Zum InhaltsverzeichnisVirtuelles Magazin 2000 

Jörg Boström

Erinnerungen an den Papst, Münster Besuch 1. Mai '87

....und der Heilige Geist

Jörg Boström:

Man kann manchmal im Dialog besser einen Text entwerfen als direkt ins neutrale anonyme Papier. Ich habe ja wiederholt so etwas gemacht. Zuletzt mit Kim. Ich halte die Ordnung eines ethischen Regelwerks durch die Kirchen schon im Grundsatz für gut. Gefährlich und menschenfeindlich wird es dann, wenn das Transzendente das Diesseitige verdrängt, wie es zur Zeit mit dem Islamismus geschieht und wie das Christentum bei den Kreuzzügen, der Hexenjagd und der Bedrohung der Wissenschaft und ihrer Menschen in der Renaissance die Welt des eingebildeten Gottes zum Vorwand nahm, Unmenschliches im Namen des Himmels durchzusetzen, die Erde punktuell in eine Hölle zu verwandeln. Es gibt zum Glück immer wieder auch die kritische Kunst, die etwa Folterszenen unter der Regie von Bischöfen zeigt, im Namen Christi. Dieser Mann, auf den sie sich berufen, hätte sie aus dem Tempel gejagt.

Annette Bültmann:

Du meintest, dass Religionen irgendwie ganz praktisch sind wegen der Regeln, man aber nicht wirklich an einen Gott oder an Götter glauben sollte, weil das dann doch nicht gar so gesund wäre... aber vielleicht funktioniert das ja nicht ohne den Glauben? Weil, vielleicht ist es ja so, dass der Glaube oder die Verehrung für etwas das ist, was die Menschen an Religionen hauptsächlich interessiert, und die Regeln nehmen sie nur zusätzlich in Kauf... Oder vielleicht sind ein paar Regeln auch ganz angenehm, manchmal, dann muss man nicht ständig alles selbst entscheiden und darüber nachdenken. Aber die Verehrung ist doch das eigentliche Vergnügen, vermute ich, so wie es ja auch für Menschen eine Art Vergnügen ist, Popstars zu verehren, quasi als Ersatz für Götter oder Heilige... das macht ihnen vielleicht einfach irgendwie Spaß, aus welchem Grund auch immer?

Jörg Boström:

Der Papst ist tot. Es lebe der Papst. Ich werde versuchen, Eindrücke von seinem Besuch in Münster zu schreiben, wie ich ihn damals erlebte und wie ich ihn heute erinnere und sehe. Als an Dogmen und formale Inhalte nicht Gläubiger, war ich dennoch Erstaunter über die Wirkung, welche dieser Mann und dieses Amt bis heute auslösen. Auch als Respektierender gewisser ethischer Normen und als Zweifler, der sieht, welche Verrenkungen diese Normen im katholischen System selbst auslösen. Ich habe eine Demonstration von Frauen mit Schildern, Wagen und Kinden erlebt, Kindern, die von Priestern gezeugt und von eben diesen Vätern im Befehlsdunst der Kirche verleugnet werden. Gleichzeitig habe ich die Haltung des Papstes zur Abtreibung generell als ethische Norm respektiert. Aus der Nähe habe ich zwei Abtreibungen erleben müssen. Diese Menschen hätte ich gern in meinem Lebensbereich. Die Parole, der Bauch gehört mir, ist doch sehr oberflächlich. Er gehört auch dem Wesen, das darin wächst, jedenfalls für diese Wachstumszeit und zu einem kleinen Teil auch dem Mann, der an diesem Leben beteiligt war. Als Alice Schwarzer die Sternaktion machte, wir haben abgetrieben, sollte meine Frau sich daran beteiligen. Wir wollten damals ein Kind, das später Kim wurde. So haben wir nicht unterschreiben. Es wäre auch eine Lüge gewesen. Die Lebensform außerhalb der Menscherechte des Grundgesetzes, des Arbeitsrechts, das die Kirche für sich organisiert, Verlust der Priesterschaft bei Vaterschaft, Verlust des Arbeitsplatzes bei außerehelicher Schwangerschaft, der Zwang zum Glauben an mit dem Verstand nicht nachvollziehbare Dogmen und Glaubenssätze und zuletzt die ständige Kontrolle der Menschen durch die Beichte, all dies würde mich auch bei Wunsch nach Geborgenheit und Sicherheit von dieser Kirche fernhalten, die so viele Menschen in ihren Bann schlägt. Mir hilft die Kamera beim Zusehen und Staunen und die Malerei beim Nach- und Gegenempfinden. Die Fotos sind in Verbindung mit einem Lehrauftrag an der Uni Münster entstanden. Wir haben natürlich dieses Ereignis des Besuchs von Papst Johannes Paul II zum Thema gemacht. Mich beeindruckte nun doch die ethische Grundhaltung in diesem unserem regellosen Leben. Aber dem anschließen kann ich mich nicht. Bei dem ökumenischen Kirchentag in Berlin gab es ähnliche Eindrücke einer lebendigen und aufgeschlossenen Gesellschaft unter dieser Kirchendecke. Doch nicht einmal ein ökumenisches Abendmahl war diesem Papst recht. Etwas, das mich wundert, aber nicht betrifft. Warum sollte ich das Blut eines beeindruckenden Menschen in Form von Wasser trinken und Brot essen, das sein göttliches Menschenfleisch darstellen soll? Wir haben schon eigenartige Symbole in dem Versuch, das Unbegreifbare des Kosmos uns nahe zu bringen.

Annette Bültmann:

Vielleicht ist es ja auch die Schönheit, die die Menschen dort suchen, und auch nicht finden? Kirchen wurden ja immer wieder durch Künstler gestaltet, bemalte Altäre, kunstvolle Glasfenster, Skulpturen... aber oft dann auch wieder überladene Kirchen, mit zuviel Glitzer-Kram... vielleicht stammen sie aber aus Zeiten, in denen man gerade das im Alltag vermisste? Auch in der Natur findet sich ja Schönheit, eigentlich natürlich viel mehr als in den Kirchen, aber in der Natur findet sich auch immer das Fressen und Gefressen werden, das vielleicht die Menschen zu sehr an ihren Alltag erinnert, der von der Mühe des täglichen Überlebens bestimmt ist, oder heute zwar hierzulande gerade mal nicht davon dass man am Hungertuch nagt, aber dafür... na ja, dazu brauche ich ja gar nichts zu schreiben... jedenfalls, vielleicht sucht man in den Kirchen eine Schönheit die von den Alltagsproblemen befreit ist? Und findet sie dann doch nicht, weil z.B. in die kirchlichen Sakramente das Problem des Fressen und Gefressen Werdens auch eingegangen ist in Form des symbolischen Leib-Christi-Fressens? Die Suche nach Schönheit an sich kann man aber vielleicht nicht unbedingt verurteilen, auch wenn man sie vielleicht doch eher nicht in der Kirche findet sondern z.B. beim Blick in den Sternenhimmel?

Jörg Boström:

Die Fotografien haben für mich durch die Übermalung einen persönlichen Ton bekommen. Etwas von einer Welt hinter dem "nur" Sichtbaren. Das Ertasten mit dem Malwerkzeug und das Zurückdrängen des Stofflichen der fotografischen Oberfläche. Meinem Freund Manfred Schnell habe ich von unserem Ausstellungsprojektrojekt und meinem Beitrag erzählt. Er hatte nun zum gleichen Bereich im Moment der Sendung zum Tode des Papsten eine Grafik montiert, dessen Teilstücke er aus dem Internet heruntergeladen hatte. Eine Nachricht aus dem ständigen Jehnseits der virtuellen Welten. Ich füge sie gern hinzu, als Erweiterung einer Schau in eine für mich immer wieder fremde und faszinierende Wirklichkeit. Transzendenz als Inszenierung. Großartig und fremd. Diese findet in dieser Woche statt in Köln, einer meiner Studienstädte. Zeitlos, zeitnah, immer wieder etwas für die Menschen, die unerratbare Ferne, die dichte und widersprüchliche Fülle der Geschichte und der Medienwelt.

 

Papst 14,95

Ein Herz für die Mütter

Kopf und Fahne hoch

Fromme Männer

Himmelsleiter

Manfred Schnell, Der Papst ist tot. Grafik am Tag dieser Nachricht.