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Diethart Kerbs

Erinnerung an Rudi Dutschke

Mit Fotografien von Jörg Boström

Nun ist es amtlich: vierzig Jahre, nachdem eine verhetzter Jungarbeiter aus München extra nach Berlin gereist war, um die Symbolgestalt der Studentenbewegung niederzuschießen, bekommt Berlin eine Rudi-Dutschke-Straße. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beendete am 21.IV.2008 den Rechtsstreit um die Umbenennung der einstigen Kochstraße im traditionsreichen Berliner Zeitungsviertel. Nun bekommen sowohl die „Tageszeitung“ als auch der Springer-Konzern, dessen Boulevardblätter damals gegen die Studenten hetzten, eine neue Anschrift. Und der Berlin-Tourismus bekommt für seine Stadtrundgänge und Sight-Seeing-Busse einen attraktiven Haltepunkt und Erinnerungsort zur Geschichte der Stadt: die Ecke Axel-Springer-Str. / Rudi-Dutschke-Straße. Es ist ein später Triumph für alle, die damals gegen den Springer-Konzern demonstriert haben, und für die Tageszeitung, die vor vier Jahren den Umbenennungsantrag auf den Weg durch die Instanzen brachte.

Bild hat mitgeschossen“ riefen vor vierzig Jahren die Studenten, die am Abend nach dem Attentat die Springer-Verlags-Zentrale an der Kochstraße belagerten und die Auslieferung der Zeitungen behinderten. Rudi Dutschke überlebte schwer verletzt, er starb 1979 an den Folgen der Schüsse. Der Attentäter hatte im Gefängnis Selbstmord verübt.

Exakt zehn Tage zuvor war am 11. April 2008 an der Stelle, an der nach den Schüssen auf Rudi Dutschke sein Fahrrad liegen geblieben war, mit einer Demonstration an das Attentat erinnert worden.

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Die westberliner Geschichtswerkstatt hatte zu einer Fahrraddemo aufgerufen, der Landesverband der Grünen legte auf der Gedenktafel am Bürgersteig Blumen nieder. Es sprachen Jürgen Karwelat von der Geschichtswerkstatt, Gretchen Dutschke (Rudis Witwe), Claudia Roth und Christian Strröbele von den Grünen. Auf dem Kurfürstendamm nahe der Ecke Joachim-Friedrich-Straße wurden etwa 200 Fahrräder niedergelegt, etwa eine Viertelstunde lang war der Verkehr blockiert.

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Unter den etwa 400 Teilnehmern dieser Gedenkveranstaltung dominierten die grauen und die weißen Haare, also die damals 20-30-Jährigen, heutige Studenten waren kaum zu sehen. Freilich war zu der Veranstaltung erst relativ kurz zuvor per e-mail aufgerufen worden.

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Immerhin waren zwei Fernsehteams und an die zwanzig Pressefotografen anwesend, die jeder sicher zwei Dutzend Aufnahmen gemacht haben. Was aus den rund fünfhundert Fotos wird, die da am 11.IV.2008 zwischen 15 und 17 Uhr auf dem Kurfürstendamm aufgenommen worden sind, wissen die Götter. Nach nicht einmal zwei Stunden war alles vorbei.

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Gretchen Dutschke (Rudis Witwe)

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An der Stelle des Attentats blieben ein Haufen Blumen und die in den Bürgersteig eingelassene Gedenktafel zurück.

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von links nach rechts: Urs Müller-Plantenberg, Diethart Kerbs, (beide Jg.1937), Ulrich K.Preuss.(Jg.1939).

In Berlin-Kreuzberg wird es von jetzt an eine Rudi-Dutschke-Straße geben. Die Eigentümer, Manager, Redakteure und Angestellten des Springer-Konzerns werden nun damit leben müssen, dass Ihre Verlagszentrale direkt an dieser Straße liegt: eine subtile Rache und ein schönes Symbol.