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Annette Bültmann
 
Seenlandschaften
 
Viele der natürlichen europäischen Seen sind nach der letzten Eiszeit entstanden, durch Schmelzwasser, das sich in Vertiefungen sammelte, die nach dem Rückzug der Gletscher zurückblieben. Viele Seen sind in Gletscherzungenbecken entstanden, sie werden Gletscherrandseen oder Zungenbeckenstauseen genannt. Durch Schmelzwasserströme unter dem Eis bildeten sich glaziale Rinnen, die sich später je nach Grundwasserstand mit Wasser füllten und Rinnenseen bildeten, die oft lang und schmal sind. Auch in Urstromtälern, die durch vom Rand der eiszeitlichen Gletscher aus abfließendes Wasser gebildet wurden, können sich heute Seen oder Moore befinden. Dazu kommen Seen vulkanischen Ursprungs, z. B. die Eifelmaare.
Viele dieser Seen begannen nach der Eiszeit zu eutrophieren, reicherten sich also mit Nährstoffen aus der Umgebung an.
Wenn das Verhältnis der Landfläche des Einzugsgebietes zur Seeoberfläche, der so genannte Umgebungsfaktor, klein ist, gelangen wenig Nährstoffe aus der Umgebung in den See, was hierzulande nur bei wenigen Seen der Fall ist. Dazu gehören das Pulvermaar und das Weinfelder Maar, zwei tiefe Eifelmaare. Das in der Nähe liegende Gemündener Maar war ursprünglich auch oligotroph, es trat dann in den 50er Jahren eine Eutrophierung auf. Durch Wasser reinigende Maßnahmen ist es inzwischen wieder als mesotroph zu bezeichnen.
Die Theorie der Seentypen geht zurück auf August Friedrich Thienemann (1882-1960), der nach Studien an den Maaren der Eifel und der Feststellung, dass je nach Sauerstoff- und Nährstoffgehalt unterschiedliche Tier- und Pflanzengesellschaften vorkommen, die Seen einteilte nach ihrem Nährstoffgehalt in oligotrophe, mesotrophe, eutrophe, dystrophe und hypertrophe Seen.
 
Oligotrophe Seen haben einen niedrigen Nährstoffgehalt, also einen niedrigen Gehalt an das Pflanzenwachstum fördernden Mineralien. Es werden wenig organische Substanzen produziert, der Sauerstoffgehalt ist hoch, das Wasser meist klar. Die Sichttiefe beträgt über 5 Meter. Beispiele sind viele skandinavische Seen, Bergseen und Maare.
 
Mesotrophe Seen haben einen mittleren Nährstoffgehalt, eine mittlere Sichttiefe von 3 - 5 Metern, und ein mäßiges Algenwachstum. Natürliche Seen mit einem Zu- und Abfluss sind oft mesotroph, da Nährstoffe ein- und auch wieder ausgeschwemmt werden können.
 
Heute sind die meisten Seen in Deutschland eutroph. Eutrophe Seen sind nährstoffreich, also reich an Phosphaten, Nitraten und organischen Substanzen, dadurch kommt es zu verstärktem Pflanzenwachstum, Uferbewuchs und Bodenschlamm. Das Wasser wirkt trüb durch Algen und anderes Phytoplankton, die Sichttiefe beträgt meist unter 2 Meter. Beim Zersetzen von abgestorbenen Pflanzen durch aerobe Bakterien wird Sauerstoff verbraucht. In eutrophen Seen kommt es daher häufiger zu Sauerstoffmangel.
Die meisten mitteleuropäischen Seen sind eutrophiert, z. T. auf natürliche Weise durch Nährstoffanreicherung im Verlauf von Jahrtausenden, aber v. a. durch menschlichen Einfluss, durch Nitrate und Phosphate aus der Landwirtschaft und aus Haushaltsabwässern, z.B. als Bestandteile von Kunstdünger oder Gülle und Waschmitteln.
 
Seen eutrophieren und verlanden auf natürliche Weise über lange Zeiträume. Durch die sich dabei verändernden Umweltbedingungen kommt es zu einer Sukzession , einer Abfolge von Stadien der Veränderung eines Biotops von Wasserpflanzengesellschaften bis hin zum Sumpf- oder Moorwald.
Gelegentlich können Hochmoore im Verlauf längerer Zeit aus verlandeten Seen entstehen, wenn der Torf über die Höhe des Grundwasserspiegels hinauswächst. Ab dann werden sie nur noch vom Niederschlag bewässert und heißen deshalb auch Regenmoore. Die Entstehung der norddeutschen Hochmoore begann nach der letzten Eiszeit, und besonders das milde und feuchte Klima im Atlantikum, der Wärmezeit vor ca. 8000 bis 5000 Jahren, begünstigte ihr Wachstum.
 
Hypertrophe Seen sind durch menschliche Einflüsse sehr stark eutrophiert, mit trübem Wasser und Faulschlamm, im schlimmsten Fall kommt es zu Fischsterben, es können sich Schwefelwasserstoff, Ammoniak oder Methan bilden, und das Gewässer kann "umkippen". In diesem Fall kann das ins Wasser gelangende Phosphat wegen andauerndem Sauerstoffmangel nicht mehr in das schwer lösliche Eisenphosphat umgewandelt werden, das sich normalerweise am Seeboden absetzt. Das Phosphat bleibt im Wasser und führt zu verstärktem Algenwachstum und steigender Überdüngung, Faulprozesse verbrauchen den restlichen Sauerstoff und das Gewässer wird schließlich zur lebensfeindlichen Umgebung für die meisten Tier- und Pflanzenarten, stattdessen können sich Colibakterien und Salmonellen vermehren.
Die Eutrophierung durch menschliche Einflüsse sollte also vermieden werden.
Der Trophiegrad kann bestimmt werden nach der Höhe der organischen Produktion, der Intensität der Photosynthese. Je nach Chlorophyllgehalt, Phosphorgehalt, Sichttiefe und Sauerstoffsättigung werden die Trophiestufen von Gewässern eingeteilt.
 
Außerdem gibt es noch die sog. dystrophen Gewässer, die einen hohen Gehalt an Huminsäuren aus Torf oder Rohhumus enthalten. Ihr Wasser ist stets sehr weich und braun gefärbt. Der Nährstoffgehalt oligo- oder mesotroph. Sie können in der Umgebung von Mooren, Heiden oder Wäldern mit Rohhumus, z.B. Kiefernwäldern entstehen. Charakteristische Pflanzen sind fleischfressende Wasserpflanzen der Gattung Utricularia, Wasserschlauch, die in ihren Fangblasen kleine Beutetiere wie Wasserflöhe fangen und dadurch weitgehend unabhängig sind vom Nährstoffgehalt des Bodens und des Wassers. Schwimmpflanzen wie die Seerose, deren Blätter auf dem Wasser schwimmen, mit Spaltöffnungen auf der Oberseite des Blattes, können aus der Luft Kohlendioxid und Sauerstoff aufnehmen. Das ist von Vorteil in Seen, in deren Wasser nur wenig Sauerstoff gelöst ist.
 
Schilfgürtel um Seen und Teiche bieten Schutz und Laich- und Brutplätze für Fische, Amphibien (Teichmolche, Teichfrösche und Erdkröten), Insekten (Libellen, Wasserwanzen, Mücken, Süßwassermilben, Kugelspringer) und viele Vogelarten.
 
An und in europäischen Seen leben nicht nur die häufiger zu sehenden Stockenten, Höckerschwäne, Blässrallen, Teichrallen, Haubentaucher, Möven und Fischreiher, sondern auch z.B. Wasserpieper, Rohrdommeln, Rohrsänger, Rohrschwirle, Seeschwalben, Nachtreiher, Kraniche, Eisvögel, Zwergtaucher, Krickenten, See- und Fischadler.
In an Seeufern wachsenden Bäumen (Weiden, Erlen, Birken, Eichen u.a.) und Sträuchern sind Schlaf- und Ruheplätze weiterer Vögel zu finden, an stadtnahen Seen z.B. Dohlen, Krähen und Tauben.
 
Nachts werden Seen besucht von vielen Fledermausarten, besonders der Wasserfledermaus und Teichfledermaus, aber auch von Zwergfledermaus, Mückenfledermaus, Rauhhautfledermaus, Mausohr, Abendsegler, Breitflügelfledermaus, Bartfledermaus, Fransenfledermaus, Zweifarbfledermaus und in der Nähe von Waldgebieten auch von der Langohrfledermaus.
 
In europäischen Seen leben diverse Fischarten wie Karpfen, Schmerlen, Schleien, Plötzen, Rotfedern, Barsche, Welse, Zander, Forellen, Hechte, Aale, Groppen und Bitterlinge.
 
Auch viele andere Tierarten wie Flusskrebse, Asseln, Ruderfußkrebse, Wasserflöhe, Teichmuscheln, viele Würmer und Insektenlarven leben an und in Seen.
 
Die Seeufer können der Lebensraum sein für Säugetiere wie die Wasserspitzmaus und Wasserschermaus, an größeren Seen auch Biber, Fischotter, und für die ursprünglich vom amerikanischen Kontinent stammenden, inzwischen in Europa relativ häufig vorkommenden Bisam und Nutria.
 
In an Seen angrenzenden Wiesen- und Waldgebieten können auch viele andere Tierarten leben, wie Kaninchen, Hasen, Igel, Maulwürfe, Wanderratten, diverse Spitzmausarten, diverse Mäusearten, Eichhörnchen, Siebenschläfer, Wildschweine, Hirsche und Rehe.
 
 
Die Limnologie beschäftigt sich mit der Ökologie der Binnengewässer, ihrer Wasserbeschaffenheit und den Lebewesen, mit dem Stoffwechsel der im Wasser gelösten Substanzen, und dem Gewässerschutz.
Je nach Temperatur, Sauerstoffgehalt und Lichtintensität werden die Wasserschichten eingeteilt in Epilimnion, Metalimnion und Hypolimnion.
Topographisch werden die Gewässer eingeteilt in Pelagial und Benthal.
Der Freiwasserbereich von der Seemitte bis zu den Uferpflanzen wird als Pelagial bezeichnet. Die Lebewesen des Pelagial werden bezeichnet als Plankton, wenn sie im Wasser mit den Strömungen treiben, und als Nekton, wenn sie frei schwimmen durch Eigenbewegung auch gegen Strömungsrichtungen.
In den obersten Schichten des Wassers treibende Lebewesen werden als Neuston (einige Millimeter unter der Wasseroberfläche) und Pleuston (auf dem Wasser treibend) bezeichnet.
Schwimmpflanzen wie die Seerose, deren Blätter auf dem Wasser schwimmen, mit Spaltöffnungen auf der Oberseite des Blattes, können aus der Luft Kohlendioxid und Sauerstoff aufnehmen. Manche Tiere wie der Wasserläufer nutzen die Oberflächenspannung des Wassers, um darauf zu laufen.
Die Bodenzone eine Gewässers wird als Benthal bezeichnet, unterteilt bei stehenden Gewässern in das Profundal, die kalte und relativ dunkle sauerstoffarme Tiefenzone, bestehend aus dem Sediment und der darüberliegenden Wasserschicht, und das Litoral, das sich bis zum Seeufer erstreckt. Es erhält genügend Licht zur Photosynthese und kann also von grünen Pflanzen besiedelt werden.
Die in der Benthalzone am Boden von Gewässern lebenden Tiere und Pflanzen werden als Benthos bezeichnet, sowohl bewegliche als auch festsitzende Bodentiere und Pflanzen. Die Tiere werden Zoobenthos, die Pflanzen Phytobenthos genannt. Benthische Pflanzen benötigen Licht zur Photosynthese und sind daher nur bis in Tiefen von bis zu 200 Meter zu finden.
Typische benthische Lebewesen sind Algen, Schwämme, Hohltiere, Würmer, Schnecken, Muscheln, Krebstiere und bodenbewohnende Fischarten wie die Grundeln.