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Virtuelles Magazin 2000

 


Annette Bültmann

 

Kunst im Wasserspeicher

Seit 1994 finden in den Wasserspeichern im Prenzlauer Berg Klangkunstinstallationen statt, zunächst von 1994 bis 2004 die Kryptonale, und seit 2007 Ausstellungen der singuhr-hoergalerie, die vorher, von 1996 bis 2006, in der Parochialkirche in Berlin Mitte gesehen und gehört werden konnten.

Im Juli und August gibt es einen guten Grund mehr, die Ausstellungen im Wasserspeicher zu besuchen, die Temperaturen liegen bei geschätzten 12 Grad, sehr angenehm zur Abkühlung, eine dunkle unterirdische Welt. Unter einem Hügel, nicht weit entfernt von Spielplätzen und Kaffees, taucht man, nach der Bezahlung des Eintrittsgeldes, nach Durchschreiten eines Vorhangs plötzlich in die Berliner Unterwelt ab.

Der grosse Wasserspeicher ist zunächst mal in einem äußeren Gang zu umrunden, der bei der diesjährigen Installation "Around the World" von Paul DeMarinis beleuchtet ist und durch Klicktöne beschallt wird, die von Relais erzeugt werden, durch unter der Decke entlangführende Kabel läuft, quasi parallel zu den entlanglaufenden Besuchern, ein ständiges Klicken den Gang entlang.

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Geht man weiter hinein in den Wasserspeicher, nähert man sich der Installation "The Probable Flight Path of AF 447", und es wird dunkel, abgesehen von flackernden Neonröhren, die an und aus gehen in von seltsamen Prozessen gesteuerten Intervallen, dazu ein tiefes Brummen und Dröhnen. Nun möchte man doch sehen, was der Ursprung dieser Phänomene ist, wodurch sie gesteuert werden, ist man in das Labor eines verrückten Wissenschaftlers geraten? In einen Wasserbehälter ragen Elektroden, dort läuft ein galvanischer Prozess ab. Die eine Elektrode ist beschichtet mit Aluminium, die andere mit Kupfer. Im Behälter befindet sich Salzwasser, wie man in der Beschreibung lesen kann, und einige kleine Blasen haben sich hier und dort angesammelt.

Normalerweise wird bei der Galvanisation ein niedriger Gleichstrom verwendet. Aber auch ohne die Einleitung von Strom kann es zu galvanischen Prozessen kommen.

Werden zwei Metalle durch einen Elektrolyten, z.B. Salzwasser, verbunden, so kommt es zur galvanischen Korrosion. Das unedlere Metall wird zur Anode und korrodiert, während die Kathode in diesem galvanischen Element vor Korrosion geschützt ist. Während an der Anode eine Oxidation des Metalls stattfindet, wird an der Kathode in diesem Fall nicht das Metall, sondern das damit in Berührung kommende Lösungsmittel reduziert, bei dieser Installation also das Salzwasser, wobei sich Wasserstoffgas bildet.

Eine solche Anordnung unterschiedlicher Metalle in einer elektrolytischen Lösung wird als Korrosionszelle bezeichnet.

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In diesem Fall werden von der Korrosionszelle leise Geräusche erzeugt, die, elektronisch verstärkt, die Lautsprecher und Neonröhren steuern, und dadurch mit dem tiefen Klangteppich und dem flackernden Neonlicht in der ansonsten kühlen und dunklen Umgebung des Wasserspeichers eine leicht befremdliche Atmosphäre schaffen, die beim Besucher Neugier hervorruft, sich die Ursache dieser Merkwürdigkeiten genauer anschauen. Insgesamt vier Becken mit Flüssigkeit in den vier Bereichen des Wasserspeichers steuern die Installation. Sie bezieht sich auch auf das Flugzeug AF 447, das 2009 in den Atlantik stürzte, und dessen Black Box bisher nicht gefunden wurde. Die Metalle des Flugzeugs könnten bei der Korrosion im Salzwasser ähnliche Geräusche erzeugen wie die bei dieser Installation entstehenden Töne.

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Im kleinen Wasserspeicher ist gleichzeitig die Installation "Extended Drops" des belgischen Klangkünstler Pierre Berthet zu sehen und zu hören. Elektronisch gesteuert tropft aus Plastikschläuchen von Zeit zu Zeit Flüssigkeit. Die Tropen fallen in aus Eimern hergestellte Klangkörper, jedes dieser Tropfen-Klanginstrumente hat seinen eigenen Rhythmus, der sich überlagert mit den Tropfrhythmen der anderen, und mit den Geräuschen von Eimern an Drähten. Die Drähte sind an Lautsprecherchassis ohne Membran befestigt, so dass die Geräusche weitergeleitet werden zu den Eimern, diese Installation bildet die "extended loudspeakers".

Beide Installationen in den Wasserspeichern erzeugen ein außergewöhnliches Raum-Klang-Erlebnis in Verbindung mit der Atmosphäre der kühlen großen dunklen Räume, das aus optischen und gleichzeitig akustischen Eindrücken besteht, und die Wasserspeicher auch in diesem Sommer wieder zu einem besonderen Kunstort macht.

 

 

http://www.singuhr.de

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