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Annette Bültmann
 
Für stille Ozeane
 
Tests von Sonarsystemen der US-Navy und der NATO haben in den vergangenen Jahren wahrscheinlich weltweit Hunderte von Walen das Leben gekostet. Nachdem bereits seit Jahrzehnten Versuche mit einem mittelfrequenten Sonar durchgeführt werden, wird nun ein neues Niederfrequenz-Sonarsystem, LFAS, mit extremer Lautstärke getestet. Im Mai dieses Jahres starben nach einem Einsatz von Unterwasser-Sonar durch einen Lenkwaffen-Zerstörer der US-Navy bei Vancouver Island vor der Küste Kanadas mehrere Schweinswale. Im September 2002 strandeten insgesamt 16 Schnalbelwale auf Fuerteventura und Lanzarote, von denen die meisten tot waren, einer wurde tot im Meer treibend gefunden, nachdem im Gebiet der kanarischen Inseln ein NATO-Manöver stattgefunden hatte, bei dem Sonartechnik eingesetzt wurde. Seit 1985 kam es auf den Kanaren viermal zeitgleich mit militärischen Manövern zu Massenstrandungen von Walen, ebenso 1996 nach NATO-Manövern vor der griechischen Küste, 2000 auf den Bahamas, auf der griechischen Insel Zakynthos und vor Madeira.
Sonarsysteme werden von Schiffen genutzt, um U-Boote aufzufinden; in der Zeit des kalten Krieges wurden hauptsächlich passive Sonarsysteme eingesetzt, die selbst keine Töne aussenden. Das reiche nun, nach der Ansicht von Militär-Planern, nicht mehr aus, weil geräuscharme Diesel-U-Boote entwickelt worden seinen, die angeblich für Staaten der Dritten Welt zur bevorzugten Waffe werden. Nun kehren die US-Navy und die NATO zum von früher her bekannten Prinzip der U-Boot-Ortung durch "Pings" zurück, wobei diese "Pings" nun aber millionenfach lauter sind als bei den ursprünglichen Sonarsystemen!
Bei der Untersuchung der vor den Bahamas getöteten Wale zeigte sich, dass sie starke Gehirnblutungen und Verletzungen des Innenohrs hatten, ebenso bei einer veterinärmedizinischen Untersuchung der 2002 bei den Kanaren getöteten Tiere.
Beiträge dazu im Canarias24.com Newsarchiv
Schall niedriger Frequenzen kann sich im Wasser über Hunderte von Kilometern fortsetzen. Niedrigfrequentes Sonar kann Wale irritieren, die selbst ein "natürliches Sonar" einsetzen bei der Orientierung und Futtersuche, und sich durch Gesänge und Töne über Hunderte von Kilometern mit Artgenossen verständigen können.
Die Lautstärke des von den US-amerikanischen und NATO-Militärs eingesetzten Niedrigfrequenzsonars ist sehr hoch, noch erheblich lauter als z.B. ein startendes Düsenflugzeug. Es irritiert Wale bereits aus grösserer Entfernung von der Schallquelle, stört ihre Kommunikation im Umkreis von mehreren Hundert Kilometern und führt beim Einsatz in geringerer Entfernung zu irreversiblen Gehörschäden und im schlimmsten Fall zu Gehirnblutungen und dadurch zum Tod. Wale haben Luftkammern im Kopf; der Meeresbiologe Ken Balcomb hat die bei der Massenstrandung auf den Bahamas gestorbenen Wale untersucht und vermutet, dass innerhalb der luftgefüllten Räume Resonanz auftritt und dadurch das Gehirngewebe und die Gehörorgane zerstört werden, ähnliches geschieht in der Lunge und bewirkt Lungenschäden.
Bei Wasserlebewesen findet die Orientierung über grössere Entfernungen über das Gehör statt.
Mehr dazu auch im ZDF-Beitrag "Gefahr für Meeressäuger"
Die Ozeane werden, auch schon ohne die Sonartests, durch Schiffe, Ölbohrungen, Pipelines und Hafenbauarbeiten zunehmend stärker mit Geräuschen belastet. Hinzu kommt noch, dass nicht nur die US-Navy und die NATO, sondern auch wissenschaftliche Organisationen Sonartest durchführen wollen. So plante eine "Woods Hole Oceanographic Institution" in Zusammenarbeit mit dem National Marine Fisheries Service, vor der kalifornischen Küste Grauwale mit Hochfrequenz-Sonarwellen zu beschallen, angeblich um Kollisionen zwischen Walen und Schiffen zukünftig besser verhindern zu können. Umweltschützer vermuten, dass die Auswirkungen des Experiments für die Walpopulation noch erheblich schädlicher sein würden als die Schiffskollisionen. Im Oktober 2002 wurde der "National Science-Foundation" das Erzeugen extrem lauter Knallgeräusche aus Luftkanonen im Golf von Kalifornien untersagt.
In Japan gilt Walfleich als Delikatesse und ausserdem als gesund, obwohl es grossenteils schon mit Quecksilber und anderen Schwermetallen und Umweltgiften so stark belastet ist, dass es eigentlich lebensmittelrechtlich als ungeeignet eingestuft werden müsste. Deshalb werden jährlich in der Antarktis Hunderte von Minke-Walen, angeblich zu wissenschaftlichen Zwecken, getötet; das Fleisch wird dann in Japan verkauft, wo dafür hohe Preise gezahlt werden. Angeblich werden bei diesem "wissenschaftlichen" Projekt die Ernährungsgewohnheiten dieser Wal-Arten untersucht, obwohl längst bekannt ist, dass sie sich von nichts anderem als Krill ernähren, und in den Mägen auch nie etwas anderes als Krill gefunden wurde. Auf diese Weise umgehen die japanischen Walfänger das Verbot der Internationalen Walfangkomission. Nun hat auch Island angekündigt, den begrenzten Walfang zu "wissenschaftlichen Zwecken" wiederaufzunehmen, und in den nächsten Jahren 100 Minkewale, 100 Finnwale und 50 Seiwale zu töten, es wird davon ausgegangen, dass auch diese "Wissenschaftliche Untersuchung" ein Vorwand ist.
Im letzten Jahr haben 21 internationale Wisschenschaftler, darunter 3 Nobelpreisträger, in einem offenen Brief an die New York Times den japanischen "wissenschaftlichen" Walfang verurteilt:
openletter.pdf
Auch Norwegens Fischerei-Industrie tötet jährlich Hunderte von Walen, mit der sonderbaren Begründung, es handle sich um "traditionellen Küstenwalfang", obwohl, wie auf einer Seite der Walschutz-Organisation WDCS zu lesen ist, Norwegens Fischer bis zum 1. Weltkrieg grösstenteils den Walfang ablehnten, und erst nach dem Ende des Krieges wegen Versorgungsschwierigkeiten dazu übergingen, dann bereits in industriellem Rahmen, Walfang zu betreiben.
Beitrag vom 4.10.2000 auf der Seite der WDCS
Im Ggensatz dazu war Deutschland, genauso wie Holland und England, früher eine Walfangnation, im 17. - 19.Jahrhundert, Stichwort "Grönlandfahrten", aber schon im 18.Jahrhundert ging es bergab mit den Wal-Beständen, im 19. Jahrhundert wurde dann mit Dampfschiffen Jagd auf schnellere Wale gemacht, und im 20.Jahrhundert kam die industrielle Verarbeitung der Wal-Fette auf, nicht nur für die menschliche Ernährung sondern auch für die Herstellung von Nitroglyzerin für den 1.Weltkrieg, und es wurden damals schon viele Wale fast bis zur Ausrottung gejagt (auch alles auf der obigen Internetseite nachzulesen). Wie mag es dazu kommen, frage ich mich, dass der Mensch seit Jahrhunderten systematisch intelligente Säugetiere ausrottet, anstatt sie als mehr oder weniger seinesgleichen zu sehen?
Das Walfang-Moratorium der Internationalen Walfangkommission scheint zwar darauf hinzudeuten, dass es in den letzten Jahrzehnten zu einer veränderten Haltung den Walen gegenüber gekommen ist, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den letzten Jahren der Fang kleiner Wale, zu denen auch die Delphine gehören, stark zugenommen hat, unter anderem weil die grossen Wale so selten geworden sind, dass die Jagd auf sie kaum noch lohnt, und die meisten Arten durch das befristete Verbot des kommerziellen Walfangs der Internationalen Walfangkommission geschützt sind. Allein in Japan werden jedes Jahr Tausende von Delphinen und Schweinswalen getötet. Bei manchen Fischern scheint es die Meinung zu geben, dass Wale für die schwindenden Fischbestände in den Meeren verantwortlich sind - obwohl sich die meisten Wal-Arten von Krill ernähren, und das Verschwinden der Fische durch die heutigen industriellen Fangmethoden und die Verschmutzug der Meere zu erklären ist. Giftstoffe im Meer haben in den letzten Jahrzehnten mehrmals zu Delphin-Massensterben geführt, Greenpeace nennt als Beispiele für gefährliche Chemikalien Pestizide und Schwermetalle, versenkten Atommüll sowie die Verschmutzung durch Öl, ausserdem Polychlorierte Biphenyle (PCBs, Flammschutzmittel in Transformatoren und Kondensatoren), Tributylzinn (TBT, enthalten in Antifouling-Schiffsanstrichen), Phthalate (etwa als Weichmacher im PVC), Alkyphenole, PCB und Dioxine.
Greenpeace-Artikel "Wale - Bewundert und bedroht" vom 18.10.2002
Viele Gifte werden nicht abgebaut und reichern sich im Körper der Wale an. Greenpeace untersuchte im Jahre 1999 gestrandete Pottwale, und es wurde eine so hohe Giftstoff-Belastung festgestellt, dass die Tiere als "Sondermüll" angesehen werden mussten.
Greenpeace-Artikel "Dauergifte" vom 18.10.2002
Normalerweise findet im Meer ein kreislaufartiger Austausch von Substanzen statt. Pflanzliches Plankton, bestehend aus z.B. Kieselalgen und Dinoflagellaten, das einen grossen Teil der Meereslebewesen ausmacht, wandelt Mineralsalze und Kohlendioxid mit Hilfe von Sonnenlichtenergie in seinen Chloroplasten in organische Verbindungen um, und gibt dabei Sauerstoff ab. Vom pflanzlichen Plankton ernäht sich das tierische Plankton, z.B. winzige Krebse, die dann die Nahrung für Fische sind, die von Raubfischen gefressen werden, deren Ausscheidungen und Kadaver zusammen mit abgestorbenem Plankton und Pflanzenteilen zum Meeresboden sinken und dort durch Bakterien wiederum in Nahrung für das pflanzliche Plankton umgewandelt werden. In diesem Kreislauf reichern sich Giftstoffe, die vom Körper nicht abgebaut werden, immer weiter an. So kann auch der Mensch, wenn er sich zum letzten Glied dieser Nahrungskette macht, hohe Konzentrationen der selbsterzeugten Chemikalien aufnehmen.

Die WDCS (Whale and Dolphin Conservation Society) Deutschland, die ASMS (Arbeitsgruppe zum Schutz der Meeressäuger Schweiz) und Liquidrom (Therme, Berlin) veranstalteten im Vorfeld der Konferenz der Internationalen Walfangkommission IWC in Berlin am 14. Juni 2003 ein Kunst- und Informations-Event "Walgesang und Lärmangriff"
 
Weitere Informationen zur Kampagne gegen das Niederfrequenz-Sonarsystem (LFAS):
www.silentoceans.org