Zum InhaltsverzeichnisVirtuelles Magazin 2000 

 

Jürgen Kisters

 

Sehnsucht und Suche

Bilder und Skulpturen von Momo Ouchen

 

Obwohl seit vier Jahrzehnten Millionen Menschen aus anderen Kulturkreisen nach Deutschland über gesiedelt, sind in der bildenden Kunst nur selten Ansätze kreativerVerschmelzungsprozesse zu sehen. Das macht eine Ausstellung von Momo Ouchen zu etwas Besonderem.

Der 1960 in Marokko geborene, in Leverkusen lebende Künstler führt in seinen Objektbildern und Skulpturen eindrucksvoll vor Augen, was passiert, wenn afrikanisch-orientalische Tradition und moderne westliche Objektkunst gleichberechtigt zusammenfließen.

Die ersten Jahre seiner Kindheit verbrachte er in Tanger, bevor er 1969 als Neunjähriger mit seiner Familie nach Deutschland kam. Vor allem die Erinnerung an das Spielzeug, das seine Großmutter ihm aus Lehm formte, nennt er seine erste künstlerische Inspiration, die ihm bis heute lebendig geblieben ist. Auch er baut seine Kunst quasi aus dem ,,Nichts".

Fundstücke und Restmaterialien aus dem Alltag der Industriekultur sind seine Werkstoffe für Metamorphosen, die mit sorgfältigen Handgriffen aus vielen kleinen Dingen seltsame Tiere, Zauberkästen, namenlose Dämonen und persönliche Fetische entstehen lassen.

Ohne Zweifel erleichtert die Tatsache, dass Ouchen künstlerischer Autodidakt ist, die ungezwungene Leichtigkeit, mit der er die Elemente zusammenfügt und figürliche Formaspekte mit ornamentalen Strukturen kombiniert. Er folgt darin einem ebenso intuitiven wie klaren Konzept, das die moderne Kunst aus Fundstücken (zwischen Dada, Nouveau Realisme und Pop-Art) mit den nordafrikanischen Wurzeln seiner Herkunft, das Prinzip des Spielerischen mit dem Geist des Religiösen verknüpft. Aus simplen Metall- und Holzteilen, gebogenen Drähten, Glasstücken, Leder, Haaren, rostigen und glänzenden Nägeln hat er materiale Träumereien geschaffen, die nicht zuletzt wegen ihrer handwerklichen Sorgfalt für den westlich sozialisierten Betrachter stets den Hauch exotischer Fremde verströmen.

Im Anzug der modernen Kunst reklamiert das Flair des Ethnologischen jedoch anders als im Völkerkundemuseum hier das Recht auf gesellschaftlich-aktuelle Gegenwart. Während die multi-kulturelle Idee längst zur abgenutzten Floskel geworden ist, zeigen Ouchens Werke, was es atsächlich heißt, die Einfluss-Sphären zu einer gelebten Erfahrung machen zu müssen. Als Objekte der Erinnerung, der Sehnsucht und der Suche stellen sie dem weitverbreiteten Nebeneinander kultureller Versatzstücke den harmonisch-rätselhaften künstlerischen Entwurf einer Verschmelzung entgegen, der neben aller ästhetischen Faszination auch die Diskussion über gesellschaftliche Integrations- und Assimilationsprozesse bereichern kann.

 

 

 

 

 

 

Kölner Stadt-Anzeiger / 02. Mai 2001 Ausstellung in Köln

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