Zum InhaltsverzeichnisVirtuelles Magazin 2000 

Annette Bültmann

Foto-Union im Café Moskau, Projektionen

Am 15.11.2002 fand im Café Moskau eine Präsentation von Fotoarbeiten der Gruppe Foto-Union statt. Die Bilder wurden auf die grossen Glasflächen des Erdgeschosses projiziert, die vorübergehend teilweise halbdurchsichtig beschichtet waren (mit Buttermilch, was erstaunlich gut funktionierte), die Diaprojektoren waren jeweils mit den Arbeiten eines repräsentierten Fotografen bestückt, und hatten jeweils ihren eigenen Rhythmus des Bildwechsels, so erleuchteten immer neue Bildkombinationen den Raum.

Dabei fragte ich mich, was eigentlich früher in diesen Räumen mal stattgefunden haben mag, und woher die seltsame Mischung aus repräsentativer Architektur und Ausstattung und Mobiliar der 60er- bis 80er-Jahre wohl stammen mochte, und habe nachträglich eine Internetsuche zu dem Thema gestartet.

Habe dabei ein neues Wort kennengelernt: Sonderbauten - nun weiss ich zwar immer noch nicht wirklich, was das genau ist, aber weiss nun, dass das Café Moskau dazugört, und auch einige andere Gebäude an der Karl-Marx-Allee, wie z.B. das Haus des Lehrers, das Kino International, die ehemalige Mokka-Milch-Eisbar und weitere Pavillions im Abschnitt der Karl-Marx-Allee zwischen Strausberger Platz und Proskauer Strasse, dieser Abschnitt steht wohl unter Denkmalschutz, was aber in Berlin nicht unbedingt vor dem Abriss schützen muss, wenn ich es richtig verstehe- es wurde bereits ein früherer DDR-Gastronomiebetrieb abgerissen, das Ahornblatt auf der Fischerinsel, dem südlichen Teil der Museumsinsel in Berlin-Mitte. Habe es nie gesehen, es wird beschrieben als ein Schalenbau mit verglasten Aussenwänden, und fünf hyperbolisch-paraboloiden Schalen aus Spritzbeton als Dachelemente. Bis 1991 war es eine Selbstbedienungsgaststätte mit über 5000 Essen täglich, seit 1991 stand es leer und wurde zunächst unter Denkmalschutz gestellt, dann aber 2000 trotz vieler Proteste abgerissen.

Jedenfalls, das Café Moskau steht ja zum Glück noch, dieser spezielle "Sonderbau" der DDR-Architektur wurde entworfen von Josef Kaiser (Architekt und Opernsänger) und Werner Dutschke auf Wunsch von Walter Ulbricht, der sich 1958 Sockel und keramikverkleidete Aussenwände für die Wohngebäude der Karl-Marx-Allee und ein Café Moskwa wünschte, gebaut wurde es dann zwischen 1961 und 64, mit einem Fussboden aus russischem Marmor, einem Erdgeschoss in Fliesenästhetik, darüber einem Glaskubus, mit grossen Glasflächen, Aluminium, einem Mosaik vom Maler und Grafiker Bert Heller, Professor an der Kunstakademie in Weissensee, aus Natursteinen, Glas- und Keramiksplittern, das Szenen "Aus dem Leben der Völker der Sowjetunion" darstellt. Zur Einweihung wurde als Geschenk der Sowjetunion ein Sputnikmodell im Masstab 1:1 auf den Eingang gesetzt, und dort sitzt es auch heute noch.

Im Vergleich zur früheren DDR-Architektur muss das Café Moskau wohl eine optische Wende hin zur Leichtigkeit und zum Raumzeitalter dargestellt haben; 1982 wurde ihm dann aber eine DDR-Plüsch-Sanierung zuteil, um die "anonyme Großräumigkeit der Gaststätten" zu überwinden, daher bekam es hölzerne Verkleidungen, Textilpaneele, Wandschmuck aus Meissner Porzellan und Kupfer und es entstand wohl ein seltsamer Stil-Mix der teilweise noch heute zu sehen ist.

Das Café muss früher im Grossküchenstil betrieben worden sein, es hatte mal 160 Beschäftigte und drei Küchen, in jedem der beiden Stockwerke und im Kellergeschoss eine.

Anfang der 60er Jahre war es wohl nicht nur eins der Musterbeispiele des modernen sozialistischen Städtebaus, sondern es sollte auch die modernste und grösste Gaststätte Ostberlins werden. Über die angebotenen Gerichte konnte ich nicht allzuviel erfahren, auf einer Internetseite werden "Grusinisches Huhn" und "Thunfischsalat moldauisch" genannt, also Gerichte mit russischem Einfluss, passend zum Namen und Ambiente - es gab die Speisesalons Minsk, Riga und Tallin, ein "Grusinisches Zimmer"; dazu eine Bar, ein Tanzcafé im Dachgeschoss, einen Rosengarten.

Nach dem Mauerfall wurde es zunächst als Gastronomiebetrieb weitergeführt, aber es wurde nicht mehr investiert, die Heizung fiel aus, es gab Wasserschäden, und 1995 wurde die Konzession nicht mehr verlängert und der Restaurantbetrieb geschlossen. Nun wurde es für Partys und als schräge Filmkulisse vermietet, und damit die laufenden Kosten bezahlt. Es fragt sich, ob es in Zukunft als Gastronomiebetrieb wirtschaftlich betrieben werden könnte; an der Karl-Marx-Strasse scheinen die Mieten hoch, die Umsätze nicht unbedingt entsprechend zu sein. Seit Sommer 2002 ist es für zunächst 5 Jahre neu verpachtet und soll nun für Messen, Tagungen, Ausstellungen, Workshops und Informationsveranstaltungen genutzt und weitervermietet werden. Die Tanzbar scheint im Keller zeitweise wiederbelebt zu werden, dort finden an den Wochenenden Tanzveranstaltungen mit Electronic-House-Charakter des Veranstalters WMF (World Music Foundation) statt.

Dort fand auch nach der Veranstaltung der Foto-Union eine Party von hug'n'akiss statt; dieses Hamburger Magazin für Fotografie, Kunst, Literatur und Mode arbeitet gelegentlich mit Fotografen der Foto-Union zusammen. Die Foto-Union selbst ist eine Organisation bei der zwei Repräsentanten acht Fotografen bei Werbeagenturen, Redaktionen etc. vorstellen und dabei als Vermittler und Berater zwischen Kunden und Fotografen tätig werden, und auch die Produktionsleitung bei grösseren Fotoproduktionen übernehmen; diese Art von Repräsentanz ist bisher in Berlin wohl noch nicht so häufig anzutreffen aber schon bekannt aus z.B. Hamburg, Frankfurt und Düsseldorf. Die vertretenen Fotografen kommen aus verschiedenen Bereichen, dazu gehören Stillife, Portrait, Reportage und Mode, die Foto-Union existiert seit einem Jahr und ist bisher recht erfolgreich. Zu der Ausstellung und Party waren sowohl Freunde als auch potentielle Kunden eingeladen worden, die Fotografen und die Repräsentanz stellten sich so der Öffentlichkeit vor.

Ein virtueller Rundgang durch das Erdgeschoss des Café Moskau ist zur Zeit zu sehen unter
http://www.cafe-moskau.de/virtuelletour.html

 

Foto-Union im Café Moskau - Thumbnails - Anklicken für grössere Ansicht