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Virtuelles Magazin 2000


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Annette Bültmann

Virtuelle Räume in der Phantasie ihrer Schöpfer, und ihrer Besucher

 

Der Begriff Cyberspace wurde bekannt durch die Roman-Trilogie "Neuromancer" von William Gibson. In der zukünftigen Welt dieser Science-Fiction-Romane verschmelzen Menschen in gewisser Weise mit der virtuellen Realität, indem sie durch Implantate, chemisch erzeugte Halluzinationen, Hologramme und direkte Verbindung zwischen Gehirn und Computer zeitweise völlig in die Virtualität eintauchen.
In der dortigen virtuellen Welt haben künstliche Intelligenzen bereits ein Eigenleben entwickelt, und können sogar Kunst erschaffen.
Auch wenn William Gibson einer der bekanntesten Autoren ist, die die heute gebräuchlichen Begriffe für virtuelle Welten prägten, gibt es weitere, wie den Mathematiker und Science-Fiction-Autor Vernor Vinge, der den Begriff "Portal" als Zugang zu einem Datennetzwerk prägte. Auch der Begriff Matrix für eine Datenwelt, der später dem Film seinen Namen gab, wurde bereits in der Neuromancer-Trilogie benutzt: "(...) immer noch sah er im Schlaf die Matrix, helle Gitter der Logik, die sich vor der farblosen Leere entfalteten..." (aus dem 1. Kapitel von Neuromancer. William Gibson, Die Neuromancer-Trilogie, Hamburg 1996). "The matrix has its roots in primitive arcade games...Cyberspace. A consensual hallucination experienced daily by billions of legitimate operators, in every nation, by children being taught mathematical concepts... A graphic representation of data abstracted from banks of every computer in the human system. Unthinkable complexity. Lines of light ranged in the nonspace of the mind, clusters and constellations of data. Like city lights, receding into the distance... " (William Gibson, Neuromancer, 1984.)

Auch wenn manchmal das World Wide Web als Cyberspace bezeichnet wurde, fehlen ihm dafür bisher räumliche und sensorische Dimensionen. In der Science-Fiction-Literatur ist mit dem Begriff doch eher eine mindestens dreidimensionale räumliche Vorstellung verbunden, die beim Internet in Form von Websites erstmal nur insofern existiert, als es den Erdball umspannt. Seitdem sich virtuelle Welten wie das Second Life und andere entwickeln, können sich nun weltweit Avatare auch in einer zumindest computerspielähnlichen Umgebung bewegen, und im Rahmen der vorgegebenen Möglichkeiten interagieren.

Virtuelle Räume, wie z.B. Chatrooms, virtuelle Klassenzimmer oder simulierte dreidimensionale Umgebungen, existieren in der Phantasie ihrer Schöpfer und ihrer Nutzer, außerdem in Form einiger gespeicherter Daten. Mit zunehmender Kapazität der Speichermedien könnte sich der virtuelle Raum immer mehr ausweiten.
Allerdings kann man sich fragen, inwieweit der Gebrauch des Begriffs "Virtueller Raum" überhaupt von einem Speichermedium abhängt, oder vom Vorhandensein eines Computers.
Gab es schon virtuelle Räume, bevor Computer entwickelt wurden?
Ein Kongresses "Virtuelle Räume" untersuchte vor einiger Zeit Raumwahrnehmung und Raumvorstellung im Mittelalter, unter anderem mit der Fragestellung, ob es sich bei dem mittelalterlichen Hof um 1200 um einen virtuellen Raum handelte. Da der mittelalterliche Hof weder als fester Ort noch als gesicherte Institution existiert habe, habe er nur in der Kommunikation von adligen Grundbesitzern existiert, die sich als Hofleute imaginierten. (Elisabeth Vavra (Hg.), Virtuelle Räume: Raumwahrnehmung und Raumvorstellung im Mittelalter, 2005, S73 ff)
Werden also auch bei Rollenspielen virtuelle Räume erschaffen?
Werden virtuelle Räume, deren Daten auf Festplatten gespeichert werden können, im Vergleich zu nur in der Kommunikation existierenden Räumen greifbarer, also realitätsnäher?

Meist ist da bei Computerspielen und simulierten Umgebungen zunächst mal die Vorstellung von Räumen, die, wie die üblichen Zimmer in realen Gebäuden, von rechteckigen Wänden umgeben sind, mit Ein- und Ausgängen und Wegen. Dort läuft oder springt die Spielfigur, auch die Möglichkeit des "Teleportierens" besteht aber z.B. im Second Life und lässt vielleicht weitere Möglichkeiten erahnen.

Welche Form hat der virtuelle Raum, ist er flach wie eine Scheibe, rund wie eine Kugel, wie weit kann er sich ausdehnen, hat er mehr als drei Dimensionen?
In der Theorie existieren längst mehr als drei Dimensionen, so die vierdimensionale gekrümmte Raumzeit Albert Einsteins, auch wenn diese Vorstellung, so lange sie auch schon bekannt ist, immer noch die Gehirnoberfläche ein bisschen kräuselt.
In der Mathematik gibt es Theorien mit 10, 11 oder 26 Dimensionen, die aber den Rahmen der Vorstellungskraft sprengen und auch eher theoretische Experimente sind, die sich nicht unbedingt am physikalischen Raum orientieren. Gut vorstellbar sind aber die "Flachländer" aus der Mathematik, zweidimensional gedachte Wesen, die eine Breite und Länge aber keine Ausdehnung in der dritten Dimension haben, die sich wie ein Strich auf einem Blatt Papier verhalten (solange der Zeichner nicht versucht, durch perspektivisches Zeichnen Dreidimensionalität zu erzeugen).
Der virtuelle Raum im derzeitigen Universum der Computernetze scheint mir noch eher am Übergang zwischen einem Flachländer-Universum zweidimensional gestalteter Websites und einer dreidimensionalen, aber ebenfalls ziemlich flachen und rechteckigen Welt der Computerspiele und Second Life-artiger Simulationen zu sein.
Gibt es ein Computerspiel oder eine interaktive Umgebung, in der immerhin der Boden auf dem man läuft nicht flach ist, sondern irgendwo am Horizont gekrümmt wie der reale Erdball?

Der Raum, nun nicht der virtuelle, sondern der Weltraum, wie ihn die Wissenschaft erforscht, ist absolut nicht gleichförmig und leer, sondern voller Sterne und schwarzer Löcher, Sonnen werden zur Supernova, implodieren dann zum schwarzen Loch, neue Sonnen entstehen, es wurden sogar vereinzelte durchs All rasende Sterne, sogenannte Hyperschnellläufer, entdeckt, die sich mit großer Geschwindigkeit aus dem Gravitationsfeld der Milchstraße entfernen. All diese Himmelskörper und energetischen Phänomene krümmen laut Einstein die Raumzeit in ihrer Umgebung. Die Explosion eines Sterns in einer Supernova verursacht vom Ausgangspunkt sich ausbreitende Gravitationswellen die die Galaxis durchqueren, und auch als Raumbeben bezeichnet werden. Nicht nur Wellen durchkreuzen den Raum, sondern vielleicht auch Löcher, zumindest theoretisch ist die Existenz von Wurmlöchern denkbar, die eine Abkürzung zwischen zwei Punkten der gekrümmten Raumzeit bilden könnten. Bisher wird vermutet, dass Wurmlöcher, falls sie existieren, instabil sein dürften. Ständig in Bewegung ist dieser Raum und seine Himmelskörper und Gravitationsfelder, und auch die Forschung, die sich damit beschäftigt. Wer weiß, welches seltsame und bisher unbekannte Phänomen nach den Hyperschnellläufern als nächstes entdeckt werden wird... mit zunehmender Stärke und Genauigkeit der Instrumente, durch die sich inzwischen auch fernere Regionen des Raums beobachten lassen, könnten jederzeit weitere überraschende Erscheinungen auftreten.
Und wie ist es mit parallelen Entwicklungen im virtuellen Raum, ist er auch in Bewegung, hat er Gravitationsfelder, schwarze Löcher, Schnellläufer, explodierende Sterne?

In vielen frühen Kulturen findet sich die Vorstellung, dass die Erde flach ist. Später wurde diese Vorstellung dann abgelöst von der Vorstellung einer Kugelform, bei der man aber nicht sicher war, ob auch auf der anderen Seite der Kugel Lebewesen existieren konnten. Es gab darüber unterschiedliche Meinungen der Gelehrten. Man war wohl mit den Wirkungen der Gravitation des Erdballs noch nicht vertraut, und fragte sich, wie es möglich sein könnte, dass Pflanzen nach unten wachsen, oder Regen nach oben fällt. Es wurde auch die Frage gestellt, ob die Bewohner der auf dem Erdball der damals bekannten Welt gegenüberliegenden Gebiete, Antipoden (aus dem Griechischen, Bedeutung: "Gegenfüßler") genannt, die mit den Füßen nach oben laufen, nicht vom Erdball herunterfallen müssten. Weiterhin gab es die Theorie, die Erde wäre, abgesehen von den damals bekannten Kontinenten, ganz von Wasser bedeckt, oder die Vorstellung, am Äquator wäre die Hitze so groß, dass er für Menschen nicht zu überqueren sein könnte.

Ab dem 15. Jahrhundert begannen Europäer als Seefahrer zu entdecken, dass der Äquator sehr wohl von Menschen überquert werden kann. Eigentlich bemerkte dies schon gegen Ende des 13. Jahrhundert Marco Polo, der auf Java feststellt, dass es so weit südlich liegt, dass dort der Polarstern nicht zu sehen ist. Von ihm la tramontana genannt, da für einen Italiener damaliger Zeit "jenseites der Berge", also der Alpen, bedeutete, dass etwas sehr weit nördlich liegt, wird dieser bzw. das Nichtvorhandenseins dieses Sterns in südlichen Regionen, mehrmals erwähnt in dem von Rusticciano da Pisa aufgezeichneten Reisebericht.
Die Sternenbeobachtung war eine der damals bekannten Möglichkeiten der Orientierung bei der Seefahrt, besonders die Beobachtung des Polarsterns. Der Abstand des Polarsterns zum Horizont ist auf der Nordhalbkugel ein Maß für den Breitengrad. Je weiter man sich in Richtung Äquator bewegt, desto weiter sinkt der Polarstern am Himmel in Richtung Horizont, bis er bei der Überquerung des Äquators unter den Horizont sinkt und damit unsichtbar wird. Die Sterne der Sternbilder des Nachthimmels scheinen, bedingt durch die Erdrotation, um ihn zu kreisen.

Eine Orientierung in der virtuellen Welt geschieht teilweise wie bei der Bewegung in der realen Welt durch das Suchen von Wegen, indem der Avatar sie begeht (oder, je nach den vorgegebenen Möglichkeiten, rennt, springt, fliegt, taucht, etc.) und beim nächsten Besuch mit Hilfe der Erinnerung an bekannte Routen und an den Wegstrecken gelegene Orientierungspunkte, Landmarken. Der Begriff Landmarken stammt aus der Seefahrt und bezeichnete ursprünglich Leuchttürme oder ähnliche zur Orientierung geeignete Objekte. Auch in der Luftfahrt können Landmarken zur Orientierung verwendet werden. In der virtuellen Umgebung des Second Life kann man landmarks speichern, wie beim Surfen im Internet die bookmarks, um zu bestimmten Orten zurückzukehren. Dazu kommt oft die Möglichkeit, eine virtuelle Landkarte einzublenden, um eine Übersicht über das Gelände zu bekommen. Die Bewegung im virtuellen Raum kann Abkürzungen bieten wie z.B. beim Second Life das "Teleportieren", das bedeutet, sich per Mausklick zu einem entfernten virtuellen Ort zu begeben, und die Möglichkeit, wie im www nach Stichworten zu suchen, um bestimmte Locations zu finden, wie z.B. Kunstausstellungen, virtuelle Clubs, Museen etc. oder bestimmte Landschaften wie Wälder, Inseln, Küsten, Berge. Auf diese Weise finden sich auch virtuelle Vertretungen von aus der realen Welt bekannten Institutionen, Orten, Firmen, Personen, Filmen, Serien oder geeignete Orte für virtuelle Freizeitbeschäftigungen, die teilweise denen in der realen Welt entsprechen, wie Tauchen oder das Züchten von Pflanzen, virtuelle Aquarien, Musik aller Art, Modeläden für die Freunde des virtuellen Shopping etc., außerdem Kurse für Sprachen, Wissenschaften, Religion und Philosophie, und sogar für virtuelles Theater, und diverse virtuelle Universitäten. An manchen Orten gibt es Empfehlungen, weitere Orte desselben oder eines ähnlichen Themengebiets zu besuchen, ähnlich der Verlinkung im www.

Auch wenn dies nicht allzu kompliziert klingt und man sich an bekannten Mustern orientieren kann, kann es doch gelegentlich zu einer räumlichen Verwirrung führen, und so stellt sich immer wieder bei der Gestaltung von virtuellen Räumen die Frage nach Navigationssystemen und Orientierungsmarken. Manchmal wäre vielleicht ein so deutlicher Orientierungpunkt, wie es für die Seefahrer früherer Epochen der Polarstern war, auch für virtuelle Welten wünschenswert.

 

 

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Anfrage an den Support vom Second Life, betreffend die Form des virtuellen Raums

 

 

Ticket Information:
Ticket
#:4051-6796035
Date
Created:9/9/2009 1:23 PM BST
Details:
Dear Sir oder Madam,
while trying to write an essay about the shape of virtual space in computer games and simulated environments, i have a question concerning the shape of the virtual space of the second life world: ist it flat, or a sphere? Does it have three dimensions, or more? Is there a virtual planet on which the land is situated, is it rotating around a virtual sun, and are there other suns and planets otherwhere? Or is the virtual space different from the physical solar systems? Is there a warped spacetime in the virtual world?
Best regards
Annette Bültmann

 

 

Von: no-reply@secondlife.com <no-reply@secondlife.com>
Betreff: Ticket #4051-6796035: Sent Final Resolution (Shape of Virtual Space)
Datum: Mittwoch, 16. September 2009, 20:44

We have solved your issue

Solution:Hi Annette

Thank you for your mail. You can find out all details about land in our knowledge base
https://support.secondlife.com. Land is sold in Island or on mainland. Different plots are different size in square foot. The world is flat rather than being spherical. The sunrises and falls inworld but you can choose to set your land to are particular time ie sunset.

Good luck with your research.
Best wishes

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