit mitsamt Ihrer werktätigen Bevölkerung abgeschrieben“ Elisabeth Elli Meine Erfahrungen in 10 Jahren BRD-Kinderbetreuung in den Ferienlagern der DDR hat mir bewiesen, dass die DDR in der BRD nur schlecht geredet wurde. Sie waren oft erstaunt über unsere Lehrbücher, das Leben in den Familie, in denen sie oft sogar mit Übernachtung für kurze Zeit lebten. Das Symbol in unserer Staatsflagge war jedes Jahr ,selbst für die Erwachsenen Gruppenleiter, ausgiebiger Gesprächsstoff. |
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Heike Neudeck: Die Menschen beim Seniorentreffen haben Schrecklicheres erlebt als Stasi und Mauer....denn seien wir doch mal ehrlich...die meisten von uns haben im normalen Leben weder Stasi noch Mauer wahrgenommen...ich jedenfalls nicht...mir war der soziale Frieden, die Solidarität untereinander und der absolute Friedenswille wichtig...ich hatte Menschwürde, weil ich wie ein Mensch behandelt wurde.“ |
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Eberhart Panitz
Absage an Albert Lachmuth
Stell das Radio aus, Fred! Ruhe, Martin! Stellt es wenigstens leiser, ich schreibe einen Brief. Stellt es wenigstens so leise, daß ihr hört, wenn ich sage, ihr sollt es leiser stellen. - Ach, ausgeflogen... Jedenfalls schreibe ich den Brief für die Jungs. Nur für sie. Was geht mich Albert Lachmuth an? Na, den Namen Lachmuth habe ich von ihm. Lachmuth! Ha! Den Mut zum Lachen habe ich trotzdem. Ich lebe trotzdem. Die Jungen leben trotzdem – und wie! Mit der Hand schreibe ich ihm nicht. Hab ich ihm je einen Liebesbrief geschrieben? Aber verliebt war ich mal, verrückt war ich. Seitdem ist viel passiert, Schlimmes und Gutes. Ich reiche nicht die Hand zur Versöhnung, ich kann nicht so tun, als wären fünfzehn, sechzehn Jahre nichts. Er will kommen, und ich schicke ihm eine Absage – jedes Wort, jeder Buchstabe kaltes Blei auf weißem Papier. Das Datum stimmt. Die Anrede, die ich schreibe, ist schon eine Lüge: Lieber Albert! Ich liebe ihn nicht. Da ist kein Rest mehr. Ist er ein lieber Mensch, so wie man's sagt? Lieber Onkel Georg, das schreib ich so hin. Lieber Kollege Müller, bitte. Aber Albert ist kein Onkel, kein Kollege. Herr Lachmuth, nein. So kann ich nicht beginnen. Werter Herr Lachmuth! Kindisch! Ich schreibe ja nicht: Mein Lieber, sondern wie's üblich ist: Lieber Albert. Basta. Dein Brief war eine Überraschung – nein, ich muß es anders anfangen. Die Kinder haben bald aufgehört, nach ihm zu fragen. Martin hat am längsten gefragt, er war sein Liebling. Papa ist verreist – was sollte ich sonst sagen? Ich habe heute deinen Brief erhalten. So, das ist wahr. Du bist immer gern verreist, hast mir viele Briefe geschrieben. Dann hast du lange nicht geschrieben, sehr lange – nichts mehr. Mich interessiert auch gar nicht, was dir inzwischen über den Weg gelaufen ist. Ein bißchen kann ich's mir vorstellen: Solche wie du kommen schon auf einen grünen Zweig, auf mehr aber nicht. Jetzt flattert plötzlich so ein Briefchen herein. Man müßte schreiben: Dein Sohn Fred hat gesagt: Ach, unser Vater lebt noch! Das hättest du verdient. Nur die Wahrheit hat Sinn. Je länger ich vor diesem Papier sitze, desto mehr Zweifel kommen mir, ob es überhaupt Sinn hat, deinen Brief zu beantworten. Ich schreibe: Es hat uns gewundert, daß uns der Brief erreicht hat, es war eine uralte Adresse. Er denkt wohl, wir leben noch in der alten Grotte bei der Mutter Rehse. O Gott! Vielleicht schreib ich die neue Adresse aufs Kuvert, vielleicht nicht. Die zweite, nein, dritte Wohnung, seit er weg ist. Neubau, mein Lieber. Das geht wohl nicht in deinen Kopf rein? Du denkst, ich feuere noch das wacklige eiserne Öfchen, das du hingesetzt hast? Das Ofenrohr quer durch die Stube – handwerklich warst du nicht geschickt, außer bei Autos. Die alte Rehse wollte uns rausschmeißen, sie schimpfte noch zwei Jahre, du hättest ihr die gute Stube verhunzt. Eine Bruchbude war's, es regnete rein, Toilette übern Hof. Und welchen Kampf es gekostet hat, da überhaupt reinzukommen! Wenn der Fred nicht unterwegs gewesen wäre... Die Post hat deinen Brief nachgeschickt. Man müßte seine Spur besser verwischen, damit einem die Vergangenheit nicht nach kriecht. Damals wollte ich schnell aus Rathen weg, aber meine Mutter hat mich gebraucht. Alle haben uns gekannt, alle haben gefragt, jeden Tag, im Milchgeschäft, beim Bäcker: Schickt er wenigstens den Kindern etwas? Hach! Einen Brief hättest du schreiben sollen, einen Satz: Ich komme zurück. So naiv war ich, zweiundzwanzig Jahre, daß ich darauf gewartet habe. Und alles in Rathen hat mich erinnert, an die erste Zeit, diesen August. Eine dumme Göre war ich, als ich dich kennengelernt habe, da beim Schwimmen. Wir wohnen jetzt in Pirna, auch nahe der Elbe. Was soll ich sonst schreiben? Das mit der Elbe hätte ich weglassen können. Heute käme ich gar nicht auf die Idee, in der Elbe zu baden, auch keiner meiner Jungs. Damals hat es die vielen Fabriken an der Elbe nicht gegeben, das Wasser war klar. Du bist von der Dampferanlegestelle ins Wasser gesprungen, losgeschwommen wie toll und genau gegenüber gelandet, trotz der Strömung. Das hat mir imponiert. Und dann deine freche Badehose, ha! Schon als der Martin zur Welt kam, hattest du einen Bauch, bist nicht mehr geschwommen, kaum mal mit uns durchs Kirnitztal spaziert. Ein Autofahrer braucht seine Beine zum Kuppeln und Gasgeben, er muß sich schonen, hast du gesagt. Aber was soll's? |
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Ich hatte keinen Beruf, es war eine schwere Zeit nach dem Krieg. Hochzeit, Wohnung einrichten, dieses elende Loch, wo von früh bis spät was zu machen war. Dann gleich die Kinder – du hast vier, fünf gewollt. Ich war dein Hausmütterchen, dein Hase, dein Bettschatz. Du hast den starken Mann gespielt, Geld auf den Tisch gelegt, deine Lastautos brummen lassen, wenn du früh auf Tour gegangen bist. Und ich hab noch ehrfürchtig den Staubwolken auf der Landstraße nach gestarrt. Ich hab mich auf dich verlassen, dann saß ich da. Verlassen. Ich will dir keine Vorwürfe machen, nur sagen, wie's war, damit du meine Absage verstehst. Du schreibst: Lassen wir die alten Geschichten beiseite, verzeihen und vergessen.Nein. So kommst du nicht davon, wenn du dich nach so langer Zeit an deine Söhne erinnerst. Du schreibst doch nur ihretwegen, ich antworte ihretwegen. Damals habe ich ihretwegen Blusen genäht, die Bluse sechs Mark. Heute weiß ich nicht mehr, wie lange ich an einer Bluse gesessen habe. Nähen konnte ich, das hatte ich von meiner Mutter gelernt. Und wegen meine Mutter bin ich auch dageblieben, als du mir zum letztenmal mit deinem Lastauto was vorgebrummt hast. Du wolltest größere Lastautos, noch mehr Krawall. Drüben haben sie bessere Autos, Straßen, Tankstellen, Benzinsorten – wer weiß, was du andauernd geredet hast. Ich wünschte dir das ja alles, hätte dir gern die besten Asphaltstraßen, Autoreifen, Ersatzteile zu Füßen gelegt. Ich vergötterte dich und deine Wünsche und dachte gar nicht daran, dir im Wege zu stehen. Deine letzten Worte hab ich nicht verstanden, so laut hat das verfluchte Auto gebrummt, wirklich, ein elender Kasten aus der Kriegszeit, den du immer wieder zusammengeflickt und dann an der Grenze stehenlassen hast. Vielleicht war es was Wichtiges, was du zuletzt gesagt hast – sonst erinnere ich mich nicht an viel Wichtiges, wenn ich heute deine Worte zusammensuche. Halt, auch das ist vorbei. Es war nur eine kurze Zeit, daß ich dich in Gedanken hab reden hören. Aber als du im Auto gesessen und mich nochmal abgedrückt hast und ich nichts von deinen Reden verstanden habe, da... Ich rannte ins Haus zurück, ich hatte schon zwei Koffer gepackt, Milchflaschen für die Kleinen. Aber meine Mutter war krank. Du wußtest, ich konnte nicht mit. So weit hat damals wenigstens mein Verstand gereicht, daß ich meine Mutter nicht im Stich gelassen habe. Sie hat noch zwei Jahre gelebt, zwei Jahre hab ich gehofft, daß sie gesund wird und ich dir nachreisen kann. Und du hast Pakete geschickt, das heißt, ein Kolonialwarenhändler hat's für dich gemacht. Kolonialwaren! Mutter hat gesagt: Na, die Kinder brauchen's. Sie hätten ganz was anderes gebraucht. Jedenfalls zwei Jahre hab ich's deutlich gespürt, daß sie dich brauchen. Jetzt brauchen sie dich nicht. Jetzt brauchst du sie. Von mir will ich nicht reden, ich bin der Briefschreiber. Was uns trennt, wiegt schwerer als das, was uns einmal verbunden hat. Von den Kindern kommt man schwerer los als von einer Liebe, die vielleicht eine Einbildung war. Aber die Jungs sind ohne dich groß geworden, du bedeutest ihnen nichts. Heute gehen sie schon eigene Wege, doch sie wissen, daß ich immer für sie da war und da bin. Sie lachen, wenn ich von der alten Mutter Rehse, von dem eisernen Ofen, von dem Blusennähen erzähle, sie erinnern sich. Damals habe ich zum Ersten manchmal nicht gewußt, wovon ich die Miete zahle, fünfunddreißig Mark für dieses Dreckloch. Ein Kaninchenbraten war höchster Luxus. Das Geld für die Näherei hat eben vorn und hinten nicht gereicht. Eine Nachbarin hat mich ins Ferienheim „Freundschaft“ reingebracht, da konnte ich in der Saison was zu verdienen. Die Volkssolidarität hat mir Winterkleidung für die Kinder geschickt. Dein Fuhrbetrieb hat mir Kohlen spendiert. Als die Briketts in den Keller gepoltert sind, hab ich einen Schreck gekriegt. Ich war doch keine Rentnerin, kein krankes, altes Weiblein, keine, die ewig auf die Hilfe anderer angewiesen sein wollte. Arbeit gab's genug, Leute wurden überall gesucht. Ich hatte bloß keinen Beruf. Als meine Mutter starb, ging ich auf den Bau. Am Tage nach der Beerdigung fuhr ich nach Pirna, die alte Rehse behielt die Kinder. Es wurde eine neue Straße an der Elbbrücke gebaut, da gab's schönes Geld. Aber weil ich nichts konnte, nicht mal mit den Händen richtig zupacken, außer zu Hause mit Schaufel und Besen und am Kochherd, und weil sie auch Mitleid hatten – ich glaub, mir kamen die Tränen -, deshalb haben sie mich als Reinemachefrau genommen. Ich fegte und putzte die Baubuden, die Schlafbaracken und die Büros, brachte wenigstens so viel Verdienst heim, daß mir deine Kumpels nächsten Winter keine Kohlen zu bringen brauchten. Die Flachserei der Bauarbeiter, manchmal Sachen, bei denen ich rot wurde, hat mich kaum gestört. Ich hab schnell gelernt, für Ordnung zu sorgen und Kontra zu geben. Einer wollte mir in der Baubude zu nahe kommen, dem hab ich eine geknallt. Wenn ich dir doch auch einmal eine geknallt hätte – bei deinem dummen Gerede von den großen Autos und dem besseren Benzin und dem herrlichen Asphalt, weiter hast du nichts im Kopf gehabt. Aber da war ich noch zu dumm, zu dir hab ich wie zu einem Halbgott hoch geguckt, ach, wie zum lieben Gott. Und die Männer auf dem Bau hab ich noch lange mit dir verglichen, du hast alle ausgestochen. Ich hätte die Suppenschüssel fallen lassen, wärest du plötzlich zur Küchenbaracke reingekommen. In die Arme hättest du mich nehmen und mit mir machen können, was du wolltest. Ich wäre mit dir nach dem Westen gegangen, überallhin, meine Mutter war ja nun tot. Du bist nicht zurückgekommen, hast nichts mehr von dir hören lassen. Ich habe eine Weile die Essenausgabe gemacht und mich dann zu einer Tiefbaubrigade gemeldet. Die alte Mutter Rehse kam mit den beiden Wildfängen nur mit Ach und Krach zurecht, sie war jeden Abend fix und fertig. Ich brauchte einen Krippenplatz für Fred und einen Kindergartenplatz für Martin und wußte, die in der Produktion kriegen eher was. Also ging ich in die Produktion, schaufelte Kies, schleppte Ziegelsteine, zuerst zwei, wollte fortlaufen, biß die Zähne zusammen, machte auch mal schlapp. Dann drei, vier, fünf Ziegel, man gewöhnte sich daran. Und man lernte Maschinen schätzen, die Technik, die Fachleute, wollte selber was können, damit's flotter geht, nicht ganz so mühselig alles. Das Jahr in der Baugrube, wo heute die große Papierfabrik an der Elbe steht, hatte es in sich. Mühselig, ja, mir ist's sauer geworden. Und zuletzt, November war's wohl, haben wir ein Fest gefeiert, und da hab ich zum erstenmal wieder mit einem Mann getanzt, fröhlich, ohne daß du ihn ausgestochen hättest. Du warst plötzlich nicht mehr in meinem Kopf, ich dachte nicht an dich, wenn die Tür aufging, ich fragte nicht die Mutter Rehse abends: „Ist ein Brief da?“ Mir gefiel dieser Mann, ein Brigadier von uns, Fritz Uhlich, genauso alt wie ich, einen halben Kopf größer als du, einer, der lieber selber was austüftelte als groß davon zu reden, was andere Haben, ein Aktivist. Ich hab ihn gern gehabt, es ging eine Weile gut mit und, doch ich schämte mich, ihn mit nach Rathen zu nehmen, in die elende Wohnung, ins Schlafzimmer, die Kinderbetten nebenan. Es war zu spät, als ich in Pirna eine Wohnung bekam, auch die Kinder in Heimen unterbringen konnte, aufatmete, wieder heiraten wollte, ja, das wollte und will ich. Der Fritz Uhlich ging nach Dresden, studierte, arbeitete später in Magdeburg. Er hat wohl eine andere kennengelernt – es wurde davon erzählt. Und ich hab ihn dann noch einmal auf einem Foto in der Zeitung gesehen, er saß mit einer Frau in einem neueröffneten Magdeburger Restaurant. Vielleicht war's seine Frau, sie war jünger als ich. Ein halbes Jahr nach unserem Umzug, zu Martins Schuleinführung in Pirna, hab ich dich eingeladen. Du hättest kommen können, nur so zu Besuch, dem Jungen zuliebe. Ich hab nichts mehr von dir gewollt. Doch der Brief kam zurück, nicht zustellbar, neue Adresse unbekannt. Du hast es fertiggebracht, deine Spur völlig zu verwischen. Der Kolonialwarenhändler hat nichts mehr geschickt – gut, sonst wär's retour gegangen. Das bißchen Nudel-, Suppenwürfel- und Zuckerzeug konnte ich längst selber kaufen. Ich hab mich bloß gefragt, wie das möglich ist, die Familie – vier, fünf Kinder wolltest du! - so ganz und gar aufzugeben. Sie hat keinen Beruf, sitzt so richtig im Dreck, hast du wohl gedacht, sie muß mir nachrennen. Denn einen eigenen Willen zu haben, auf eigenen Füßen zu stehen, das warst du nicht von mir gewöhnt. Du hast mir's nicht beigebracht, im Gegenteil. Ich hab die Schule nur bis zur achten Klasse besucht, eine Lehrstelle gab's nach dem Kriege nicht, ich hab Kaninchen und Hühner gefüttert, gestrickt und genäht, aus. Martin hat 12 Klassen, das Abitur, er will Mathematik studieren. Fred ist jetzt in der zehnten Klasse, mit ihm war's ziemlich schwer. Die Lehrer haben mich oft in die Schule bestellt, er schrieb immer wieder Luchs und Fuchs mit k und statt Hülle und Fülle Hühle und Fühle. Ich hab mir die Haare gerauft, wenn ich spätabends die Hefte durchgesehen habe, die Lehrer gebettelt, daß sie ihn nicht sitzenbleiben lassen. Sie haben Nachhilfeunterricht organisiert, ich ließ ihn seitenweise Bücher abschreiben – er hat trotzdem ein Schuljahr doppelt machen müssen. Das wäre ihm nicht passiert, wenn ich mich noch mehr um ihn hätte kümmern können. Die Jungs sind bei Nachbarn groß geworden, im Schulhort, im Bastelklub, bei den Pionieren, in der FDJ. Sie brauchen aber auch eine Mutter oder einen Vater, am besten beide, die ihnen hin und wieder über die Schulter gucken. Ich kann die Tage an den Fingern abzählen, die ich in Ruhe zu Hause verbracht habe, seit du weg bist. Ganz selten hab ich mir vornehmen können, was ich immer wollte: So, diesen Tag widmest du einmal deinen Kindern. Ich ging vom Tiefbau zu einem Kurs für Kranfahrer, das heißt, ich hab gelernt, ein Auto mit noch was dran zu fahren. Motor, Getriebe, Kupplung, womit du immer so wichtig getan hast, das war schnell erledigt. Praxis und Theorie. Einen Kran mit ein paar Tonnen dran in einer Häuserlücke oder auf einer Brücke oder in einer schlammigen Baugrube zu beherrschen, das ist noch was anderes. Ich habe Bücher von der Bibliothek mit nach Hause geschleppt, bis in die Nächte gebüffelt, Berechnungen angestellt, Handgriffe probiert, bis sie in Fleisch und Blut übergingen. Im Schlaf, im Traum habe ich mit meinem Kran die halbe Welt aus den Angeln gehoben, die ganze. Wenn ich so zurückdenke, kommt's mir wirklich so vor. Wir haben allerhand gelernt und geschafft. Weil ich den Facharbeiterbrief haben wollte, mußte ich nebenbei die neunte und zehnte Klasse nachholen, mich wie die Jungs auf die Schulbank setzen. Bloß gut, sie waren damals noch ein paar Klassen zurück. Krankurs, Volkshochschuleee, später noch ein Lehrgang für Baumaschinisten in Dresden – da überschnitt sich oft der Stundenplan, ich mußte mir ein Moped kaufen und damit hin- und herrasen. Es war fast wie in der Geschichte vom Hasen und Igel: Sie haben da am Anfang der Stunde meinen Kopf gesehen, dort am Ende. Und wie ich alles kapierte, war meine Sache. Ohne das Moped hätte ich's nicht geschafft. Ein Hoch auf das Moped! Dieses Moped geht mir über alle Tatras, Cadillacs und Opels der Welt – verstehst du das? Ich habe den Lehrgang an der Dresdner Akademie als Beste beendet und eine Urkunde erhalten: Spezialistin für Montagebau. Ich war nun in der Lage, Häuser und Fabri8ken aus dem Baukasten zu bauen. Die Bauklötzer waren ein paar Meter breit und hoch, sie wogen mehrere Zentner oder Tonnen. Und es begannen meine Wanderjahre, weil ich auf Kraftwerke spezialisiert war und Kraftwerke weit im Lande verstreut gebaut werden: Hirschfelde, Berzdorf, Vetschau, Lübbenau, Boxberg, Thierbach, Lippendorf und Dobbertin. Hoch oben auf dem Turmdrehkran saß ich, ließ die Betonwände über die letzten mickrigen Kiefern schweben, sah die Bagger ringsum in der Erde wühlen, Hunderte und Tausende Menschen, mächtige Maschinen nichtt zu vergleichen mit deinem Autogebrumm, sondern ein Getöse, daß man ins Funkgerät schreien mußte, wenn irgendein Kumpel da unten keine Milimeterarbeit machte. Mehr Krawall haben sie dir drüben nicht bieten können, mehr überhaupt nicht. Du schreibst kein Wort darüber, was du all die Jahre getan hast, aber ich weiß, es war nichts gegen d a s . Ich wurde in die BGL gewählt, das ist die Betriebsgewerkschaftsleitung, falls du das vergessen hast. Deine BGL hat mir damals die Kohlen geschickt. Solche Sorgen hatten wir nicht mehr; ich hatte dafür zu sorgen, daß es eine Kosmetikerin auf dem Bau gibt, Konsum, Ambulatorium, Kindergarten, Friseur sowieso, nun noch 'ne Schönheitspackung aufs Gesicht, Lavendelduft, Maniküre und Pediküre – du hättest uns sehen sollen, wenn wir aus Schlamm und Heidesand aufs Moped oder in den Autobus gehüpft sind! Ins Konzert, Theater, zum Staatsbankett nach Berlin sind wir gefahren, Kleider für zweihundert Mark, Samt und Seide, später Dederon, bitte. Die Jungs brauchten sich auch nicht zu beklagen, was das anging: weiße Hemden, Schlips, Schuhe, wieder ein Paar neue Schuhe. Für ein neues Moped oder Motorrad blieb trotz der Prämie nie genug übrig; ich mußte das alte immer wieder zusammenbasteln – kein Problem. Der Kran und das Moped – wie soll ich das erklären? -, was ich dadurch geworden bin, das hat den Jungs alles in allem mehr genützt, als wenn ich ihnen immer über die Schulter geguckt hätte. Daran laß ich nicht rütteln. Wußtest du, daß ich ehrgeizig bin? Du kannst es nicht wissen, du kennst mich nicht, sondern eine andere Frau. Oder ich will es so sagen: Früher bin ich durch's Leben gestolpert, habe die Kinder zur Welt gebracht. Ich hab gestaunt, daß ich d a s fertigbrachte. Ich habe damals nichts von mir erwartet, gar nichts. Und jetzt kann es nicht genug sein. Auf dem Kran fing's an, da konnte ich meinen Arm verlängern und ausprobieren, was sich damit packen läßt. Ich merkte, wer ich war und was ich wollte. Wenn ich ein Betonstück an seinen Platz gebracht hatte, dann war ein Haus oder ein Kraftwerk höher gewachsen. Es war etwas Nützliches, Wichtiges, Großes. In eines der neuen Häuser zogen wir ein, und wenn ich den Lichtschalter einschaltete, da war's Licht von meinem Kraftwerk. Es macht Spaß, abends überall Fenster leuchten zu sehen und zu denken: So weit reicht der Arm. Es macht einen ehrgeizig, man will höher und höher hinaus, manchmal gleich zu hoch. Eines Tages hörte ich von einer Aufnahmeprüfung an der Ingenieurschule Dresden, putzte mich heraus, fuhr siegessicher hin und fiel mit Pauken und Trompeten durch. Nach der Prüfung nahm mich ein Dozent beiseite und sagte:“Wissen Sie, das hat keinen Zweck. Sie sind dazu schon zu alt.“ Da war ich dreiunddreißig Jahre, mein Leben hatte gerade richtig angefangen. Ich sagte trotzig:“ Nein, was mein Alter betrifft, da irren Sie sich.“ Und im nächsten Jahr war ich wieder dort, auch derselbe Dozent.“Na“, meinte er freundlich, bißchen von oben herab, „vom Alter einer Frau soll man schweigen, das habe ich gelernt. Und was haben Sie inzwischen gelernt?“ Er merkte, daß ich in Ökonomie Bescheid wußte, es liegt einer Frau, die einen Haushalt durch dick und dünn geführt und in einer BGL gesessen hat. Ich kam in eine Frauensonderklasse, zwei Tage wöchentlich Studium, drei Tage im Betrieb, volles Gehalt, nach drei Jahren war ich Ingenieurökonom. Das war im vorigen Herbst, ein schöner Herbst. Vorher war der heißeste Sommer, Sonne wie am Schwarzen Meer oder in Italien. Ich habe mich mit Büchern eingemauert, damit ich nichts davon merkte, ich bin im Urlaub kaum aus dem Haus gekommen. Dieses Jahr, das ist mein Traum, will ich im Urlaub mit den beiden Jungs verreisen, ans Schwarze Meer, nach Sotschi. Ich hab schon gebucht, wir fliegen Anfang Juli. Wenn du zu Besuch kommst, wie du im Brief ankündigst, sind wir auf Reisen. Es hätte genügt, wenn ich d a s geschrieben hätte, fertig. Doch viel mehr steht nicht auf dem Papier, sah ich. Das meiste, was mir durch den Kopf gegangen ist, wäre dir doch unverständlich gewesen – unbehaglich, fremd. Wir haben uns auseinandergelebt. Es gibt zwar keine fremden Menschen, sondern nur andere, hab ich mal gelesen; aber anders sind wir geworden, ganz anders. Auch wenn die Reise nicht wäre, ich hätte dir geschrieben: Nein, du bist uns nicht willkommen. Du hast dich von uns getrennt, bist deine eigenen Wege gegangen, wir unsere. In deinem Brief schreibst du:“ Ich möchte meine Söhne wiedersehen, ich habe ein Recht darauf!“ Wieso? Weil du zufällig die alte Adresse hervorgekramt und vielleicht nach langer, langer Zeit sogar begriffen hast, daß´es außer Autos und vollbepackten Tüten, die du bei jedem Kolonialwarenhändler kaufen kannst, noch etwas anderes gibt? Es gab einmal Menschen, die dich geliebt haben und die du geliebt hast, das ist wahr. Es ist schon etwas, daß du dich daran erinnerst; aber es ist zuwenig. Du hast weder mir noch den Kindern gesagt, gezeigt und vorgelebt, was ein Mensch vollbringen kann. Anderes war dir wichtiger, uns ist das das Wichtigste, daran messen wir alles. Ich bin stolz darauf, was aus mir und den Jungs geworden ist. Jeder versucht hier soviel wie möglich zu leisten, damit sich alle soviel wie möglich leisten können – das ist Sozialismus. Und das ist anstrengend, und du hast auf's Gaspedal getreten und bist fort. Ich nehme an – dein Brief klingt so -, die großen Autos haben dir die ganze Zeit viel Kraft vorgemacht. Du dachtest, du bist's. Aber ich bin nicht das Moped oder der Kran, du nicht der Sechszylindermotor. Eines Tages muß man dahinter kommen, was man selber ist. Die schreckliche Entdeckung wäre: ein Vakuum zu sein, Kleider drumherum, Krawall im Ohr, den man für's Leben gehalten hat, an dem man in Wirklichkeit vorbei gerutscht ist.. Diese Entdeckung hatte ich, als du uns den Rücken gekehrt hast. Du auch – irgendwann, jetzt? Jedenfalls hast du deine Kinder mir überlassen, also in ein Vakuum geworfen, ade. Den Satz aus der Schule über die Energie, er kommt auch im Kurs über Motore vor, wirst du wohl kennen: Aus nichts wird nichts. Aber aus uns ist etwas geworden. Die Politik hat der Physik etwas nachgeholfen, unsere Politik. Daran hast du keinen Anteil, deshalb hast du kein Recht auf uns, auf nichts hier. |
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Es hat keinen Zweck, wenn du wieder schreibst. Die jetzige Adresse brauchst du nicht zu wissen, ich schreibe die alte als Absender drauf – da ist für dich die Zeit stehengeblieben. Wir werden sowieso bald umziehen, in eine größere Wohnung hier in Dobbertin. Ich habe beim Studium einen Genossen kennengelernt, der noch ehrgeiziger ist als ich, es könnte einem schwindlig werden. Er fährt mit uns nach Sotschi, falls nicht wieder sein Ehrgeiz dazwischen kommt. Wenn dieser Mann weniger hinter guten Zensuren her gewesen wäre, hätte er schon während des Studiums Zeit gefunden, mich von dem Namen Lachmuth zu befreien. Ich möchte auch diesen Rest der Vergangenheit abstreifen. Ich will jedoch nicht verschweigen, daß die der Kleine sehr ähnlich ist, das gleiche Gesicht, und er hat viel in seiner Art von dir. Alles Zureden nützt nichts, er will ins Autofach, später zur Ingenieurschule, meinetwegen soll er Autoschlosser werden. Manchmal überlege ich, wie wärest du wohl geraten, Albert Lachmuth, hier und in dieser Zeit? Vielleicht hätten wir mit dir gemeinsam noch mehr aus uns herausgeholt, vielleicht. Aber dann sag ich mir: Nein, ein Egoist bleibt ein Egoist, er kann nicht aus seiner Haut. Hast du wieder geheiratet, sind Kinder da? Nein, wenn du Kinder hättest, wäre die uralte Adresse nie wieder in deine Hände geraten. Es wird so sein: Du hast keine Kinder, keine oder die falsche Frau, ein Auto, ein Haus oder eine schöne Wohnung, die ersten grauen Haare – du bist schon über vierzig -, tadellose Kleider und ein Vakuum, das ist's, was weh tut. Dagegen war es ein Spaß, als ich damals merkte, wie leer ich war. Ich war jung. Ich lebte hier, ich hatte die Kinder und das ganze Leben vor mir. Selbsterkenntnis, sogar die schmerzlichste, ist ein Glück, wenn sie früh kommt. Später ist's viel schlimmer. Doch zu spät braucht's ja bei dir nicht zu sein, hoff ich, wünsch ich, bitt ich dich sogar, besonders wegen der Kinder, die deinen Namen durch's ganze Leben tragen. Das ist nun einmal Tatsache, daß du deinen Söhnen nichts bedeutest, doch es wäre furchtbar, wenn sie sich ihres Namens schämen müßten. Diese deutlichen Worte kann ich dir nicht ersparen. Wir sind weder deine armen Verwandten noch deine Lehrmeister; aber unsere Meinung müssen wir schon sagen. Du hast den Rutsch in die Vergangenheit gemacht6. Es liegt zuviel dazwischen, die Entfernungen sind zu groß, um sich lächelnd die Hände reichen zu können. Es hat zuviel Mühe und Freude gemacht, sechzehn Jahre, die uns trennten, die wischen wir nicht mit dem Wörtchen „vergessen und verziehen“ vom Tisch. Allein: die Kohlen von deinen Kumpels, die Pleite bei meiner Prüfung, die Vieren in Deutsch und Geschichte bei Fred – und in allen Tischdecken Tintenflecke. Und dieses Radiogedudel! Ein bißchen leiser, Jungs! Wenigstens so, daß ihr hört, wenn ich sage: leiser. Ich weiß ja, daß ihr wieder da seid. Kommt mal, lest. Ich habe die Absage an Albert Lachmuth mit der Maschine geschrieben, drei, vier Sätze, mehr fällt mir nicht ein. Diese Geschichte hat Eberhard Panitz bei der Veranstaltung am 7. Oktober vorgelesen. Sie ist aus seinem Buch „Frauengeschichten aus der DDR“ erschienen im Schkeuditzer Buchverlag. ISBN 3-935530-14-5 |
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