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Jörg Boström

Weine bei Sanssouci

Ein Freund hat mich eingeladen. Ohne Sorgen. Gegenüber dem Haupteingang am Park Sanssouci liegt die VILLA ARNIM, 1860 erbaut von dem Architekten Ferdinand von Arnim. Für sich erbaut. “So ziemlich das Edelste, was Potsdam zu bieten hat", meint “Die WELT" am 22.5.2003. Der Architekt hat es gut mit sich gemeint. Sie ist noch immer edel. Und edel sind die Weine, welche der Edle Stéphane de Castelbajac zur Verkostung aufgebaut hat. Geladene Gäste und ihre Begleiter, Freunde und Frauen. Eine soirée aenologique mit Weinen Südfrankreichs.

Der Edle Stéphane de Castelbajac beschreibt die Besonderheiten. In französicher Sprache. Urs R. Michalke übersetzt. Die Beschneidung der Pflanzen, um nur das Beste wachsen zu lassen. Die Auswahl. Die Sorgfalt der Ernte. Die jahrelange Lagerung in edlen alten Fässern, bis der Geschmack des Holzes durch das Aroma schimmert. Die Jahrgänge. Die Unterschiede. Die Geschmacksrichtungen.

Man probiert in kleinen Schlucken. Wedelt mit dem Glas. Schnuppert. Wickelt die Zunge sorgfältig um die fließende Probe. Neutralisiert mit leichtem Gebäck. Nimmt die andere Sorte. Schließt die Augen. Nickt. Verbeugt sich leicht. Der Meister der Filmkamera Thomas Mauch, bekannt auch durch Filme mit Werner Herzog und Klaus Kinsky, testet die Abtönungen der Rotweine mit Stéphane de Castelbajac.

Man wandert weiter durch diese Räume im Stile preußischen Adels. Prunkvoll und karg zugleich. Streng, beherrscht, Haltung einfordernd. Augenpendeln zu anderen Kennern. Wie genau, wie kritisch, wie einfühlend ist der Geschmack. In welche Zwischentöne kann man sich versenken? Bleiben sie erhalten im eigenen Hause am Kamin? Was bleibt von der Vorführung, der Verführung? Bordeuax CASTELBAJAC 2003 rouge, barrique, Medoc CASLBAJAC 2003 rouge, Còtes du Marmandais CASTELBAJAC 2002, rouge, Bordeaux CASTELBAJAC 2002 blanc barrique, Chateau CATEGENS 2003 Còtes de Castillon, barrique und .....

Zwischen Potsdam und Frankreich vermitteln Friedrich der Große, hier als Skulptur und Voltaire, nach ihm benannt ein Hotel in der Nähe. Die Sprachen mischen sich, die Gespräche verbinden, die Politik und die Philosophie schimmert golden und rot durch die Weine. Es gab diese preußisch französische Verbindung und es gibt sie wieder. Dazwischen zwei vergebliche Kriege.

An die preußische Wissenschaft im Abenteuer erinnert Alexander von Humboldt als edle Kopfskulptur. Vor seinem Porträt an der Wand. Ein gedoppelter Gelehrter. Die Lampen strahlen ein sanftes Licht. Die Menschen rücken zusammen und verraten Geheimnisse des Genießens und der Enttäuschung. Morgen, draußen, ist das Wetter wieder da, schlicht und grau. Aber die Weine wirken nach und folgen uns in ihren Kisten. Die zwölfte Flasche in einer Kiste gibt es gratis.

Da war doch noch etwas. Ja. Mit meinem Kommilitonen Gerd Seyde war ich Erntearbeiter bei Bordeaux. 7. Semester. Entlang den Reihen schneidend die Früchte. Später trug ich den Korb auf dem Rücken von Reihe zu Reihe und dann zu den Wagen. Mittagessen an langen Tischen mit Fleisch, Käse und Brot. Und natürlich Wein. Zeichnungen, Tusche und Stift. Die halbe Mappe voll für das Examen. Eine ertragreiche Ernte. Es ist mir seitdem immer wieder der Wein eingefallen. Bis heute. Noch jetzt heute Abend. Der Rote.