Zum InhaltsverzeichnisVirtuelles Magazin 2000 

Annette Bültmann
 
Chiroptera (Fledertiere)
 
Die Fledertiere entwickelten sich zur Zeit des Paläozän vor ungefähr 60 Millionen Jahren.
Die frühen Säugetiere, die bereits zur Zeit des Jura vor 200 Millionen Jahren existierten, waren sehr klein; im Paläozän und Eozän tauchten dann größere Tiere auf, und bereits viele Stammformen der heute lebenden Säuger, deren gemeinsame Merkmale unter anderem ein differenziertes Gebiss und die Behaarung sind.
Es gibt weltweit fast 1000 verschiedene Fledertierarten.
Die Fledertiere waren von früheren Forschern teilweise in der Überordnung Euarchontoglires eingeordnet worden, zu der auch die Ordnung der Riesengleiter oder Pelzflatterer (Dermoptera), die Ordnung der Spitzhörnchen (Scandentia) und die Ordnung der Primaten (Primates) gehören, Carl von Linné nahm sie 1758 in seinem Werk Systema naturae sogar unter die Primaten auf. Sie werden heute zur Überordnung Laurasiatheria gezählt, zusammen mit den Ordnungen der Insektenfresser (Insectivora), Schuppentiere (Pholidota) und Raubtiere (Carnivora).
In der Ordnung der Fledertiere (Chiroptera) gibt es die Unterordnung der Fledermäuse (Microchiroptera) und die Ordnung der Flughunde (Megachiroptera).
Die Fledermäuse werden bis zu 16 cm lang und 180 Gramm schwer, mit Flügelspannweiten bis zu 90 cm. Die größeren Flughunde, die in den Tropen und Subtropen der alten Welt vorkommen, ereichen Kopf-Rumpf-Längen von bis zu 40 cm, Gewichte bis 1,5 Kilogramm und Flügelspannweiten von 150 cm.
Die Flughunde orientieren sich in der Dämmerung mit ihren Augen, die sehr groß sind und eine kurze Brennweite haben, vergleichbar mit einem Weitwinkelobjektiv. Sie haben einen sehr gut entwickelten Geruchssinn und sind Fruchtfresser oder Nektarsauger. Es gibt als chiropterophil bezeichnete Blüten, die an den Besuch von Flederhunden angepasst sind. Früchte werden meist gekaut und dann wieder ausgespuckt, was eine günstige Verteilung und Keimung im tropischen Wald bewirkt. Die Flughunde haben kein Echolot-Ortungssystem, die einzige Ausnahme bilden die in Höhlen lebenden Nilflughunde der Gattung Rousettus. Sie haben ein einfaches System entwickelt mit Schnalzlauten im Bereich von 12 - 15 KHz, die von der Zunge erzeugt werden, und die für den Menschen noch hörbar sind.
Die kleineren Fledermäuse ernähren sich größtenteils von Insekten. Sie haben ein Echolotortungssystem entwickelt, das ihnen sowohl eine Orientierung im Dunklen als auch das Aufspüren und Fangen von Insekten ermöglicht. Die Echolotortung im Gelände erfolgt an Baumreihen, Sträuchern oder typischen Charakteristika des Weges, wobei schon bekannte Wege bevorzugt werden, auch wenn es sich eventuell um Umwege handelt. Fliegt eine Fledermaus versehentlich in die Wohnung, sollte man deshalb Fenster und Türen, die geöffnet waren, geöffnet lassen, da die Fledermaus versuchen wird, auf demselben Weg herauszufliegen, auf dem sie hereingekommen ist. Falls es Tag ist, und sie bereits schlafend an einer Gardine hängt, wird sie dann abends wieder herausfliegen. (Weitere Informationen unter www.fledermausschutz.de)
Die meisten Fledermausgattungen gehören zu den Glattnasen (Vespertilionidae), sie stoßen die im Kehlkopf erzeugten Echolotrufe durch den geöffneten Mund aus. Noch stärker spezialisiert sind die Hufeisennasenartigen (Rhinolophoidea), sie rufen durch die zu einem hufeisenförmigen Trichter umgeformten Nasen und sind am Boden kaum noch beweglich, können nicht laufen und springen.
Die Ultraschallimpulse der Fledermäuse liegen, je nach Art unterschiedlich, im Bereich von 20 bis über 100 KHz, sie werden von Bäumen und ähnlichen Dingen der Umgebung reflektiert und der reflektierte Schall mit den Ohren wahrgenommen. Das Echolotortungssystem hat eine Reichweite von mehreren Metern. Die Rufe sind mit einem Ultraschallkonverter, auch Fledermausdetektor genannt, auch für das menschliche Ohr wahrnehmbar zu machen, kurze klickende Geräusche, oft ein Ton pro Flügelschlag oder pro Atemzug, oder auch mehrere Impulse pro Atemzug. Es gibt ein rhythmisches Zusammenspiel zwischen Ultraschalltönen, Atmung und Flügelschlag. Die Abfolge der Impulse kann schneller werden bei der Annäherung an ein Insekt oder bei der Landung, oder in einer unbekannten Umgebung. Beim Anflug auf ein Ziel kann die Erhöhung der Impulsfrequenz in Phasen eingeteilt werden: Suchphase, Annäherungsphase, Final buzz.
 
Mit einem Feldermausdetektor auf der Suche nach Ultraschall-Quellen in der Wohnung, sind verschiedene Pfeiftöne festzustellen, die von Computer- und Fernsehmonitoren abgegeben werden, und Summtöne von Glühbirnen. Außerhalb des Hauses gibt es manchmal Radioempfang, und ebenfalls ein Summen in der Nähe von Lampen. An einem Ort, an dem Fledermäuse zu erwarten sind, zum Beispiel an Gewässern, wo die Wasserfledermaus zu finden ist, sind dann tatsächlich bald die charakteristischen kurzen Klicklaute zu hören, mit denen sich die Fledermäuse in ihrer näheren Umgebung orientieren, die Länge der Laute liegt im Bereich von Hundertstelsekunden, so dass sie durch das Gerät, das zwar die Tonhöhe dem menschlichen Gehör anpasst, aber den Rhythmus der Töne kaum beeinflusst, als unterschiedlich schnelle Folgen von rhythmischen Klicks gehört werden können, manchmal auch als knatternde oder als flatternde Geräusche.
Wenn es gelungen ist, durch die Geräusche in der nächtlichen Landschaft die Fledermäuse aufzuspüren, taucht meist auch früher oder später eine im Blickfeld auf, erscheint kurz als flatternder Schatten in der Nähe einer Lampe, und taucht dann gleich wieder ins Dunkle ab. Theoretisch ist es möglich, Fledermaus-Arten anhand der vom Fledermausdetektor gehörten Rufe zu unterscheiden, es gibt verschiedene charakteristische Klangmuster und Eigenarten. In Mitteleuropa häufig anzutreffende Fledermausarten sind die Wasserfledermaus (Myotis daubentoni), die Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus), die kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) und die große Hufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum), die kleine Bartfledermaus (Myotis mystacinus), das große Mausohr (Myotis myotis), der große Abendsegler (Nyctalus noctula), die Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus), die Weißrandfledermaus (Pipistrellus kuhli), das braune Langohr (Plecotus auritus) und das graue Langohr (Plecotus austriacus), die Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus).
Durch genetische Untersuchungen waren in den letzten Jahren Fragen aufgetaucht, die die gemeinsame Abstammung der Fledermäuse betreffen, und die Einteilung in der Systematik. Eine Gruppe von Forschern hat nun festgestellt, dass ausgerechnet die Überfamilie Rhinolophoidea, die der Hufeisennasenartigen, Nachkommen zweier Ursprungslinien enthält, das bedeutet, dass sich das Echolotsystem in der besonders spezialisierten Form der Abstrahlung der Impulse durch einen Trichter auf der Nase im Verlauf der Evolution wahrscheinlich zweimal unabhängig voneinander entwickelt hat.
 
Die Fledertiere sind vorwiegend nachtaktiv, und verschlafen meist den Tag in ihren Schlafquartieren, die sich, je nach Art unterschiedlich, zum Beispiel in Höhlen, Baumhöhlen oder Felsspalten befinden können, und auch in der Nähe des Menschen an geeigneten Plätzen, also in Kellern, Stollen, auf Dachböden oder unter Vorsprüngen, in Mauerspalten und unter Wandverkleidungen an Häusern, und in Nistkästen. Man unterscheidet höhlenbewohnende und spaltenbewohnende Fledermausarten, und Sommer- und Winterquartiere. Die Fledermäuse in Mitteleuropa halten im Winter einen Winterschlaf in größeren, frostsicheren Winterquartieren. Es werden Keller, Stollen oder Felshöhlen aufgesucht, in denen die Temperatur nicht unter den Gefrierpunkt sinkt, die Körpertemperatur der Fledermäuse senkt sich im Winter bis auf ungefähr 3-8 Grad ab, der Herzschlag und die Atmung verlangsamen sich, der Körper lebt nun von im Herbst angefressenen Fettreserven. Bei Störungen oder Absinken der Umgebungstemperatur unter 0 Grad wachen die Fledermäuse auf und suchen einen anderen Ort, um dort wieder in den Winterschlaf zu fallen. Es ist unbedingt zu vermeiden, Fledermäuse im Winterschlaf zu stören, weil mehrmaliges Aufwachen zuviel der knappen Energiereserven verbraucht.
Als Ersatz für die Sommerquartiere können Fledermauskästen an Hauswänden oder Bäumen aufgehängt werden, wobei es Flachkästen für die spaltenbewohnenden Arten und tiefere Kästen für die Höhlenbewohner gibt. Wenn man mehrere Kästen in Hörweite voneinander anbringt, ist es eventuell möglich, dass sich Mitglieder einer Fledermausgruppe von Kasten zu Kasten durch Kommunikationsrufe verständigen, die auch noch für das menschliche Ohr im hörbaren Bereich liegen, so dass es auch ohne einen Ultraschallkonverter akustisch festzustellen ist, ob die Kästen bewohnt sind.
Bäume mit natürlichen Höhlen sollten erhalten werden, um typischen baumbewohnenden Fledermausarten wie dem Abendsegler ein geeignetes Quartier zu bieten.
Fledermäuse sind Langschläfer und schlafen bis zu 20 Stunden am Tag. Bei kälterem Wetter und Nahrungsmangel können sie auch im Sommer kurzzeitig die Körpertemperatur absenken, um Energie zu sparen.
Die Fledermaus schläft bekanntermaßen kopfüber hängend, indem sie sich mit den Hinterfüssen festhält, dies geschieht energiefrei ohne Kraftaufwand, weil durch das Gewicht des Tieres über eine Sehne die Krallen des Hinterfußes ohne Muskelkraft gekrümmt werden. Am früheren oder späteren Abend, je nach Art unterschiedlich, erwacht die Fledermaus. Der große und kleine Abendsegler und die Zwergfledermaus eventuell schon vor Sonnenuntergang, die Rauhautfledermaus, Breitflügelfledermaus und Bartfledermaus in der frühen Dämmerung, die Wasserfledermaus und die Zweifarbfledermaus, das Langohr und das kleine Mausohr in der späten Dämmerung, das große Mausohr erst bei völliger Dunkelheit.
 
Die Gebiete, in denen Fledermäuse ihre Nahrung suchen, sind ebenfalls unterschiedlich je nach Art, bei manchen sind es das Unterholz von Wäldern, Lichtungen, Hecken oder Wiesen, andere jagen über Gewässern. Bei Wasserfledermäusen sind Flugstrassen zwischen den Schlafquartieren und Gewässern beobachtet worden, auf denen sie hin und her fliegen, die bis zu mehrere Kilometer lang sein können. Im Sommer wechseln Fledermäuse gelegentlich die Schlafquartiere, und die Weibchen halten sich zeitweise in grösseren Gruppen in sogenannten Wochenstuben auf, in denen die Jungen geboren werden. Fledermäuse bringen pro Jahr nur ein oder höchstens zwei Junge zur Welt. Nach einigen Wochen werden die Jungen flügge, und machen Flugübungen. Wenn sie in kleineren Quartieren heranwachsen, machen sie vor dem ersten Ausfliegen Übungen durch Strecken der Flügel und Flattern, in grösseren Quartieren wie Dachböden sind schon erste Flugübungen möglich. Innerhalb weniger Tage nach dem ersten Ausflug erlernen die jungen Fledermäuse das Fliegen, und die Beherrschung des Echolotsystems. Fledermäuse können Flugeschwindigkeiten bis zu 50 km/h erreichen, und im Herbst zur Erreichung geeigneter Winterquartiere Tausende von Kilometern zurücklegen.
 
 
 
Tonaufnahmen von Fledermausrufen

Links:
 
http://www.fledermausschutz.de
http://www.das-tierlexikon.de/flattertiere.html
http://www.shadowsphere-mailorder.de/fledermaeuse/
http://www.fledermausverband.de/artbeschreibung/home.html
http://www.lbv-muenchen.de/Arbeitskreise/fledermaus/fledermaus.html
http://www.informatik.uni-bremen.de/grp/saus/Vortraege/Fledermaeuse/Fledermaeuse.html