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Hartmut Barth - Engelbart

 

Als kleine lyrische Kostprobe das folgende Gedicht zum Arbeitstitel
"Reisen bildet"
aus dem Jahr 1985/86

 

Kardamili

Kardamili

Dein Name

fließt

wie Milch und Honig

über meine Lippen

Karda

das trockene Flussbett

mit seiner glitzernd

weißgeschliffenen Fracht

aus den schroff gebrannten Bergen

die über dir

über dich wachen

 

mili

Olivenfelsen

Eukalyptusriesen

im karamelfarbenen

Licht der Abendsonne

das Glockengeläut

und das zufriedene Blöken

der Schafherden

die dich durchziehen

 

Gelb braun grau verschmelzen

deine zerfallenden Häuser

und Ställe im dunkelwerdenden

öligen Grün der Orangenhaine

der kalamisgesäumten Weingärten

 

Du verbirgst

unter Staub und Kistenstapeln

hinter Wolldeckenstützen

und hängenden Bündeln

von Tee und Gewürzen

die vergangene Pracht

deines byzantinisch-osmanischen

Reichtums

 

Nur wer die Augen schließt

und riecht und schmeckt

der hört das Wasser

über die zerbrochnen Räder

deiner Mühlen rauschen

nur wer verweilt

im hitzeflimmerden

Kieselstrom

dein Gold aus den Bergen erahnt

und unter seinem Schweiß

die glühenden Steine

für einen Augenblick

erblühen

von deinem Wein

sich in die Nächte tragen

und den lauen Küstenwind

der rotgold zerfließenden Sonne

mit seinen salzigen Haaren

spielen lässt

 

der kann dich

sehen

und lieben

 

Du bist eins

 

zerrissen nur

wenige Wochen im Jahr

wenn der stinkende

grölend rasend

krachende Stahl-Tross

aus dem Norden

Dich in zwei Straßenränder

zerschneidet,

abhakend

vollfressend

und kotzend

ahnungslos

 

Manchmal

bildet

Reisen

nur neue Schrottplätze

und Mülldeponien

 

Weitere Texte von Hartmut Barth-Engelbart sind zu lesen unter:
http://www.barth-engelbart.de.vu