Zum InhaltsverzeichnisVirtuelles Magazin 2000 

Jörg Boström

Zur MoMA nach Berlin.

Verbotene Bilder.

Hier treffen sich Liebhaber. Auch der Kunst. Sie wickeln sich in langer Schlange um das Bauwerk von Mies van der Rohe. Stehen an bis zu vier Stunden. Die Bilder sind Klassiker der Moderne, die nun lange vorbei ist. Man staunt, dass man sie fast alle kennt. Man staunt, dass es sie wirklich gibt. Nicht nur als Druckvorlage. Einige hat man sich größer vorgestellt. Die weichen Uhren von Dali. Einige kleiner. Das Dorf und ich von Chagall. Man ist gepackt von der Frische, der Realität von Malerei. Wie gerade erst fertig gestellt. Noch duftend. Nach Stunden des Abschreitens und Vergleichens von Faktur und Textur, von Ton und Konstruktion juckt der Daumen. Unverschämt. Man möchte mehr tun als sehen. Fotografieren geht nicht. Formen nachfühlen. Linien ziehen. Skizzenbuch und Stift. Überall junge Frauen und Männer in bedruckten Shirts. Rot. Aufschrift MoMAniser. Nicht Womaniser. SudentInnen der Kunstwissenschaft. Sie helfen und raten wo sie können. Und gewünscht sind.

Picassos Dame im frühen kubistisch afrikanischen Look gleitet mir durch Stift und Finger. Man sieht genauer, wenn man skizziert. So genau, dass Menschen das nicht immer wünschen. MoMAniser offenbar auch nicht. Eine besonders Nette sagt mir, tun sie das nicht. Es ist nicht zugelassen. Von mir aus ja, aber lassen sie sich nicht erwischen. Ich plaudere erstaunt mit der freundlichen Frau, kann aber nichts begreifen. Sie auch nicht. Im nächsten Raum schon heimlicher.

Wenigstens Besucher von hinten. Die stehen ja nicht im Schutz vom Copyright. Nach fünf Stunden Kunstschau muss ich selbst etwas tun. Irgendwas. Noch unbemerkt diesmal. Wir rätseln an der Dynamik eines Fußballspielers von Boccioni. Er verschwindet hinter sportlicher Bemühung. Nur noch Bewegungsform. Nicht mehr Anatomie. Oder doch? Da ein Knie. Hier das andere. Kopf als Strudel. Nach rechts oder links. Dreht er sich? Ich versuche zu skizzieren. Ein Strich nur.

Man tippt mir auf die Schulter. Eine schwere Schwarzummantelte von der Museumspolizei. Schüttelt ernst und faltig den Kopf. Straff gelegtes Haar. Ich erröte. Hatte mal so eine Lehrerin. Habe wohl wieder heimlich und verboten gezeichnet wie als Schüler unter der Bank. Stecke Stift und Buch weg. Für hier und heute.