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Jörg Boström Verlangsamung der Zeit In bewegten Bildern von Rebecca Horn
Ein runder Tisch. Wie ein Fundstück. Ein Objet trouvee. Man geht weiter durch die Ausstellung von Rebecca Horn im Martin-Gropius-Bau. Geht man? Man bleibt besser stehen. Leicht bewegt sich die Tischplatte. Die dünnen Beine verschieben sich von schief zu gerade und weiter zu schief. Auch auf meinem Schreibtisch beginnt nun auch die Platte zu wanken. Gaaanz langsam. Hat sie etwas gelernt? Wenn man durch diese Ausstellung geht in der üblichen interessierten Eile hat man fast alles verpasst. Die Zeit, welche sich in diesen zusammengefügten Objekten darstellt. Die gefühlte Distanz der Teile zueinander, die sich ständig kaum merklich verändert. Jeder Blick zeigt eine neue Verbindung. Man steht und schaut der Veränderung zu in einem Zeitabschnitt, der sich langsam dreht wie eine Uhr und der nach einem längeren Abschnitt wieder im Anfang mündet. Einem Anfang, den nur der Blick gesetzt hat und den es nicht gibt sowenig wie ein Ende. Der still gestellte Betrachter sieht nicht nur das zusammengefügte Kunstwerk. Er sieht die ständige Veränderung in drehenden Bewegungen. Langsam wie eine wachsende Blüte, die sich öffnet, verschließt, wieder öffnet in einem ewig scheinenden Prozess, der stufenlos kreist. Der Blick ist drehend wie das Sterngewölbe, Ursprung und Ende, immerfort das selbe. Das sagt Nietzsche. Rebecca Horns Kunst ist eine Begegnung mit der Zeit in ihrer unaufhaltsamen und zugleich immer wieder kehrenden Weise. |
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Auf einer schmalen Bahn bewegt sich ein Spiegel. Wie ein Bach, der die Menschen sehen und festhalten möchte in immer neuen Formationen. Langsam, sehr langsam schwankende Fläche lässt den Silberschimmer wie ein Lebewesen erscheinen. Wie eine Schlange, die als Spiegel vor uns fließt. Die Versuchungen des Spiegels waren immer weit gefährlicher für uns narzistische Wesen als ein saurer Apfel. Das Paradies endete mit der süchtigen Selbstbetrachtung. |
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Auf einer riesigen Wandfläche malt eine fast unsichtbare Installation ein immer dichter werdendes Liniengespinst, das ebenso pflanzlich erscheint wie es ein wachsendes Haarbündel einer antiken Riesin sein könnte. Kämmen ausgeschlossen. Das Wilde, das vom gelenkten Zufall geschaffene tierhafte Zeichenwerk entsteht aus der Verbindung von Mechanik und organischem Gewebe. Wie in fast allen dieser gewebten und bewegten Werke ist die Technik der Zeitdarstellung mit dem biologisch anmutenden Bild eine untrennbare Verbindung eingegangen. Darin hier, an einer dem Besucher nahen Stelle in Augenhöhe ein auch langsam sich regendes Gespinst aus Notenblättern. Die zarte, mechanische Musik der Liebe. Les Amants. |
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Les Amants, Teilstücke, 1991 |
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Man muss ruhig stehen. Mit der Zeit sehen, um Werke zu erleben, die sich langsam und stetig verändern, bis nach Minuten ein Kreis der Gestaltung sich zu schließen scheint und wieder öffnet in einem ununterbrochenen Lebenslauf. In unendlich scheinender Ruhe und ewig scheinender Bewegung. Eine Ewigkeit eine Ausstellung lang. |
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Knuggle Dome for James Yoyce, 2004 |
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Der Zwilling des Raben, 1997 |
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Rebecca Horn mit Gästen, Martin-Gropius-Bau, 4.10.2006 |
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Yin and Yang drawing the Landscape, 2001, Ausschnitt |
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Zwei riesige Pinsel, gesteuert von oben, woher auch immer, malen und malen. Das Zeichen der sich verschränkenden Formen in Scharz und Weiß ensteht. Yin und Yang. Die Einheit im Gegensatz. Asiatische und europäische Denkformen begegnen sich in den Arbeiten der Künstlerin. Ein still bewegtes Gedankenspiel der Sinne. |
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Rebecca Horn Zeichnungen, Skulpturen, Installationen, Filme 1964–2006 Ort: Martin-Gropius-Bau 5. Oktober 2006 – 15. Januar 2007 |
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