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Von: Arbeiterfotografie
Datum: 16. Juli 2008 00:12:42 MESZ
An: "Prof. Dr. Diethart Kerbs"
Betreff: Re: Iran hat keine Pläne, Israel anzugreifen
 
Lieber Diethard,
 
Deine eMail betrübt uns ein wenig...
 
Was meinst Du, wenn Du vom Eigenlob des iranischen Regierungschefs schreibst? Was hat die Aussage, daß der Iran keine Pläne hat, Israel anzugreifen, mit Eigenlob zu tun? Es geht darum, Informationen zu verbreiten, die sonst nicht oder kaum zu finden sind. Oder hast Du von dem, was unsere Meldung enthält, bereits vorher gewußt. Wie Du die Information bewertest, ist ja Deine Sache. Aber Du mußt die unserer Meinung nach wichtige Information erst einmal haben.
 
Du forderst uns auf, mit iranischen Emigranten darüber zu sprechen, ob im Iran Religionsfreiheit herrscht. Das haben wir getan. Eine Gesprächspartnerin war Katajun Amirpur, die gewiß eine Kritikerin der gesellschaftlichen Verhältnisse im Iran ist und die z.B. für die 'Süddeutsche Zeitung' schreibt und im Presseclub auftritt. Sie bezeichnete den Iran nach Israel im Nahen Osten als die zweitgrößte Heimat für Juden, in der sie ungehindert ihrer Religion nachgehen können. Ein Problem mit den Bahá'í hat sie nicht erwähnt.
 
Zwei Dinge sind uns bei der Lektüre des Zeit-Artikels besonders aufgefallen: es wird nicht geschildert, was genau den Verhafteten zur Last gelegt wird (es wäre zu prüfen, ob hier nicht eine Irreführung durch Weglassen wichtiger Information erfolgt). Und es ist bemerkenswert, daß sich die Zentrale der Bahá'í in Israel befindet.
 
Die Verhältnisse innerhalb des Irans sind aber, bei dem, was uns zur Zeit in erster Linie beschäftigt, nicht unser Hauptthema. Es geht uns um die Kriegspropaganda, die in einen (Atom-)Krieg gegen den Iran zu münden droht. Es geht um das Leben von Millionen Menschen im Iran. Natürlich ist Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen angebracht, aber nicht funktionalisierend zur Rechtfertigung eines mörderischen Krieges.
 
Lieber Diethard, Vorsicht mit der 'Gesellschaft für bedrohte Völker'. So genannte Menschenrechtsorganisationen sind vielfach der verlängerte Arm westlicher Geheimdienste. Und auch die 'Zeit' ist keine Garantie für Wahrheit. Im Gegenteil. Zum Beispiel steht der Zeit-Herausgeber Josef Joffe auf der Liste der 'Researcher' des 'Jerusalem Center for Public Affairs', einer Art israelischem Propaganda-Institut, das ganz maßgeblich die Falschübersetzungen des iranischen Präsidenten verbreitet.
 
Wir wollen nicht ausschließen, daß die Darstellung der 'Gesellschaft für bedrohte Völker' und der 'Zeit' zutreffend sein können. Aber auch wenn dem so wäre, gilt die Aussage von Arundhati Roy: jeder Staat hat seine Leichen im Keller; es ist nur die Frage, zu welcher Gelegenheit man sie hervorholt. Stell Dir mal vor, was alles bezogen auf Israel Tag für Tag verbreitet werden könnte, wenn es der Interessenlage entspräche - oder bezogen auf die USA. Über das Vorgehen gegen die palästinensische Bevölkerung oder die indianische oder die Schwarzen ließen sich sicherlich noch viel erschreckendere Artikel verfassen.
 
Grundgedanke der von Willi Münzenberg initiierten Arbeiterfotografenbewegung war es, dem gängigen verzerrten Medienbild entgegenzuwirken. Übrigens: hast Du unseren Rundbrief erhalten? Deine eMail und die dort wiedergegebe Laudatio von Georg Meggle stehen in krassem Widerspruch zueinander. Deine Meinung zu seinen Ausführungen würde uns sehr interessieren.
 
Wir sollten uns - neben dieser schriftlichen Korrespondenz - bei Gelegenheit auch mal persönlich austauschen...
 
Mit besten Grüßen
Anneliese und Andreas
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