- Zunächst zum Material, zu den Bearbeitungstechniken zu den Formen und Gebilden
- oder - vom ewigen kostbaren Stein zum vergänglichen armen Stoff
- Diejenigen, die Susanne Albrechts Arbeiten schon länger verfolgen, wissen, dass sie als Steinbildhauerin begonnen hat (und weiterhin immer wieder in Stein arbeitet). In ihren Wassersteinen verbindet sie den harten unbeweglichen Stein mit dem flüssigen beweglichen Wasser. Zeitlosigkeit und Flüchtigkeit werden so kontrastiert und gleichzeitig erfahrbar.
- Seit 2002 hat Susanne Albrecht begonnen mit abgelegter Kleidung zu arbeiten - einem in der Kunst seit Mitte der 50er Jahre zunehmend verwendeten "armen" Material (Pistoletto, Pop Art, Messager, Boltanski). In dem 2002 entstandenen E-Mail-basierten Kunstprojekt "Second Hand Dress. An international and interdisciplinary gender project on trading and using second hand clothes" hat Susanne Albrecht ein Netzwerk von 16 Künstlerinnen aus 11 Ländern initiiert, die alle zu einem Second-Hand-Kleid gearbeitet haben.
- Abgelegte Kleidung und aussortierte Stoffe sind auch der Ausgangspunkt für die seit 2003 entstandene Werkgruppe "Verdichteter Raum - Verlangsamte Zeit", aus der die hier gezeigte Installation hervorgegangen ist. Textilien, die häufig Spuren ihres Gebrauchs zeigen, werden dem Konsum entzogen. Manchmal ist noch zu erahnen, worum es sich gehandelt hat (Teppiche, Anorak). Sie werden zerschnitten, unterschiedlich dicht aufgewickelt und so in neue zweckfreie Produkte transformiert. Bei den häufig großen, meist einfarbigen Einzelobjekten wird auf jegliches stützendes Element aus Holz oder Metall verzichtet. In einem langwierigen, oft meditativen Prozess entstehen elementare skulpturale Formen wie Kugel, Kegel und Kreisel. Sie sind das Ergebnis einer extremen Verdichtung von Materie, die bis auf die äußere Schicht verborgen bleibt. Neuerdings sind kleinere Gebilde in einer Art Tropfenform dazu gekommen, einige davon mit einer durch Wachs versiegelten Oberfläche. Sie können sich miteinander zu Gruppen zusammenfinden oder zu Zwei- Drei- und Vierfüßlern verbinden. Trotz der strengen Formen haftet all diesen Objekten ihr voriges Leben als Gebrauchtsgegenstand/getragene Kleidung noch an. Bei der künstlerischen Transformation in zweckfreie Skulpturen bleibt immer ein unterschwelliger Rest der ehemaligen NutzerInnen dieser Stoffe und Kleidungsstücke spür- und wahrnehmbar. Dies schafft Irritationen und macht die Objekte unheimlich im Sinne von Freuds Schrift "Das Unheimliche" aus dem Jahr 1919. Darin hat Freud dargelegt, dass das heimliche/heimelige das unheimliche immer schon in sich trägt.
- Dies gilt noch mehr für drei Objekte in der hier aufgebauten Installation, bei denen gebrauchte ältere Sitzmöbel - ein Kinderstuhl, ein Hocker und ein Stuhl - partiell mit Stoffbahnen umwickelt sind. Massenhaft hergestellte Typenmöbel weisen durch die Wicklungen und Verknotungen ganz individuelle Spuren auf. Susanne Albrecht hat sich bei diesen Arbeiten vorgestellt, dass die Lebensspuren und Verhaltensweisen derer, die die Sitzmöbel nutzten, sich hier materialisiert haben könnten - das hampelnde, zur Ordnung gerufene Kind und seine inneren Verknotungen zum Beispiel. So wie sich bei einer Holztreppe die Abnutzung durch Laufspuren an Mulden erkennen lassen, so die Körper- und Seelenbewegungen hier durch Buckel und Verdichtungen. Eine unheimliche Vorstellung, die mich an Oskar Wildes Bild des Dorian Gray erinnert, in das sich die Ausschweifungen und Untaten des Dorian Gray einschreiben, die bei dem schönen leibhaftigen Dorian nicht zu sehen sind.
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