Und da es längst nicht mehr um sie geht, diese nun bald achtzigjährige Dame, die heute in der Nähe von Los Angeles (so stehts jedenfalls im Internet) ein wohl nicht mehr sehr glamouröses Leben fristet, geht es letztendlich um die Wirkung, die sie auf uns ausübt. Wie sind zahlenmäßig nicht viele. Aber unsere Treue zu dieser Göttin des Sternengesangs ist unverbrüchlich. Wie reisen ihr nach. Wir suchen überall nach ihr. Und sind traurig, wenn wir sie gefunden haben. Bei ihrem ziemlich verunglückten Auftritt 1992 in der schrecklichen Nürnberger Meistersinger-Halle (der allerdings ein Triumph war im Vergleich mit dem Desaster im Berliner Theater des Westens wenige Wochen zuvor) traf ich eine junge Dame, die mir anvertraute, Yma Sumac habe ihr das Leben gerettet. Nun ja. Doch sie meinte es nicht bildlich. Vor Jahren habe sie Selbstmord begehen wollen. Auf dem Plattenteller lag eine Sumac-Vinyl. Und so hat das Mädchen - offenbar begabt mit einem gesunden Sinn für Melodramatik - beschlossen, unter den Klängen dieser Musik von der Erde zu scheiden. Ich kenne ein paar Lieder von Frau Sumac, die bei dieser Gelegenheit todsicher gewirkt hätten - vor allem die der geschmacksarmen des Jivaro-Albums, doch hier war es wohl eher der Gesang der Sonnenjungfrau. Und diese Melodien und Ymas zauberische Töne sind nun tatsächlich im Stande, empfängliche Seelen "zu den Engeln zu schicken", ohne gleich welche aus ihren zu machen. Nach dem Konzert kniete die einst so Gerettete vor Frau Sumac in der maßlos schäbigen Nürnberger Garderobe, während sich die Yuppies der Berliner Künstleragentur draußen auf dem Flur über die alte Schachtel amüsierten. Dem rationalen Geist ist das natürlich alles tiefstes 19. Jahrhundert oder schwarzer Aberglaube. Doch Euch, Ihr gebildeten Stände, die Ihr alles zu wissen und zu verstehen glaubt, könnten wir zu bedenken geben, dass die Wirkung höchster Töne ja - rein physikalisch betrachtet - durch wissenschaftliche Untersuchungen erklärbar sein dürfte. Dass dabei nicht die genossenen Wonnen beim Hören zu definieren sind, liegt nahe. Masters und Johnson haben uns ja letztlich auch nicht viel Neues über die Freuden der körperlichen Liebe sagen können. Dafür haben sie belegt, dass sich der Körper beim Orgasmus rötet. Wichtigkeit. Die Gelehrten des Gesangs können mit Madame ohnehin nichts anfangen. Jürgen Kesting verbannt sie in seinen ansonst grandiosen "Grossen Sängern" gar in den vulgären Vokalzirkus. Was ja nichts Schlimmes sein muss, seit etwa bei den Salzburger Festspielen für eine Zauberflöten-Inszenierung eine Arena als Bühnenbild gewählt worden ist. Die Königin der Nacht hat die Peruanische Nachtigall wohl nie gesungen. Berichte darüber gehören mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den Legenden über ihr Wirken. Aber der ambivalente Charakter dieser Figur hätte ihr wie angegossen gepasst: Furie und trauernde Mutter, glücklose Zauberin und tragische Herrscherin. Und Mozart hätte natürlich seine Freude an ihr gehabt. |