Zum InhaltsverzeichnisVirtuelles Magazin 2000 

Jörg Boström

Ein Widerspruch im Gegenwind.

Beobachtungen und Gedanken beim Kongress der Arbeiterfotografen in Erfurt zum 80. Geburtstag des Verbandes

Schon immer im Widerspruch. Gegen den Mainstream der BRD und ihrer Kommerz gestrickten Fotografie. Die Tagung hatte interessante Referate, Diskussionen und provozierende Inhalte. Starke Resonanz der Presse. Aber wenig Zuhörer. Der gut organisierte Rahmen war zu weit geraten. Gründe kann man vermuten. Die Linkspartei, vertreten durch Luc Jochimsen, hatte zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls eine Tagung. „Linke“ interessierte waren nun dort aber nicht hier. In der DDR, im „Osten“ also, wurde zwar die Arbeiterfotografie 1927 gegründet, nach Kriegsende aber nicht neu ins Leben gerufen. In der BRD als Organisation des Widerspruchs auch von der DKP unterstützt, in der DDR war Widerspruch nicht angesagt und Bestätigung nicht das Thema engagierter Fotografie. Sie entwickelte sich im Bereich der Hochschule z. B. in Leipzig als realistische Fotokunst. Die Tagung hätte mehr Zulauf gehabt in Hamburg, Köln oder Bremen, wo die Arbeiterfotografie stärkeren Rückhalt hat. Aber da ist sie eben nicht geboren. Wir sprechen darüber an den Abenden. Auch bei Bier und Wein.

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Anne Fikentscher, Andreas Neumann, Vorstand AF, Peter Mönnikes, AF Archiv Paderborn.

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Jochen Vogler. Vorstand Arbeiterfotografie

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Andreas von Bülow, Ex-Bundesminister, Referat über Beeinflussung der Medien durch Geheimdienste und Lobbyisten.

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Podium mit Luc Jochimsen, Walter von Rossum, Anneliese Fickentscher, Andreas Neumann

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Die Realität und die Täuschung der Medien ist eins der Themen. Das Phantom Bin Laden als Doppelexistenz und Fälschung. Der Einsturz der Zwillingstürme in NY. Widersprüchliche und unfreiwillig verräterische Dokumentationen. Schuld und Unschuldvermutung in Politik und Tod von Milosowicz. Medienanalyse und der Versuch politischer Positionierung im Weltgeschehen. Fotografieren kann man nur das Gegenüber. Und das Mittendrin. Wir sehen Fotoserien von Protest und Demonstration. Das machen allerdings auch die Bildjournalisten. Die andere Arbeit der Arbeiterfotografen? Es fehlen die Menschen von Nebenan. Die Erfurter, Hamburger. Kölner in ihrem Alltag, ihrer Lebensform und Not. Die klassische Arbeiterfotografie brachte die Arbeiter und ihre Familien ins Bild und in die Medien. Heute sind sie nicht mehr sichtbar und einige Wissenschaftler, auf die Medien fixiert, schließen daraus, dass es sie nicht mehr gibt. Nur das Fotografierte existiert. Geht doch nach Afrika. Da findet sie noch statt. Die engagierte Fotografie für die Rechte des Menschen und gegen Not und Hunger. Nur in der Zeitung, in der Statistik, nicht im Bild, lese ich noch gestern, das jedes 6. Kind in Deutschland unter der „Armutsgrenze“ lebt. Fotografie? Wo ist sie geblieben? Was ist die neue Bildsprache, die nicht mehr so oft das Elend in expressionistischer Bildform der dreißiger Jahre von der Straße auf den Filmbannen kann. Den Film gibt es auch nicht mehr in der digitalen Kamera. Welche neuen Bildformen sind zu entwickeln. Welche Vermittlungstechniken und Sammelformen bei schnell und immer wieder gelöschten Dokumenten? Das sind einige der Gedanken, die mir in Erfurt durch den Kopf zogen und die wir ansprachen. Untereinander. Noch nicht in offener Debatte.

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