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Eckart Schönlau

 

Die Komik der Tiefgründigkeit

 

Britta Hoffarth (rechts), Poetry-Slam, 19.3.2003

Bielefeld. Nicht alle können zu dieser Veranstaltung hereingelassen werden. Der Bunker Ulmenwall platzt aus allen Nähten. Erst seit Herbst vorigen Jahres existierend hat sich der monatlich stattfindende Poetry-Slam zu einem wahren Publikumsrenner entwickelt. Was aber nicht verwunderlich ist wenn man diesen Poesie- und Literaturwettstreit schon einmal selbst besucht hat. Denn innerhalb der Spannbreite des Poetry-Slams können einem schon Stilblüten begegnen die schier unglaublich (komisch) sind.
Ralf Leske versteigt sich gleich zu Beginn in Themen um Tod, Inzest und Sklaverei auf eine Art, dass einem dabei schon gruslig-komisch werden kann.
Mit einer autobiographischen Geschichte aus seiner Jugendzeit folgt ihm Michael Goehre.
Norman Richter schildert eine unwahrscheinliche Begebenheit über einen Mann, der ahnungslos im Krankenhaus erwacht, weil er scheintot im Park gefunden wurde.
Mit ihrer flotten, voller Anspielungen gewürzten und in jedem dritten Satz sich selbst zurücknehmenden, Zeitgeistkritik gewinnt Britta Hoffarth die erste Runde.
Lautstärke und Dauer des Publikumsbeifalls als Messlatte des Wettbewerbes erscheinen oft nicht eindeutig. Erst mehrere Versuche ermitteln die jeweiligen Sieger der Runden.
In der zweiten Runde zieht Uta Spranger mit ihrer selbstentwickelten Anleitung zum Unglücklichsein die Lacher auf ihre Seite. Mit eigentümlich monotoner Sprachmelodie trägt sie ihre Lebensweisheiten und Alltagsphilosophien vor. Reaktionen auf ihre unfreiwillige Komik kann sie dabei trotzdem voll genießen.
Mit seinem imaginären Dialog eines Journalisten mit US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld liefert Volker Deus den intellektuellen Höhepunkt dieses Abends.
Andreas Fehns vorgetragenen existentielle Fragen würden mit ihrem Reim und Sprachmelodie jedem Hip-Hopper gut stehen.
Letzter dieser zweiten Runde ist der Autor "Kir". Auch er versucht mit seinen theatralisch vorgetragenen Versen die Tiefgründigkeit dieser Welt zu beschreiben.
Am Ende dieses Slams geht Uta Sprenger als bejubelte Siegerin hervor, und stößt mit allen Teilnehmern auf ihren Erfolg an.
Den sie offensichtlich voll genießt.

Uta Sprenger, Gewinnerin des März-Slam 2003

Uta Sprenger



Frühling

Noch streicht der kalte Hauch des Frosts
Um Deinen scheinbar starren Leib - Mutter
Noch glauben die wütenden Winde dich
In unerreichbar ferne Träume zu wiegen

Doch unmerklich, unseren Blicken entzogen
Hast zaghaft du gestreckt die tauben Glieder
Der grüne Saft glitt längst den Stamm empor

Knospe um Knospe in dürrem Geäst
Streckt sehnsuchtsvoll sich zur Sonne hin
Wartet geduldig - auf Wendezeit

Zeit, sich zu entfalten, Zeit aufzublühn
Zeit - das Leben zu erneuern
Dich, Mutter zu wecken aus kaltem Schlaf

Aus der Dunkelheit steigst du herauf
Eingehüllt in die Farben des Regenbogens
Umweht von tausend süßen Düften
Die alle geheime Botschaft tragen

Erfülle dein Leben mit Leidenschaft
Trinke den vollen Kelch bis zur Neige
Gib dich ganz hin und löse dich auf
In der Ekstase des Großen Beginnens

Ohne Gestern und weit entfernt von Morgem
Bist du hier und immer nur hier
Im grünen Hain der Frühlingskönigin

Sterben

Hinabsinken - Hinübergleiten
Voll Furcht und Hoffnung dem Sog nachgeben
Sich schließlich willentlich dem dunklen Tore nähern
Sich öffnen für das unbekannte Land

Wieder verbunden werden
Mit dem Sternenstaub der Galaxien
Eintreten in den blühenden Apfelgarten
Einem Ort nie versiegender Fülle

Die Knochen, das Fleisch und das Blut
Der alten Erde zurückgegeben
Zur traumlosen Ruhe gebettet
Umhüllt von ihrem feuchtwarmen Leib

Dem Leib der Alles-Wandlerin
Die neues Leben aus dem Nährstoff des Todes spinnt
Golden und silberne Fäden
Und Dünger für Pflanze und alles Getier

 

Mehr Informationen zum Poetry-Slam: www.texteratur.de/slam