Zum InhaltsverzeichnisVirtuelles Magazin 2000 

Annette Bültmann
 
Höhlenbewohner
 
Wo sind die Fledermäuse im Winter?
An Sommerabenden werden sie oft von im Garten sitzenden Menschen beobachtet, in deren Nähe sie sich, vielleicht durch die sommerlichen Temperaturen etwas übermütig geworden, dann vorwagen. Und bis Ende Oktober kann man sie an einigen Orten sehen, wenn sie manchmal in der Nähe von Lichtquellen auftauchen. Insekten zieht es im Stadtgebiet aus den dunklen Bereichen in die Nähe der Lampen und Leuchtreklamen, und die Fledermäuse folgen ihnen, man sieht sie manchmal auftauchen, und gleich wieder ins Dunkle verschwinden. Aber nun, bei winterlichen Temperaturen, scheinen sowohl die Insekten als auch die Flattertiere verschwunden zu sein. Aber wohin?
Fledermäuse ziehen sich in der nahrungsarmen Zeit in einen Winterschlaf zurück, in dem ihre Körpertemperatur auf 7-10 Grad absinkt, und Herzschlag und Atmung sich um das bis zu 40fache verlangsamen. Sie befinden sich dann in einem lethargischen Zustand, zu grösseren Gruppen, Clustern genannt, zusammengerückt, um Energie zu sparen, hängen sie in Höhlen, Stollen, Bunkern oder Kellern, in Spalten und Hohlräumen, manche Arten überwintern auch auf Dachböden, in Mauerspalten, in Baumhöhlen, wie z.B. der Abendsegler, oder in Holzstapeln, wie z.B. die Rauhhautfledermaus. Während des Winterschlafs werden die Fettreserven verbraucht, so dass die Tiere im Frühjahr ungefähr 30 Prozent weniger wiegen. Wenn Fledermäuse während des Winterschlafs gestört werden, dauert es ungefähr 20 - 30 Minuten, bis sie ihre Körpertemperatur nach und nach erhöht haben und dann wieder voll aktionsfähig sind. Mehrmaliges Erwärmen im Verlauf des Winters verbraucht zuviel der knappen Energiereserven, deshalb ist es unbedingt zu vermeiden, Fledermäuse im Winterschlaf zu stören.
 
Der Beginn des Winterschlafs wird vermutlich eingeleitet durch niedrige Temperaturen, Nahrungsmangel und die kürzer werdenden Tage im späten Herbst. Die Körpertemperatur wird dann ungefähr der Umgebungstemperatur angepasst. Fledermäuse suchen zu diesem Zweck meist Höhlen oder Stollen, in denen die Temperaturen relativ konstant bei 5 - 10 Grad liegen, mit einer hohen Luftfeuchtigkeit, die sie vor Austrocknung schützt.
In Höhlen überwintern z.B. die Fledermausarten Grosses Mausohr (Myotis myotis), Wasserfledermaus (Myotis daubentoni), Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteini), Fransenfledermaus (Myotis nattereri), Teichfledermaus (Myotis dasycneme), Große Bartfledermaus (Myotis brandti), Wimpernfledermaus (Myotis emarginatus), Braunes Langohr (Plecotus auritus), Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus), Nordfledermaus (Eptesicus nilssoni), Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros), Grosse Hufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum).
Schon seit Jahrmillionen werden die Höhlen von Fledermäusen bewohnt, so z.B. die Einhornhöhle im Harz, dort wurden fossile Überreste vieler Tierarten gefunden, unter ihnen auch viele prähistorische Fledermäuse, besonders die wärmeliebenden Fledermausarten Wimperfledermaus und Bechsteinfledermaus, aber auch die Große und Kleine Bartfledermaus, das Braune Langohr, die Fransenfledermaus, das Große Mausohr, die Kleine Hufeisennase, die Mopsfledermaus, Teichfledermaus, Wasserfledermaus und Zwergfledermaus. Die Wimperfledermaus kommt heute nicht mehr in Nordeutschland vor, ihre fossilen Überreste stammen wahrscheinlich aus einer Epoche mit wärmerem Klima als heute.
 
Nicht nur im Winter findet man Fledertiere in Höhlen, auch in den wärmeren Jahreszeiten schlafen in manchen Höhlen Fledermauskolonien.
In der Bracken Cave in Texas schlafen zwanzig Millionen mexikanische Freischwanz-Fledermäuse, vielleicht die größte Population von Warmblütern auf der Welt. Mehr als drei Stunden lang fliegen in der Dämmerung immer mehr Fledermäuse aus dem Höhleneingang, manchmal beobachtet von staunenden Menschen und begeisterten Fledermausforschern. Morgens kehren sie zum Schlafen in die Höhle zurück. Wie mag dieser Massenaus- und einflug organisiert sein? Er scheint problemlos zu funktionieren.
 
Die Höhlenflughunde der Gattung Rousettus leben ebenfalls in Höhlen und haben auch, im Gegensatz zu anderen Flughunden, die sich in der Dämmerung mit Hilfe ihrer grossen und sehr lichtempfindlichen Augen und mit Hilfe ihres gut ausgeprägten Geruchssinns orientieren, ein einfaches Echolotortungssystem, sie erzeugen Schnalzlaute mit der Zunge.
Der Nilflughund (Rousettus aegyptiacus) ist über grosse Teile Afrikas und den arabischen Raum verbreitet, und auch im Süden der Türkei und in Zypern anzutreffen. Ausser in Höhlen lebt er auch in Tempelruinen des Niltals, in Kolonien von 20 bis zu 2000 Tieren. Die Tiere werden 15- 17 cm lang, mit einer Flügelspannweite von um die 40 cm. Sie verlassen kurz nach Sonnenuntergang die Schlafhöhlen, um sich auf Nahrungssuche zu begeben. Wie die meisten Flughundarten ernähren sich von Früchten wie Feigen, Datteln, Orangen und Bananen. Ihre klickenden Schnalzlaute liegen in niedrigeren Frequenzbereichen als die Ultraschallrufe der Fledermäuse, so dass sie auch von Menschen gehört werden können.
 
Die in Höhlen vorkommenden Tiere werden in vier Hauptgruppen aufgeteilt, Eutrogloxene (höhlenfremde Tiere), Subtroglophile (Höhlengäste), Eutroglophile (höhlenliebende Tiere), Eutroglobionte (echte Höhlentiere).
Die Zufallsgäste (Eutrogloxene) gelangen zufällig in Höhlen.
Die regelmässigen Höhlengäste (Subtroglophile) halten sich zu bestimmten Jahreszeiten oder Tageszeiten in den Höhlen auf. Zu ihnen gehören verschiedene Insektenarten, die in Höhlen ihr Larvenstadium, die Paarungszeit oder den Winter verbringen, z.B. mehrere Schmetterlingsarten, Weberknechte und Spinnen, Tausendfüßler und einige Käfer- und Zweiflüglerarten.
In früheren Zeiten waren unter den Höhlengästen auch Höhlenraubtiere wie der Höhlenlöwe, der Höhlenbär und der Säbelzahntiger zu finden. Und zu den subtroglophilen Arten, die sich nur vorübergehend in Höhlen aufhalten, gehören auch die Fledermäuse.
Die höhlenliebenden Tiere (Eutroglophile) verbringt das ganze Leben in Höhlen, können aber auch höhlenähnliche oberirdische feuchte oder dunkle Biotope besiedeln.
Echte Höhlentiere (Eutroglobionte), die in der Höhle gechützt vor Witterungseinflüssen leben, sie sind meist temperatur- und lichtempfindlich und können nicht längere Zeit ausserhalb von Höhlen überleben.
Durch Anpassung an das Leben in der Dunkelheit sind sie oft farblos und die Augen sind zurückgebildet, stattdessen der Tastsinn verstärkt ausgebildet, z.B. durch verlängerte Fühler, Beine oder Tasthaare bei Höhleninsekten. Zu ihnen gehören z.B. Höhlenflohkrebse und Höhlenasseln, Springschwänze und Grundwasserkrebse. Grundwasser und Höhlen werden teilweise von denselben Tierarten bewohnt, die mit wenig Licht, Sauerstoff und Nahrung auskommen, und Feuchtigkeit und konstante Temperaturen bevorzugen, teilweise leben sie auch in unterirdischen Seen. In den meisten Höhlen liegt die Temperatur relativ konstant bei 7-8 Grad, die Luftfeuchtigkeit bei 95 Prozent.
Nur die wenisten Höhlentiere ernähren sich von Pflanzen, Moosen und Algen, weil die nur im Eingangsbereich der Höhlen, wo es noch Licht gibt, vorkommen. Manche Höhlenkäfer und Asseln ernähern sich von organischen Überresten wie Nahrungsresten und Ausscheidungen der Höhlenbesucher, Pilzfäden, oder in die Höhlen hineingewehtem Laub. Höhlenspinnen ernähren sich von anderen Höhleninsekten, winzige Höhlenlebewesen, als Meiofauna bezeichnet, ernähren sich von Bakterien oder von organischen Rückständen im Tropfwasser. Fremdartige kühle und feuchte Ökosysteme in den dunklen Bereichen des Planeten.
 
Im Frühjahr, wenn die Temperaturen wärmer werden und die ersten Insekten wieder beim nächtlichen Flug um Laternen zu beobachten sind, verlassen die Fledermäuse die Winterquartiere. Je nach Art, Temperatur und Region unterschiedlich kann das zwischen Ende Februar und Anfang April geschehen, es wird vermutet, dass der Winterschlaf bei baumbewohnenden Arten wie Abendseglern und Zwergfledermäusen kürzer ist. Bei Abendseglern können ausserdem die Sommer- und Winterquartiere tausende von Kilometern voneinander entfernt sein, so dass sie im Frühjahr grosse Strecken zurücklegen, sie überwintern in wärmeren Regionen und fliegen im Frühjahr wieder Richtung Norden zu ihren sommerlichen Tagesschlafplätzen. Auch die Fledermausarten, die den Winter in Höhlen oder Stollen verbracht haben, suchen nun wieder ihre Sommerschlafplätze auf in Mauerspalten, hohlen Bäumen, Nistkästen oder Dachböden. Nach dem langen Winterschlaf wird es Zeit für die Nahrungssuche, und so sind viele Fledermäuse dann in warmen Frühlingsnächten besonders aktiv, und man kann sich darauf freuen, sie dann zahlreich wiederzusehen und zu hören.