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Annette Bültmann
 
Zeitreise ins Jurazeitalter
 
Es brummt, es piept, es rappelt, Dioden blinken, ein Ruck, dann steht das Ding. Die Tür springt auf, und es wird sichtbar eine endlose Wasserfläche, unter deren Oberfläche uns teilweise etwas fremdartig erscheinende Lebensformen schwimmen. Es hat wieder einmal funktioniert: Die Zeitmaschine hat uns ins Jahr -190.000.000 gebracht, ins Zeitalter der Dinosaurier, wo wir nach unseren Urahnen, den frühen Säugetieren, suchen wollen, um sie zu fotografieren. Nun müssen wir aber zuerst das Randmeer des Thetys-Ozeans überqueren, von dem große Teile Europas zu dieser Zeit überflutet sind. Der Meeresspiegel liegt ungefähr 100 Meter über dem heutigen. Wir werden nun in Richtung Osten fliegen, bis wir auf das Ufer des Urkontinents stoßen, dort erwartet uns eine subtropisch wirkende Landschaft, mit Riesenschachtelhalmen und Ginkgo-Bäumen.
 
Wir werden in der Vegetation dieser Zeit nach relativ kleinen Lebewesen Ausschau halten müssen, das in China gefundene Hadrocodium wui ist nur einige Zentimeter lang und wiegt vermutlich ungefähr 2 Gramm. Es wurde als Fossil 1985 in der Lower-Lufeng-Formation in China gefunden und zählt zu den ältesten bekannten Säugetieren. Es hat bereits differenzierte Zähne, ein Merkmal das die Säugetiere von ihren reptilienartigen Vorfahren unterscheidet, und ein größeres Gehirn, außerdem ein sekundäres Kiefergelenk, das ursprüngliche Kiefergelenk der Reptilien wurde umgebildet zu den Gehörknöchelchen, die sich nun im Mittelohr befinden, das durch die Vergrößerung des Hirnschädels vom Kiefer weg geschoben wurde. Bei Reptilien bestand der Unterkiefer noch aus mehreren Knochen, Säugetiere haben nur einen Unterkieferknochen. Im Verlauf der Entwicklung der Säugetiere bilden sich Vorderhirn und Großhirn immer stärker aus. Das im Vergleich zu den Reptilienvorfahren vergrößerte Gehirn ermöglicht ihnen sowohl ein gutes Seh-, Gehör- und Geruchsvermögen, als auch eine verbesserte Kommunikation in Gruppen und Lernprozesse.
Das Hadrocodium wui hatte vermutlich ähnliche Lebensgewohnheiten wie eine Spitzmaus, und vielleicht auch äußerliche Ähnlichkeit mit dieser.
 
Weitere gegen Ende des Trias- und Anfang des Jura-Zeitalters lebende Tiere, die bereits zu den Säugetieren gezählt werden, sind die Gattungen Morganucodon, Eozostrodon und Kuehneotherium. Der Morganucodon, ein mausähnliches Tier, war ungefähr 10 cm lang, hatte kurze Beine mit fünf Zehen, große Augen, die darauf hindeuten könnten, dass es nachtaktiv war, und es war vermutlich warmblütig. Es ernährte sich wahrscheinlich großenteils von Insekten und hatte sowohl scharfe Zähne als auch zum Zermahlen von Nahrung geeignete Backenzähne.
 
Zu den frühen Vorfahren der Säugetiere gehören die Therapsiden, die sich bereits während des Perm-Zeitalters vor 290 - 245 Millionen Jahren auf dem damaligen Urkontinent Pangaea verbreitet hatten, der zu dieser Zeit ein gemäßigtes Klima hatte, und sich vom Nord- bis zum Südpol erstreckte. An den Polkappen kam es im Verlauf des Perms zu einer Vereisung. Der Kontinent war mit Reptilien und Insekten bevölkert. Die Vegetation bestand aus Bärlappgewächsen und Schachtelhalmen, aber auch schon aus Koniferen und anderen Gymnospermen in trockeneren Gebieten.
Die Therapsiden entwickelten bereits viele Merkmale der heutigen Säugetiere, wahrscheinlich waren sie teilweise schon warmblütig und hatten zur Stabilisierung der Körpertemperatur entweder ein Fell oder eine isolierende Fettschicht unter der Haut. Eventuell diente bereits das Rückensegel mit Fortsätzen der Wirbelsäule, das einige Arten der Synapsiden trugen, der Wärmeregulierung bei Reptilien.
Es gab pflanzenfressende, insektenfressende und fleischfressende Therapsidenarten, die meisten waren wahrscheinlich Pflanzenfresser. Am Ende des Perms waren die pflanzenfressenden Dicynodonten und die fleischfressenden Cynodonten sehr verbreitet.
 
Vor 248 Millionen Jahren, zum Ende des Perm, ereignete sich, wie schon zuvor im Ordovizium und Devon, und später, vor 65 Millionen Jahren am Ende des Kreidezeitalters, ein Massenaussterben, eventuell verursacht durch einen Meteoriteneinschlag auf dem sibirischen Trapp-Plateau und anschließender Klimaveränderung, innerhalb des erdgeschichtlich relativ kurzen Zeitraums von ungefähr einer Millionen Jahren starben die meisten Tier- und Pflanzenarten im Meer und dreiviertel aller Landsäugetiere aus, darunter auch ein großer Teil der Therapsiden. In dieser Zeit war der Anteil an Kohlendioxid in der Erdatmosphäre stark gestiegen, und es war zu einer allgemeinen Erwärmung des Klimas gekommen.
 
Einige Therapsiden entwickelten sich wahrscheinlich während des Trias-Zeitalters größenmäßig zurück von ungefähr schweinsgroßen zu eher katzengroßen Tieren, während die Dinosaurier sich zu gigantischer Größe entwickelten.
Aus welchen der Therapsiden sich die ersten Säugetiere entwickelten, ist noch nicht völlig geklärt.
Die Familie der 0,5 - 3 Meter langen Lystrosauridae, mit den Gattungen Lystrosaurus, Kannemeyeria und Placerias, die während des Trias-Zeitalters lebten, gehörte zu den Dicynodonten, die zwei ausgeprägte Eckzähne hatten, mit denen sie wahrscheinlich in Trockenzeiten im Boden nach Wurzeln gruben. In schlammiger Umgebung ernährten sie sich vielleicht ähnlich wie Nilpferde, von Gras und Sumpf- und Wasserpflanzen.
Während früher vermutet wurde, dass die Therapsiden gegen Ende der Trias ausstarben, wurde die Ansicht inzwischen korrigiert durch die Untersuchung der Fragmente eines nur 105 Millionen Jahre alten 40 cm langen fossilen Dicynodonten-Schädels aus Australien. Der Dicynodont hatte, wie auch einige Dinosaurier, auf dem Landzipfel der später zu Australien wurde bis ins Kreidezeitalter überlebt. Es wird vermutet, dass er die Statur eines kleinen Nashorns hatte.
 
Therapsiden zählen zu den Synapsiden, werden manchmal auch als Proto-Säugetiere bezeichnet, und haben bereits viele Merkmale der späteren echten Säugetiere. Während frühe Synapsiden noch relativ reptilienartig waren, hatten Therapsiden möglicherweise schon Fell, und es ist noch nicht geklärt, inwieweit sie bereits warmblütig waren. Alle Synapsiden unterschieden sich von den früheren Reptilien aber bereits durch eine Öffnung im Schädel hinter dem Auge unten am Schädel, durch die die Kiefermuskulatur verlief, das sogenannte synapside Schädelfenster.
Frühere Reptilien, die Anapsiden genannt wurden, hatten keine Öffnung zwischen den Schädelknochen, während heutige Reptilien, Diapsiden, ebenso wie die Dinosaurier zwei Schädelöffnungen ausbildeten. Diese Merkmale sind hilfreich beim Fund von fossilen Schädeln zur Einordnung der gefundenen Tierarten.
Das Gehör der Landtiere funktioniert so, dass der Luftschall aus dem Mittelohr vom Trommelfell aufgenommen und durch ein Hebelsystem von Gehörknochen ins Innenohr, das mit Flüssigkeit gefüllt ist, übertragen wird.
Bei den frühen Reptilien wurde der Schall vom Kiefergelenk, das aus den Knochen Quadratum und Artikulare bestand, zum Gehörknochen Columella weitergeleitet.
Bei den säugetierähnlichen Reptilien bildete sich ein differenziertes Gebiss und eine veränderte Kiefermuskulatur, und ein zweites Kiefergelenk, bei dem der Unterkiefer direkt am Schädel ansetzt. Die ehemaligen Kiefergelenksknochen wurden zusammen mit der Columella zum dreiteiligen System der Gehörknochen bei heutigen Säugetieren, die Amboss, Hammer und Steigbügel genannt werden.
Außer dem Schädelfenster, den differenzierten Zähnen und den drei Gehörknochen ist ein weiteres Merkmal der Säugetiere, das sich bei den Therapsiden ausbildete, ein sekundärer Gaumen, durch den Atmungs- und Nahrungsweg getrennt werden, und die Verlagerung der Beine von einem seitlichen Stand zu einer Anordnung unter dem Körper.
Es bildeten sich Tasthaare und Fell aus. Der zu den Cynodonten gehörende Thrinaxodon hatte winzige Löcher im Schädel am Ende der Schnauze, die Durchbrüche für Tasthaar-Nerven gewesen sein könnten und auf muskulöse bewegliche Lippen hindeuten. Vielleicht hatte er, auch wenn noch kein echtes Säugetier, bereits Merkmale und optische Ähnlichkeit wie Fell und Ohrmuscheln. Die Haut der Therapsiden hatte bereits Drüsen, und der Stoffwechsel entwickelte sich in Richtung einer gleichmäßigen Körpertemperatur.
 
Im Jurazeitalter driftete der auf der Südhalbkugel gelegene Urkontinent Pangaea weiter nach Norden, geriet also mehr in Äquatornähe, das führte zu einer Erwärmung und entsprechender Vegetation, und zu einer ständig zunehmenden Artenvielfalt. Erst im anschließenden Kreide-Zeitalter brach der Urkontinent auseinander und wurde zu Laurasien im Norden und Gondwana im Süden, zwischen ihnen lag das Thetys-Meer. Bereits vor dem vermutlichen Meteoriten-Einschlag vor 65 Mill. Jahren und der wahrscheinlich dadurch verursachten Abkühlung des Weltklimas gab es auf dem nördlichen Teil des Kontinents kühlere Klimazonen, in denen die frühen Säugetiere ihre Lebensräume fanden.
 
Wir machen uns nun auf die Suche nach den spitzmausartigen Multituberculata, Triconodonta und Symmetrodonta, den in dieser Umgebung lebenden Säugetierordnungen. Es ist zu erwarten, dass sie ungefähr 10 Zentimeter lang sind, dass ihre Jungen zunächst Milchzähne haben, dann ein zweites, bleibendes Gebiss bekommen, dass sie nach einem jugendlichen Wachstumsstadium ausgewachsen sind, schnell laufen und springen können, eine bewegliche Wirbelsäule haben ohne Rippen an den unteren Wirbeln, dass sie gut sehen, hören und riechen können und sich vor größeren Lebewesen, wie Dinosauriern oder in diesem Falle uns, in Sicherheit bringen.
Garnicht so leicht, Bilder von ihnen zu bekommen, die nicht verwackelt sind...
 
Es rappelt, es ruckelt und blinkt, die Tür springt auf... wieder mal Glück gehabt. Da steht noch die Tasse Tee, vor der Abreise eingeschüttet, und ist immer noch heiß, wie man am aufsteigenden Dampf sieht. Es ist also gelungen, wie geplant zum zeitlichen Ausgangspunkt der Reise zurückzukehren, so als ob in der Zwischenzeit nichts geschehen wäre. Aber, was ist denn das da, was dort nun auf dem Tisch neben der Tasse sitzt, ist das etwa mit uns aus der Zeitmaschine gehüpft? Da haben wir es nun, das Zeit-Paradoxon...
 
Wie funktioniert eigentlich so eine Zeitmaschine? Theoretisch, als Denkmodell, gibt es mehrere Möglichkeiten, zum einen die, dass das Universum rotiert und dabei die umgebende Raumzeit mit sich zieht, und so könnte der Kosmos von einer Zeitschleife umgeben sein, und also eine riesige Zeitmaschine sein, dieser Gedanke wurde von Gödel bei der Beschäftigung mit Einsteins Theorien entwickelt.
Auch Wurmlöcher, die es wahrscheinlich nicht nur in Science-Fiction-Filmen gibt, haben mit diesem Phänomen zu tun: massive Objekte wie schwarze Löcher, die rotieren, dabei die Raumzeit mit sich ziehen, können Wurmlöcher verursachen, wenn sie mit einem anderen, weit entfernten schwarzen Loch in Verbindung treten. Es kann sich kurzzeitig eine Brücke zwischen ihnen ausbilden, eine tunnelförmige Verbindung, die aber nur für sehr kurze Zeit bestehen kann. Eine andere Möglichkeit, Wurmlöcher zu erzeugen, wäre negative Energie, die sich in einem Vakuum erzeugen lässt, bisher würde sie aber nur für mikroskopisch kleine Wurmlöcher ausreichen. Auch im Vakuum, das nicht absolut leer ist, entstehen virtuelle Teilchen und Antiteilchen und vernichten sich gegenseitig sofort wieder. Wenn ein Vakuum zwischen zwei Platten erzeugt wird, die sich sehr nahe beieinander befinden, passen dorthin, wenn man den gleichzeitigen Wellen- und Teilchencharakter betrachtet, nicht alle Wellenlängen, sondern nur die, die ein ganzzahliges Vielfaches bestimmter Werte sind, es befinden sich also weniger Wellen im Spalt zwischen den Platten, als in deren Umgebung, es entsteht ein Sog ähnlich einem Unterdruck und damit eine negative Energie im Vergleich zum umgebenden Vakuum, dessen Energiebilanz gleich Null ist. Dieses Phänomen wird Casimir-Effekt genannt. Werden die Platten einander angenähert, steigt die Energiedichte. Theoretisch könnte die negative Energie zur Stabilisierung von Wurmlöchern verwendet werden.
Eine andere Möglichkeit, durch die Zeit zu reisen, ist eine von Prof. Frank J. Tipler entworfene Zeitmaschine, bei der die überdichte Masse von 10 oder mehr Neutronensternen zu einem mindestens mit halber Lichtgeschwindigkeit rotierenden hunderte von Kilometern langen Zylinder angeordnet werden müsste, auch dieser würde die Raumzeit mit sich ziehen, die in seiner Umgebung gekrümmt wäre, und in einem spiraligen Kurs um den Zylinder herum wären dann Zeitreisen möglich.
Bei Annäherung an den Zylinder würde es einem außenstehenden Beobachter zunächst so erscheinen, als würde die Zeit für den sich der Zeitmaschine nähernden Zeitreisenden langsamer vergehen, hier kann der Reisende in die Zukunft gelangen, ab einer bestimmten Annäherung an den Zylinder kippen die Lichtkegel in den negativen Bereich, und man gelangt in die Vergangenheit, aber nicht weiter als bis zum Zeitpunkt der Erschaffung der Zeitmaschine.
Ähnlich ist die Vorstellung von Prof. Ronald Mallett, Physiker an der University of Connecticut. Er schlägt vor, Windungen in der Zeit durch rotierendes Licht zu erzeugen. Zirkulierendes Licht soll in seiner Umgebung eine Art Strudel der Raumzeit verursachen. Durch einen rotierenden Laser und einen zweiten gegenläufig rotierenden soll der Strudel ausgedehnt werden.
Ein weiteres Zeitmaschinen-Modell ist, ähnlich wie Gödels rotierendes Universum, natürlichen Ursprungs: einige Forscher haben die Hoffnung, dass, übriggeblieben vom Urknall, kosmische Strings existieren könnten, als Schleifen oder Lichtjahre lange Fäden, entlang derer sich der Zeitreisende bewegen kann.
Hinzu kommt die Möglichkeit der Zeitreisen durch Computersimulation, es wird vermutet, dass bei fortgesetzter Steigerung der Kapazitäten der heutigen Computer in Zukunft virtuelle Welten entstehen könnten, die absolut real wirken, und in deren Datensätzen kleinste Details gespeichert sind, so dass ein Besucher einer solchen Simulation den Eindruck haben könnte, sich in einer wirklichen Welt zu befinden.
 
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