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Virtuelles Magazin 2000

 


Mouches volantes – warum die Welt ohne sie ärmer wäre

 

Von Floco Tausin

 

Mouches volantes sind transparente bewegliche Punkte und Fäden in unserem Gesichtsfeld, die bei hellen Lichtverhältnissen sichtbar werden und sich mit dem Blick mitbewegen. Was bedeuten sie? Diese Frage wurde durch die Zeiten hindurch immer wieder anders beantwortet. Eine augenzwinkernde Reise in die Situationen, Gedanken und Wahrnehmungen einiger Zeitzeugen, die durch Mouches volantes inspiriert waren oder es gewesen sein könnten.

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Der neolithische Steinkünstler in Dumfries and Galloway, Schottland: (blickt auf die Mouches volantes und beginnt in Stein zu hauen).

 

Der altägyptische Dichter: „Schütze mich, o Horus Behedeti, in deiner Gestalt als bewegliche geflügelte Sonne am Himmel; schütze mich mit deinen zwei Begleitern, den Schlangen Nechbet und Uto.“

 

Der vedische Priester: „Der Luftraum ist dies Zaubernetz, Netzstangen die Weltgegenden / Damit umstrickend rafft Indra der Feinde Heer hinweg.“

 

Ezechiel: „Und die Räder waren wie Türkis und waren alle vier eins wie das andere, und sie waren anzusehen, als wäre ein Rad im andern. Und ihre Felgen waren voller Augen um und um an allen vier Rädern.“

 

Der Jaina-Astrologe: „Ich grüsse euch, ihr Lichtgottheiten, die ihr in euren Fahrzeugen in der Sphäre der himmlischen Körper gleitet.“

 

Demokrit: „Seht die Tilai, diese Sonnenstäubchen, wie sie sich bewegen. Es sind Atome. Es sind Seelenatome.“

 

Galen: „Diese verdichteten Körperchen schweben getrennt in der Feuchtigkeit und rufen eine Täuschung des Sehens hervor, als ob ausserhalb des Auges schwebende Mücken zu sehen sind.“

 

Vasubandhu: „So wie kleine Haare, Möndchen etc., die einem Mann mit einem Augenfehler erscheinen, nicht-existent sind, so ist alles nur Bewusstsein und ohne extra-mentale Realität.“

 

Der Taoist: „Den Drachen muss man jagen, seinen Adern muss man folgen, ob im Himmel oder auf der Erde. So entsteht Harmonie.“

 

Der Dzogchen-Buddhist: „In der zweiten Vision des thod-rgal nehmen die Lichttropfen thig le an Zahl und Grösse zu, die Vajra-Ketten vervielfachen sich. In fortgeschrittenen Stadien enthüllen sie die Realität des Bewusstseins in seiner Unmittelbarkeit.“

 

Der Huayen-Buddhist: „Der ganze Kosmos der Seienden ist ohne Ausnahme so wie das grosse Netz im Indra-Palast, so dass alle Seienden wie die Edelsteine an jedem Knoten des Indra-Netzes untereinander unendlich und unerschöpflich ihre Bilder und die Bilder der Bilder in sich spiegeln.“

 

Hildegard von Bingen: „Und ich sah ein überhelles Licht und darin eine saphirblaue Menschengestalt, die durch und durch im sanften Rot funkelnder Lohe brannte.“

 

Nagm ad-Din al-Kubra: „Wisse, im Gesicht gibt es Kreise, die im Endstadium der mystischen Reise sichtbar werden. Sie sind aus Licht und erscheinen einem, wohin man sich wendet, rechts und links. Manche haben Punkte in der Mitte, andere nicht.“

 

Dogen: „Das Herabwirbeln der leeren Blüten ... Man soll wissen, dass der augenkranke Mensch des Buddha-Weges der ursprünglich erwachte Mensch ist.“

 

Cesarius von Heisterbach: „Dies sind die Seelen, die bereits ganz in das Reich Gottes eingegangen sind, gläserne, sphärische Gefässe, die hinten und vorne mit einem Auge versehen sind.“

 

Benvenutus Grassus: „Zuviel des melancholischen Safts blockiert den optischen Nerv. Man verabreiche ein Electuarium, um den Nerv zu öffnen.“

 

Dante Alighieri: „Bewegte sich um jenen lichten Punkt / Ein Feuerkreis so eilig, daß die Drehung / Des höchsten Himmels diese nicht erreichte. / Umgeben war er rings von einem andren, / Vom dritten der, vom vierten wieder dieser, / Der vierte dann vom fünften, der vom sechsten. / Dann folgt' ein siebenter von solcher Weite, / Daß Juno's Botin in der vollen Rundung / Nicht weit genug, ihn zu umspannen wäre. / So auch der acht' und neunt, und es bewegte / Langsamer jeder sich, im Maße wie er, / Der Zahl nach sich, vom ersten mehr entfernte.“

 

Der Kabbalist: „In diesem Sefirot-Baum zeigt sich das mystische Antlitz Gottes, die Potenzen Gottes in den Kugeln, der Schöpfungsplan aller oberen und unteren Dinge in den Verbindungen zwischen ihnen.“

 

Der chinesische Arzt: „Punkte, die Fliegenflügel ähneln. Sie gehen weg, wenn die Yin-Essenz der Niere wieder hergestellt wird und das Holz der Leber und der Gallenblase nicht mehr austrocknet.“

 

Hans Glaser: „Dieweyl wir aber kurz auffeinander / fouiel und mancherley zeychen am hymel haben / die uns der Allmechtige Gott / von unsers sundlichen lebens / damit er uns gern zur buss reizen und locken wolt / erscheinen lest / so sein wir leyder so undackbar/ das wir solche hohe zeychen und wunderwerck gottes verachten.“

 

Goethe: „Wie im Auge mit fliegenden Mücken / So ist's mit Sorgen ganz genau / Wenn wir in die schöne Welt hineinblicken / Da schwebt ein Spinnewebengrau / Es überzieht nicht, es zieht nur vorüber / Das Bild ist gestört, wenn nur nicht trüber /Die klare Welt bleibt klare Welt / Im Auge nur ist's schlecht bestellt.“

 

Wassily Kandinsky: (blickt aufmerksam auf die Mouches volantes und beginnt zu zeichnen).

 

William H. Bates: „Eine visuelle Illusion. Zuviel Anspannung in Augen und im Geist. Da hilft Palming, Palming, Palming.“

 

Der Tukano-Schamane: „Konzentrische Kreise, Befruchtung durch das Männliche. Ketten von Diamanten, Abstammung von der Linie der Mütter.“

 

Der Augenarzt: „Muscae volitantes. Glaskörpertrübungen. Glaskörperfibrillen, die durch die altersbedingte Glaskörperdegeneration verklumpen. Kein Problem, solange es nicht blitzt, einfach nicht darauf schauen.“

 

Der Parapsychologe: „Orbs! Orbs! Wo ist meine Fotokamera?“

 

Die Neurophilosophin: „Wenn ich dich sehe, und niemand anderes sieht dich, dann sprechen wir nicht von Wahrnehmung, sondern von Empfindung. Und eine Empfindung ist identisch mit einem neuralen Zustand. Damit bist du, Augengeröll, eine reine Nervensache.“

 

Der Psychologe: „Übung Nr. 3: Bemerken Sie, dass diese Kreise immer zahlreicher und grösser zu werden scheinen, je mehr Sie sich auf sie konzentrieren. Erwägen Sie die Möglichkeit, dass es sich um eine gefährliche Erkrankung handelt, denn wenn die Kreise einmal Ihr ganzes Gesichtsfeld ausfüllen, werden Sie äusserst sehbehindert sein. Gehen Sie zum Augenarzt. Er wird Ihnen zu erklären versuchen, dass es sich um die ganz harmlosen mouches volantes handelt. Nehmen Sie dann entweder an, dass er Masern hatte, als diese Krankheit in der Universitäts-Augenklinik den Medizinstudenten seines Jahrgangs erklärt wurde, oder dass er Sie aus reiner Nächstenliebe nicht vom unheilbaren Verlafu Ihrer Krankheit informieren will.“

 

Die Molekularbiologin: „Wie kommen denn Zysten der Borrelia burgdorferi in den Glaskörper?“

 

Der Ufologe: „Das UFO geht mit dem Blick mit? Das ist kein UFO, KEIN UFO!“

 

Der Vitrektomie-Kandidat: „Sonnenbrille, Blümchenmuster-Tapeten, Vitreoxigen, Inositol, NAC – Herrgott! Was soll ich denn noch tun, um euch Scheisser loszuwerden?“

 

Don Juan: „Die Zauberer im alten Mexiko haben den Räuber gesehen. Sie nannten ihn den Flieger, weil er durch die Luft springt. Es ist kein schöner Anblick. Er ist ein grosser undurchdringlicher Schatten, ein scharzer Schatten, der durch die Luft hüpft. Danach landet er flach auf der Erde.“

 

Chet Williamson: „Sieht das Ding nicht aus wie ein Gesicht? Na? Sieht es nicht aus wie das Gesicht von Alan, der von Randy ermordet wurde? Verfolgt dieses Gesicht Randy? Treibt es ihn in den Wahnsinn?“

 

Der Seher Nestor: „Es ist eine Struktur, die mit Bewusstseinslicht angereichert ist. In intensiven Bewusstseinszuständen leuchtet sie auf, die Kugeln und Fäden werden grösser, bis der Seher eines Tages in seine Quelle eingehen kann.“

 

Herr Müller: (blintzelt nervös, reibt sich die Augen und geht weiter).

 

 

 

 

Literatur:

 

Bard, Kathryn A. (1999) Encylopedia of the Archaeology of Ancient Egypt. NY: Routledge

 

Bates, William H. (1920). The Cure of Imperfect Sight By Treatment without Glasses. New York

 

Castaneda, Carlos. (1998). Das Wirken der Unendlichkeit. Fischer

 

Liu, JeeLoo. (2008). An introduction to Chinese Philosophy. From Ancient Philosophy to Chinese Buddhism. (3. Aufl.). Blackwell Publishing Ltd.

 

Kovacs, Jürgen; Unschuld, Paul U. (1998). Essential subtleties on the silver sea: The Yin-hai jing-wei. A Chinese classic on ophthalmology. Berkeley/L.A.: University of California Press

 

Meier, Fritz (Hg.) (1957). Die Fawa’ih al-Gamal wa-Fawatih al-Galal des Nagm ad-Din al-Kubra. Eine Darstellung Mystischer Erfahrungen im Islam aus der Zeit um 1200 n. Chr. (Akademie der Wissenschaften und der Literatur IX). Wiesbaden: Franz Steiner Verlag

 

Plange, Hubertus. (1990). „Muscae volitantes – von frühen Beobachtungen zu Purkinjes Erklärung“. Gesnerus 47: 31-44

Rawson, Philip; Legeza, Laszlo. (1974). Tao. Die Philosophie von Sein und Werden. Droemer-Knaur

Scheidegger, Daniel. (2007). „Different Sets of Light-Channels in the Instruction Series of Rdzogs Chen“. Revue d’Etudes Tibétaines: 24-38

Tausin, Floco. (2010). Mouches Volantes. Die Leuchtstruktur des Bewusstseins. Bern: Leuchtstruktur Verlag

 

Tausin, Floco. (2009a). Sanftes Fliegenmittel. Mouches volantes in der alternativen Augenheilkunde. VM – Virtuelles Magazin 2000, 53

 

Tausin, Floco. (2009b). Medizin und Religion. Die spirituelle Dimension der Migräne-Aura. ExtremNews. (5.2.10)

 

Tausin, Floco. (2008a). Wenn Indra Mouches volantes sieht. Die Gemeinsamkeiten von „Indras Netz“ und Mouches volantes. Ganzheitlich Sehen 2. (2.2.10)

 

Tausin, Floco. (2008b). „Erscheinung am Himmel über Nürnberg, von Hans Glaser“. Ganzheitlich Sehen 3.

 

Tausin, Floco. (2008c). „Mouches volantes als Zysten“. Ganzheitlich Sehen 1.

 

Tausin, Floco. (2007a). „Mouches volantes und Zen“. Ganzheitlich Sehen 4. (2.2.10)

 

Tausin, Floco. (2007b). „Mouches volantes als Sonnenstäubchen?“ Ganzheitlich Sehen, Juni.

 

Tausin, Floco (2007c). „Religiöse Kunst mit entoptischen Phänomenen – Hildegard von Bingen“. Ganzheitlich Sehen 3.

 

Tausin, Floco. (2006a). « Mouches volantes und Trance. Ein unierselles Phänomen bei erweiterten Bewusstseinszuständen früher und heute“. Jenseits des Irdischen 3

 

Tausin, Floco. (2006b). „Mouches volantes als Fahrzeuge der Lichtgottheiten im Jainismus?“ Ganzheitlich Sehen, November.

 

Tausin, Floco. (2006c). „Goethe – des Dichters Mücken“. Ganzheitlich Sehen, Februar.

 

Tausin, Floco. (2006d). „Wenn das UFO dem Blick folgt. Können unidentifizierte Flugobjekte entoptische Phänomene sein?“ JUFOF. Journal für UFO-Forschung 167, Nr. 5

Watzlawick, Paul. (1996). Anleitung zum Unglücklichsein. München/Zürich: Piper

 

Williamson, Chet. (1992). „Muscae Volitantes“. Borderlands, hg. v. Thomas F. Monteleone. Stonegate: White Wolf: 195-212

 

 

 

 

Floco Tausin

floco.tausin@mouches-volantes.com

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Der Name Floco Tausin ist ein Pseudonym. Der Autor studierte an der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern und befasst sich in Theorie und Praxis mit der Erforschung subjektiver visueller Phänomene im Zusammenhang mit veränderten Bewusstseinszuständen und Bewusstseinsentwicklung. 2004 veröffentlichte er die mystische Geschichte „Mouches Volantes“ über die Lehre des im Schweizer Emmental lebenden Sehers Nestor und die spirituelle Bedeutung der Mouches volantes.

 

Angaben zum Buch: „Mouches Volantes – Die Leuchtstruktur des Bewusstseins“, Leuchtstruktur Verlag (Bern) 2010, Paperback, 376 Seiten, 24.90 € / 39.80 CHF, Genre: Belletristik/mystische Erzählung.

Bereits den alten Griechen bekannt, von heutigen Augenärzten als harmlose Glaskörpertrübung betrachtet und für viele Betroffene ärgerlich: Mouches volantes, Punkte und Fäden, die in unserem Blickfeld schwimmen und bei hellen Lichtverhältnissen sichtbar werden.

Die Erkenntnis eines im schweizerischen Emmental lebenden Sehers stellt die heutige Ansicht radikal in Frage: Mouches volantes sind erste Teile einer durch unser Bewusstsein gebildeten Leuchtstruktur. Das Eingehen in diese erlaubt dem Seher, über den Tod hinaus bewusst zu bleiben.

Mouches volantes: Glaskörpertrübung oder Bewusstseinsstruktur? Eine mystische Geschichte über die nahe (f)liegendste Sache der Welt.