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Virtuelles Magazin 2000

 

Jörg Boström

Zur Erinnerung: Werk Kunst Schule Bielefeld

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Martin Roman Deppner, Andreas Beaugrand.

 

Für mich war die Ausstellung eine neue und informative Präsentation der Geschichte des Fachbereichs, an dem ich so lange gearbeitet hatte und die ich so doch nicht kannte. Nicht die Zeit vor meiner Zeit. Tatsächlich bin ich von einem Projekt ins nächste gegangen besser gesprungen und hatte weder Luft noch Lust für eine Rückschau auf die nicht unbedingt graue Vorzeit. Die habe ich jeweils mit Ausstellung und Buch nachgeholt. Und natürlich dominiert in einem Historischen Museum die ältere und die „Frühgeschichte“. Sie wirkt seriös, nach Werkbund, respektabel. Ist und war aber eben nicht meine Welt. Vielleicht ein Glück für meinen Start, dass ich sie nicht kannte und mich ihr auch nicht verpflichtet fühlte. Die Verschiedenen Zeiten haben eben auch jeweils ihr eigenes Gesicht. Die letzten 30 Jahre im Buch"Werk Kunst" sind dafür in flottem Zeitraffer mit immer neuen Wendepunkten spannend dargestellt. Auch dies eine sicher anstrengende Sammel- Formulier- und Gestaltungsarbeit. Diese Lektüre ist anstrengend aber packend. Ich stelle das Buch in meine Hände wie eine historische Tafel, ein Fundstück oder ein Labtop, drehe, senkrecht, wagerecht, wende nach links und rechts, rauf und runter und springe von Datum zu Textteil zu Bild zu Gruppenfoto zu cover Repros und lasse die erlebte mit gestaltete Vergangenheit wie einen Film in Schnitt- und Assoziationsketten durch meine Ganglien flitzen. Erinnerungsspiele. Der Einstieg auch mit den sachlichen und zugleich lyrisch anmutenden Bildern, subjektiven An- und Ausschnitten spiegelt die neue Zeit auch nach meiner Zeit. Leichter, duftiger, heller, farbiger, wie die junge Fotografie mit ihrem Touch zum „Beiläufigen“. Sicher muss man die „68er“ Zeit nicht immer wieder so darstellen, wie sie sich damals gerne präsentierte mit ihrem Trend zum Skandal und Fundamental Protest. Auch der dieser politische Expressionismus hatte seine Zeit und seinen Stil. Mancher ihn wohl schmerzlich vermisst.

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Selbstdarstellung der Gruppe KUPO. Kunst und Politik.

Dass die historischen Möbelecken, Stuhlgruppen, Gläserreihen, Wandteppiche in alter Würde in Ausstellung und Buch daher kommen, muss nicht unbedingt auch den letzten 30 Jahren ihren jeweiligen Zeitstil abverlangen. Ich sehe auch unsere alten Sachen gern mal wieder etwas aufgefrischt. Manch einer sah wohl die alte Zeit nicht ihr entsprechend repräsentiert. Sicher sind die Zeiten davor umfangreicher und leseleichter dargestellt. Im Buch und besonders in der Ausstellung. Es was eben eine Zeit der Werkkunst.

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Ich sah viele noch ältere Besucher (älter als etwa ich) in vorsichtigen und aufmerksamen Schritten durch die alte Wohnkulturwelt schreiten.

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Die neuere, unsere und die gegenwärtige Zeit passte wohl räumlich und konzeptionell nicht in dieses eben doch historische, nicht gegenwärtige Institut. Die im weißen Raum im Zufallsprinzip dargestellte Kollegenwelt machte Spaß, auch ohne viel Geduld. Huch, da ist der, die, ooohh, da bin ich ja schon wieder. Wer ist doch der oder die. Namen vergessen oder neu. Noch nicht gelernt. Ein Jonglieren mit der letzten Zeit und mit der Zeit selbst auf vernetzten Flächen, welche immer neue Projektionen anregen.

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Eine schöne Geburtstagsparty mit anschließenden Tischgesprächen, wo man und nachdem man mit so vielen Freunden und Kollegen (/innen unvergesslich) wieder erkannt und wieder erinnert sich treffen und austauschen konnte.

Mal wieder Bielefeld.

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Dieser Leserbrief zeigt wohl sehr deutlich und liebevoll, dass diese Ausstellung eben ein alter Schuh ist und nichts zeigt über unsere Zeit. So ist es eben und nicht zu korrigieren. Ich versuche immer wieder, eine Diskussion anzuregen, um neues Leben und Informationen einzubringen.

Dazu noch eine Seite für die Fotografie.

Es geht um die Anbindung des meist unverbindlichen Mediums Fotografie an die gesellschaftliche Wirklichkeit. Es geht auch um die Darstellung von Lebensverhältnissen und Konflikten. Nicht nur um die Darstellung sondern auch um die Zielsetzung einer Veränderung. Methode dieser Arbeitsweise ist das Projektstudium. Studenten und Lehrende bilden eine Arbeitsgruppe, welche ein ausgewähltes und oft von den gesellschaftlichen Verhältnissen vorgeschlagenes Thema recherchiert und an den aktuellen Orten fotografisch untersucht und begleitet. Zur Zeit wären es z.B. die Zusammenhänge des G8 Gipfels in Heiligendamm, die Demonstrationen in Rostock, die Zäune und Sperren, die Hoffnungen und Zweifel. Im weiteren Verlauf der Projektarbeit wird die Vermittlung der Bilder und Inhalte geplant und realisiert. Ausstellungen möglichst an betroffenen Orten, Diskussionsveranstaltungen, Publikationen in Zeitschriften und Büchern. Der methodische Ansatz im Projektstudium ist interdisziplinär. Fotografie, Film, Grafik Design, Typografie, Kulturgeschichte und Kommunikationstheorie kommen in Schnittstellen zusammen. Lehrende der jeweiligen Fachgebiete sind an den Projekten beteiligt.

Die Studierenden lernen durch ästhetische Praxis im Projektstudium

- im Team zu arbeiten,

- ihre technischen und ästhetischen Kompetenzen an der Realität zu entwickeln und zu überprüfen,

- mit den Lehrenden als gleich berechtigte Partner zu diskutieren und Konzepte zu entwickeln,

- ihre eigenen Begabungen zu erproben und weiter zu treiben,

- durch Präsentationen und Publikationen ihr fachliches Profil zu erarbeiten,

- mit bestehenden Medien wie Zeitschriften, Verlagen, Museen, Fernsehen Kontakt aufzunehmen,

- ihre beruflichen Möglichkeiten zu erproben und den Einstieg ins Berufsleben vorzubereiten.

Realisiert wurde dieses Lehr- und Forschungskonzept an Projekten wie:

- Rettet Eisenheim, Ausstellung, Film, Buch.

- Wer macht Schalke kaputt?, Ausstellung, Film, Buch.

- Bruckhausen. Ein Stadtteil kämpft, Film, Ausstellung.

- Roma und Sinti, Ausstellung, Buch.

- Reise in die Sowjet Union, Ausstellung mit Fotografen aus Litauen, Lettland, Russland, Buch.

- DDR Bilder, Ausstellung mit Studierenden und Lehrenden aus Leipzig HGB.

- Kunst im Knast, Ausstellung, Buch.

- Der steinerne Prometheus, Ausstellung, Buch.

- Das Lächeln der Prometheus, Ausstellung, Buch.

- Mit der Absicht des Schöpfers hat es höchstens zufällig etwas zu tun, Mozart in Tonspuren und Bildräumen, Ausstellung, Buch..

- Industriearchitektur in Bielefeld, Ausstellung, Buch.

- Schadhaftes, Ausstellung, Buch

.Mir erscheint noch immer das aus der Zeit der Theorie und Praxis visueller Kommunikation im Zuge auch der Studenten Bewegung entwickelte Konzept des Projekt Studiums, das sich besser als viele Theorien der siebziger Jahre in der Praxis bewährt hat, auch in der gegenwärtigen Situation bedenkens- und realisierenswert zu sein. Soweit eine Seite der Fotografie, die noch viele andere Seiten hat.

Das Buch zur Werkkunst ist zu finden und zu lesen unter:

 

http://www.amazon.de/gp/reader/3923830629/ref=sib_dp_pt#reader-link

Ausstellung im Historischen Museum

Werkkunst. Kunst und Gestaltung in Bielefeld 1907-2007.

14. Oktober 2007 bis 10. Februar 2008

Info: http://www.fh-bielefeld.de/fb1 und

http://www.historisches-museum-bielefeld.de