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Jürgen Meier
 
Erst Hermann, jetzt Schmidt und Pocher. Wer dann?
 
Die Sprachhygieniker des Neoliberalismus erregen sich. Sie mögen nicht, wenn über sie gelacht wird. Da erfinden Schmidt-Pocher einen "Nazometer", der bei Begriffen wie "Wolfsburg", "Autobahn", "Duschen" oder "Gasherd" deutlich ausschlägt. Schmidt, der in seiner Sendung am 20. Oktober die Diktatur der Nazis als "Hölle" bezeichnete, würde gehörig sein Recht als Satiriker überziehen, wenn er die Uniform der Nazis "als irgendwo geil" bezeichnete, protestierte der Zentralrat der Juden in Deutschland und der HR-Rundfunkrat Alfred Möhrle schimpfte: "Die ganze Sendung ist undiskutabel". Sie soll gekippt werden. Zuvor war Eva Hermann, als sie in Hinblick auf die deutsche Presselandschaft von "Gleichschaltung" sprach, aus der "Kerner" Sendung geflogen. Wozu diese Aufregung? Entspricht es denn nicht den Tatsachen, dass das Meinungsmonopol in den Händen weniger Großkonzerne liegt, die in allen Medien uns den Kapitalismus als beste aller Gesellschaften verkaufen wollen. Diese Medienanstalten selbst definieren den Faschismus, den sie "Drittes Reich" oder "Nationalsozialismus" nennen, als eine böse Infektionskrankheit, die sich in schlimmen Wörtern verbirgt, wie sie von Schmidt-Pocher-Hermann in den Mund genommen werden, und die angeblich in Familien gedeihen sollen, in denen nicht mehr musiziert und gelesen wird. Der Faschismus ist aber keine verbale Krankheit, kein Verbrechen, kein Ausdruck mangelnder Bildung. Er ist keine über den Klassen stehende Macht. Auch keine Macht des Kleinbürgertums oder des Lumpenproletariats über das Finanzkapital. Der Faschismus Hitlers war die Macht des Finanzkapitals selbst. Wenn dieses Finanzkapital - es existiert, wenn auch in anderem Gewand, ja noch immer -, sich durch permanent streikende Bahnarbeiter und protestierende Billiglohnempfänger dermaßen in die Ecke gedrängt fühlt, dass es glaubt, diesen rebellierenden Mob nur mit strenger Hand in seiner autonomen Bewegung befrieden zu können, werden demokratische Rechte abgebaut. Stück für Stück. "Agenda" oder "Reform" wird das zunächst genannt, bevor dann Gewerkschaften zerschlagen und verdächtige "Terroristen" eingesperrt werden.
Die Sprachhygieniker, die sich jetzt als Antinazis aufblasen, sind die akademischen Akteure dieses Finanzkapitals. Schmidt-Pocher machen sich nicht über die Faschisten und ihre unmenschliche Schandtaten lustig, sondern sie "verarschen" diese akademischen Saubermänner. Was diese gar nicht mögen. Schmidt-Pocher leben ein demokratisches Recht das verteidigt werden muss! Man muss Schmidt-Pocher ja nicht mögen. Aber wenn sie, anders als sonst üblich, nicht wegen schlechter "Quote", sondern wegen ihrer "undiskutablen" verbalen Satire vom Sender genommen werden sollen, ist das ein Angriff auf die Redefreiheit, die sicher die Zustimmung von Minister Schäuble findet, der uns bald alle auf den Gebrauch anständigen Vokabulars kontrollieren wird. Hier entartet bürgerliche Demokratie immer deutlicher zur Diktatur. Oh je! Wieder so ein, nein, zwei unanständige Wörter! Entartet zur Diktatur! Das darf nicht gesagt werden. Der Autor ein Terrorist?