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Anton Weidinger

Die heilige Yma oder Die Macht der hohen Töne in der Musik

 

Es geht ja längst nicht mehr um diese 63 Gesangsnummern mit phantasievollen Titeln wie Suray Surita, Babalu oder Chuncho aus den fünfziger Jahren, die sich so hartnäckig im musikalischen Gedächtnis der westlichen Hemisphäre behaupten. Darüber ist oft und im Grunde immer das gleiche geschrieben worden.

Die zierliche kleine Dame, die so zuvor Unerhörtes dank einer Laune der Natur interpretieren (kann) konnte, wie wohl keine mehr nach ihr, tritt dahinter zurück wie es bei der realen Personen hinter den Heiligen in der katholischen Kirche geschah, denen ja auch keine normalen Biographien vergönnt waren. Ihr Leben war nur auf einen Zweck ausgerichtet: Wunder zu vollbringen. Ihre Banalitäten und menschlichen Nöte interessierten nicht. Und so sind die hohen Töne (bis zum viergestrichenen C) von Madame Yma Sumac auch zu Wundern stilisiert worden.

Die zumal für eine Frauenstimme unvergleichlich tiefen Töne, die sie so gekonnt und ohne hässlichen Registerwechsel mit den hohen zu verblenden wusste, sind dagegen wie ein purpurner Schatten der obersten Oktaven. Und dass sie - im Gegensatz zu den Nachtigallen vom Schlag der Erna Sack oder Mado Robin - diesen unheimlichen Schatten warf, macht ihren Gesang körperlich und erweckt die Illusion, dass es der Gesang der Vögel sei oder das Pfauchen des Pumas.

Jörg Boström: Sängerinnen

 

Und da es längst nicht mehr um sie geht, diese nun bald achtzigjährige Dame, die heute in der Nähe von Los Angeles (so steht’s jedenfalls im Internet) ein wohl nicht mehr sehr glamouröses Leben fristet, geht es letztendlich um die Wirkung, die sie auf uns ausübt.

Wie sind zahlenmäßig nicht viele. Aber unsere Treue zu dieser Göttin des Sternengesangs ist unverbrüchlich. Wie reisen ihr nach. Wir suchen überall nach ihr. Und sind traurig, wenn wir sie gefunden haben.

Bei ihrem ziemlich verunglückten Auftritt 1992 in der schrecklichen Nürnberger Meistersinger-Halle (der allerdings ein Triumph war im Vergleich mit dem Desaster im Berliner Theater des Westens wenige Wochen zuvor) traf ich eine junge Dame, die mir anvertraute, Yma Sumac habe ihr das Leben gerettet. Nun ja. Doch sie meinte es nicht bildlich. Vor Jahren habe sie Selbstmord begehen wollen. Auf dem Plattenteller lag eine Sumac-Vinyl. Und so hat das Mädchen - offenbar begabt mit einem gesunden Sinn für Melodramatik - beschlossen, unter den Klängen dieser Musik von der Erde zu scheiden.

Ich kenne ein paar Lieder von Frau Sumac, die bei dieser Gelegenheit todsicher gewirkt hätten - vor allem die der geschmacksarmen des Jivaro-Albums, doch hier war es wohl eher der Gesang der Sonnenjungfrau. Und diese Melodien und Ymas zauberische Töne sind nun tatsächlich im Stande, empfängliche Seelen "zu den Engeln zu schicken", ohne gleich welche aus ihren zu machen.

Nach dem Konzert kniete die einst so Gerettete vor Frau Sumac in der maßlos schäbigen Nürnberger Garderobe, während sich die Yuppies der Berliner Künstleragentur draußen auf dem Flur über die alte Schachtel amüsierten.

Dem rationalen Geist ist das natürlich alles tiefstes 19. Jahrhundert oder schwarzer Aberglaube. Doch Euch, Ihr gebildeten Stände, die Ihr alles zu wissen und zu verstehen glaubt, könnten wir zu bedenken geben, dass die Wirkung höchster Töne ja - rein physikalisch betrachtet - durch wissenschaftliche Untersuchungen erklärbar sein dürfte.

Dass dabei nicht die genossenen Wonnen beim Hören zu definieren sind, liegt nahe. Masters und Johnson haben uns ja letztlich auch nicht viel Neues über die Freuden der körperlichen Liebe sagen können. Dafür haben sie belegt, dass sich der Körper beim Orgasmus rötet. Wichtigkeit.

Die Gelehrten des Gesangs können mit Madame ohnehin nichts anfangen. Jürgen Kesting verbannt sie in seinen ansonst grandiosen "Grossen Sängern" gar in den vulgären Vokalzirkus. Was ja nichts Schlimmes sein muss, seit etwa bei den Salzburger Festspielen für eine Zauberflöten-Inszenierung eine Arena als Bühnenbild gewählt worden ist.

Die Königin der Nacht hat die Peruanische Nachtigall wohl nie gesungen. Berichte darüber gehören mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den Legenden über ihr Wirken. Aber der ambivalente Charakter dieser Figur hätte ihr wie angegossen gepasst: Furie und trauernde Mutter, glücklose Zauberin und tragische Herrscherin.

Und Mozart hätte natürlich seine Freude an ihr gehabt.

Annette Bültmann: Peruanische Sängerinnen

Die heutigen Komponisten sind schwer zusammen mit Yma Sumac vorstellbar. Sollte sie vielleicht Cage singen oder Henze? Eher nicht. Der Stil des inzwischen verstorbenen Moises Vivanco hat sich gründlich überlebt, dieses zweifachen Gatten, Managers, Komponisten, Arrangeurs und letztlich Pygmalion einer peruanischen Eliza Doolittle. Aber seine oft unsäglich hollywoodesken Arrangements sind ja nur das zeitlose Vehikel für die Klänge, um die sich alles dreht.

Dass auch in diesem ausgefuchsten Manager und Musikhandwerker der Drang zum Höheren schlief, beweist der Anfang einer Nummer des Sun-of-the-Virgin-Albums. Das sind haargenau die Anfangstakte des Schlussgesangs der Salome von Richard Strauss. Wer nicht an die berühmt-berüchtigte Parallell-Invention glaubt, könnte - horribile dictu - von Plagiat sprechen. Doch das ist ja alles verjährt.

So lange es Tonträger geben wird (das Sumac-Oeuvre ist seit 1996 so gut wie vollständig auf CD erhältlich), wird weiter geschwärmt, geschimpft und vor allem: zugehört werden. Nach dem Big Bang aber verwandelt sich der Gesang von Sancta Sumac bestimmt in die strahlendsten, buntesten Sterne und fügt der Harmonie des Universums eine Perlenkette strahlender neuer Noten hinzu.

Anton Weidinger, 24. Januar 2001 - 5. Juni 2004

Weitere Informationen über Yma Sumac, Fotos etc. unter:
http://www.geocities.com/Vienna/5928/Gallery5.html
http://www.parabrisas.com/d_sumacy.html
http://tralfaz-archives.com/coverart/S/sumac_xtabay.html

Filmography:
 
Secret of the Incas (1954)
 
Charlton Heston Harry Steele
Robert Young Dr Stanley Moorehead
Nicole Maurey Elena Antonescu
Yma Sumac Kori-Tica
Thomas Mitchell Ed Morgan
Glenda Farrell Mrs Winston
Michael Pate Pachacutec
Leon Askin Anton Marcu
 
Jerry Hopper Director
Mel Epstein Producer
Lionel Lindon Director of Photography
Hal Pereira Art Director
Sydney Boehm From Story
 
 

Omar Khayyam (1957)
 
Cornel Wilde Omar
Michael Rennie Hassan
Debra Paget Sharain
John Derek Malik
Raymond Massey Shah
Yma Sumac Karina
Margaret Hayes Zarada
Joan Taylor Yaffa
 
William Dieterle Director
Frank Freeman, Jr Producer
Ernest Laszlo Director of Photography
Francisco Day Assistant Director
Hal Pereira Art Director