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Annette Bültmann
 
Seepferdchen (Hippocampidae)
 
hippo-kampos , ho, monster with horse's body and fish's tail, on which the sea-gods rode, Men.831; hestêkei Poseidôn chalkeos, echôn hi. en têi cheiri Str.8.7.2 , cf. Philostr.Im.1.8.
2. a small fish, the sea-horse, Dsc.2.3, Ael.NA14.20, Gal.12.362.
(Henry George Liddell, Robert Scott, A Greek-English Lexicon)
 
Seepferdchen sollen in der Antike von Fischern für Fohlen von Poseidons Kutschpferden gehalten worden sein, oder man glaubte, dass sie von Fabelwesen abstammen, auf denen die Götter reiten, Pferden mit einem Fischschwanz.
Im Stamm der Chordatiere (Chordata), Unterstamm der Wirbeltiere (Vertebrata),in der Klasse der Knochenfische (Osteichthyes), der Unterklasse der Strahlenflosser (Actinopterygii) gehören die Seepferdchen zu Ordnung der Seenadelartigen (Syngnathiformes), zusammen mit ihren nahen Verwandten, den Seenadeln und Fetzenfischen, und bilden die Familie der Seepferdchen (Hippocampidae). Es gibt über 30 Seepferdchenarten, die in der Grösse von 1,5 bis 30 cm variieren.
Seepferdchen haben keine Schuppen, sondern einen gerippten Hautknochenpanzer, ansonsten aber wie andere Fische Schwimmblase, Kiemen und Flossen. Sie gehören zu den Knochenfischen, die ein teilweise oder vollständig verknöchertes Skelett haben, die im Silur-Zeitalter enstanden und im Devon bereits viele Arten bildeten. Im Jura-Zeitalter entstanden die Thrissopiden, die den heutigen Heringen nahestehen, sie gehören zur älteren Gruppe der Knochenfische, den Physostomen. Während der Kreidezeit enstand die jüngere Gruppe der Knochenfische, die der Physoklisten, bei denen die Schwimmblase nicht mehr durch einen Luftgang mit der Speiseröhe in Verbindung steht, sondern vollständig abgetrennt ist, dazu gehören z.B. die Schollen, Thunfische und Dorsche, und auch die Seenadeln und Seepferdchen.
Wie andere Fische sind auch Seepferdchen nicht stumm, sondern können Klicklaute erzeugen.
Aussergewöhnlich ist die Körperhaltung der Seepferdchen, sie schweben aufrecht im Wasser, und bewegen sich relativ langsam mit Hilfe der Flossen vorwärts. Oft halten sie sich mit ihrem Greifschwanz an Korallen oder am Bewuchs der Riffe fest, dabei sind sie durch ihre Gestalt getarnt, und können sich farblich der Umgebung anpassen. An ein Chamäleon erinnern auch die Augen, die sich unabhängig voneinander in unterschiedliche Richtungen bewegen können. Eine weitere anatomische Besonderheit der Seepferdchen ist der Brutbeutel, den die Männchen an der Bauchseite besitzen. In diesen legt das Weibchen die Eier, die dort befruchtet werden, einige Zeit später, je nach Art und Wassertemperatur zwischen zehn Tagen und sechs Wochen, bringt dann das Männchen mehrere bis einige Hundert Junge zur Welt. Seepferdchen haben einen pipettenförmigen Röhrenmund, durch den die Nahrung blitzschnell eingesaugt wird. Sie bilden normalerweise Paare, bei denen beobachtet worden ist, dass sie täglich zur Begrüssung verkürzte Formen des Balztanzes aufführen, wobei sie einige Zeit lang umeinander kreisen und dabei ihre Farben verändern.
 
Der Hippokamp, das sagenhafte Tier mit dem Pferdeoberkörper und dem Fischschwanz, findet sich in Poseidon-Darstellungen von der Antike bis zur Neuzeit, oder in Verbindung mit Nereiden und Tritonen, oder anderen Göttern. Z.B. befindet sich im Museum von Enns ein römisches Deckenfresko, das aus Lauriacum stammt. Das Bild stellt in der Mitte einen geflügelten Gott dar, wahrscheinlich den Windgott Zephyros, mit der ihn umarmenden Nymphe Chloris. In der Randborte sind sagenhafte Meerestiere abgebildet, unter anderem auch ein Hippokamp.
Auf einer französischen Münze von 1859 sind Merkur und Neptun auf Hippokamp dargestellt.
Im Stadtpalais von Lichtenstein steht ein Neptun mit Delphin und Hippokamp des Bildhauers Giovanni Giuliano aus dem Jahre 1705.
Auch in die germanische Tierornamentik sollen Hippokamp, Seegreif und andere Vierfüsser mit Fischschwanz im 5. Jahrhundert übernommen worden sein, wohl durch den Einfluss der römischen Siedlungen im Gebiet zwischen Seine und Rhein.
Ein Hippokamp springt aus einem Schneckengehäuse, wie auf einer römischen Gemme aus dem 2. Jh. n. Chr., vielleicht ist es die Meernabel oder Meerohr genannte Kreiselschnecke, auch schon fast ein Fabelwesen?
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Mosaike in Olympia ist eine Darstellung zu sehen mit einem Hippokamp und einem See-Stier, der ebenfalls einen fischförmigen Hinterleib hat, dabei Delphine.
Hippokampen sind auch auf diversen Münzen aus Phönizien, Griechenland, Kleinasien und Italien abgebildet.

Durch Metamorphose zwischen Mensch und Tier oder zwischen verschiedenen Tierarten enstandene Mischwesen wie Minotauren, Zentauren, Greife, Harpyien, Satyrn und Nymphen sind auf antiken Darstellungen häufig zu finden und wurden kultisch verehrt. Der Zentaur Chiron unterrichtete Asklepios in der Heilkunst, und war der Erzieher von Helden wie Achill und Theseus, der Aesculapstab mit der darum gewundenen Schlange ist bis heute bekannt als Symbol der Heilkunst, und könnte als Überbleibsel eines Schamanenkults gedeutet werden. Der Gott Dionysos wurde häufig mit Satyrn und Silenen, mit Nymphen und auch mit Hippokampen dargestellt.
Metamorphosen zu Mischwesen zwischen Menschen oder Tieren und Maschinen sind in der heutigen Zeit hinzugekommen.