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Jörg Boström

RUNDLEDERWELTEN - kleiner Rundgang

Dieses kulturelles Ereignis im Martin-Gropius-Bau, Berlin stellt eine Verbindung her zwischen Fußball und Kunst. Anlass und Rahmen bildet die Fussballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. André Heller, Projektleiter, Gerhard Schröder, noch Bundeskanzler und Dotothea Strauss, Kuratorin, eröffnen die Ausstellung. Geladene Gäste aus Politik, Kultur und Sport, sowie beteiligte Künstler geben ein dichtes, gesellschaftlich anregendes Bild. Es fehlen offenbar die aktiven Sportler, etwa die Mannschaft von Hertha BSC. In erster Reihe sieht man neben den Vortragenden auch Franz Beckenbauer, Otto Schilly und andere Politiker. Im Anschluss ein Rundgang. In Ausschnitten.

Satch Hoyt, *1957, PANALTY, 2005, ein Torschütze montiert aus Zungen von ADIDAS-Fußballschuhen. Die Figur stellt den sieghaften Moment eines dar und regt an zur gestischen Nachahmung.

Michael Staab, *1962, zweites Bild, stellt ein Organisation-Büro für Desinformation in einen Raum. Mittelpnkt ist ein großer Schreibtisch, der sich als Billardtisch präsentiert. Eine grüne Fläche, auf der auch Kugeln rollen. Eine freundliche Frau steht für jede Art von Fragen und Auskünften zur Verfügung. Sie notiert, nickt, sagt zu und sammelt die Anfragen und Notizen. Die Besucher können Spielausgänge wünschen und Eintrittskarten bestellen. Die junge Frau scheint alles organisieren zu können und gerade das macht deutlich, das sie es eben nicht kann. Im Laufe des Projekts erscheint ihr Gesicht immer verletzter. Ein Auge hat einen blau geschwollenen Rand. Ein Blutgerinsel entsteht unter ihrer Nase. An der Wand hinter ihr hängt eine Tabelle mit Spielergebnissen der Endrunde der Weltmeisterschaft 2006. Die Menschen werden auf irritierende Weise eingebunden in ein organisatorisches Labyrinth. Ein Spiel mit dem Spiel, ein Ornament der Masse mit individueller Beratung.

Im Verhältnis 1:10 stellt Karin Sander, *1957, links im Bild, ein Fußballmanschaft auf hohe weiße Sockel. Es sind Frauen. Fußballerinnen. Die Verkleinerung stellt sich her in digitaler Computertechnik. Die Figuren erscheinen in ähnlicher Größe, wie sie uns auf dem Fernsehschirm begegnen, ohne dass uns dabei die Verkleinerung bewusst wird. Abbildungen in Katalogen machen diese Größenspiele anscheinend auch wieder rückgängig, wenn sie nicht in Vergelich zu Menschen gesetzt werden.

Maria Lassnig , *1919, malt immer neu sich selbst in radikalen Formen. Seit Mitte der 90er Jahre beleben immer wieder Fußballerinnen in heftiger Bewegung Papier und Leinwand. "Selten sonst bäumt und streckt, schwillt und dehnt sich Wirklichkeit im Körper so extrem und dauerhaft wie in seinem Kampf gegen Erschöpfung und Niederlage." Dietrich Roeschmann

Boris Mikhailov, *1938, fixiert in satirischen und grotesken, inszenierten und ertappten Momenten die Spiele mit dem Ball, von der Geburt des Balles über aggressive Balanceakte bis zu erotischen Satiren mit der berühmten Rundung. Auch ein Hund verschluckt sich fast daran.

Während die berühmten siegreichen Fußballhelden der Weltmeisterschaft in winzigen, gschnitzten Figuren, entworfen und beauftragt von Werner Büttner, *1954, geschnitzt vom etwa fünfzigjährigen Uki Haiti, Parade steht, werden sie auf überlebensgroßen Fotografien von Volker Schrank, *1965 als aufblickende Senioren dargestellt, die sie heute sind, gesteckt in ihre damaligen, nun alertümlich wirkenden Trikots. Gesammelte Helden. Vor ihnen haben die Kuratoren ein gebrochenes Tor plaziert, das der Franzose Jaques Julien,* 1967, ergänzt mit absinkendem Netzwerk zusammengefügt hat.

In nun wieder fast klassisch anmutender Malerei stellt Thomas Werner, *1957, Fußballszenen ins Bild, welche als visuelle Mischungen erscheinen aus Fotografie, virtueller Verzerrung und Spraybild.

Den Ball rollen im komplexen Sinne des Wortes lässt der Schweizer Daniel Buetti, *1955. Eine sich immer neu nach der Lage des Balles richtenden Spielfläche lässt ihn sich in ständigem Wechsel unberechenbar bewegen und doch niemals auf den Boden entkommen. Für ihn gibt es kein Aus. Nur beim dritten sah der Schreiber ihn zu Boden knallen, schnell wieder ins Spiel gebracht vom schnellen Aufseher.

Zuletzt fndet sich der Fotograf und Schreiber dieses kurzen Berichts, Jörg Boström, *1936, wieder in einer Fotografie, Fußball-Halde, 1980. Ein Spiel obdachloser Kinder zwischen aufgetürmten Bergen von Kohle, um die es auch immer wieder geht in diesem fortwährenden Kampf um den Ball.

RUNDLEDERWELTEN; Martin-Gropius-Bau Berin, 20.10.2005 - 8.1.2006