| Karl Martin Holzhäuser: Lichtmalerei Technik und Kunst treffen sich in den Arbeiten von Karl Martin Holzhäuser. Als Professor für Fotografie - insbesondere für Sach- und Prozessdarstellung - ist er ständig mit technischen Apparaten und Prozessen befasst. Der Fotograf selbst ist ja ein Homuncullus des 19. Jahrhunderts, eine synthetisch-technische Form des Künstlers aus Optik, Mechanik, Chemie und Industrie. Das "Bild aus der Maschine", die Fotografie, hat bis heute Schwierigkeiten, als künstlerisches Medium in einer technikfeindlichen Kunstszene Anerkennung zu finden, einer Kunstszene, deren ideologische Wurzel im Geniekult des 19. Jahrhunderts und in der damals einsetzenden Fluchtbewegung vieler Künstler vor der industriellen Revolution zu suchen ist. In Holzhäusers Arbeiten verbinden sich viele der angesprochenen Bereiche. 1. Seine Lichtmalereien gestaltet er auf fotografischem Material, in der Regel Farbpapiere, Filme, in den jeweils aktuellen von ihm ausgewählten Emulsionen. 2. Ein großer Teil seiner Arbeiten entsteht "apparativ", das heißt über Lampen, Vergrößerungsgeräte, unter Verwendung von ihm selbst konstruierter Blenden und Schablonen, einer optischen Bank usw. 3. Erst in den letzten Arbeiten, den Lichtmalereien, spielt die "individuelle Handschrift", das heißt die physische Bewegung des Körpers, der Hand eine Rolle bei der Formgebung. 4. Die Arbeiten folgen erdachten, rationalen Programmen. Sie haben eine in sich geschlossene Logik der Abfolge mit einer aus dem Programm sich ergebenden Anzahl, Farbe, Form usw. Die Kunst unterwirft sich hier der Programmierbarkeit. Die digitalisierten Denkschritte des Computers werden vorbereitet. Umgekehrt kann eine mit Programmen gestaltende Kunst sich auch des Computers bedienen. 5. Die "Schönheit" im Sinne einer geschmackvollen, ansprechenden Farbigkeit und Harmonie dieser künstlerischen Arbeit ist nicht ihr Ziel. Die Farben ergeben sich aus dem technischen Prozess, ihre Zuordnung aus dem rationalen Programm, nicht aus dem subjektiven Gefühl oder dem individuellen Ausdrucksverlangen des Künstlers. Wenn hier der Begriff Schönheit noch verwendet werden kann, so wäre diese Schönheit im Sinne der Vollkommenheit einer mathematischen Formel. 6. Die Rationalität dieser Konzepte ist nicht Selbstzweck, sondern sie verbindet sich mit einer inhaltlichen, symbolischen, auch kritischen Aussage, in Gestalt einer künstlerischen Formel oder Formelentwicklung. Die Arbeit "Landschaft 1-5" zeigt die stufenweise Entwicklung einer Vertikalen aus einer Horizontalen, das Grundthema jeden Landschaftsbildes auf die knappste Formel gebracht. Zugleich aber zeigt sie Veränderungen. Geologische Veränderungen in der Landschaft haben aber für uns, die wir auf der Erdoberfläche gefährdet leben, den Charakter von Katastrophen. Dieser Eindruck wird in Holzhäusers Arbeit verstärkt durch die sich entwickelnde, glühend rote Farbe der aufbrechenden Spitzform, die Vulkanausbruch suggeriert. "Eine gedankliche Analogie zur Zerstörung der Umwelt ist dabei gewünscht", meint der Künstler dazu. Holzhäusers neuere Arbeiten brechen zum Teil mit dem apparativen Prinzip, sie zeigen "Handschrift". Sie verlassen auch das mathematische Prinzip. Statt dessen kommen Elemente des automatischen Zeichnens, des Tachismus, der Körpersprache in die Bilder. Mit einer vom Künstler konstruierten, variablen Farblampe, einem Lichtpinsel gewissermaßen, gestaltet er Wellenbewegungen, immer noch Landschaftliches, im dunklen Raum. Auch hierbei löst erst der fotografische Entwicklungsprozess die beabsichtigte, nur zum Teil spekulativ vorgeplante Bildwirkung ein. Das mathemathische Prinzip wurde durch das generative Prinzip des Zufalls erweitert: parallel - nichtparallel. Jörg Boström In: Dokument und Erfindung Fotografien aus der Bundesrepublik Deutschland 1945 bis heute Berlin. Quintessenz-Verlags GmbH, Edition q, 1989 | | | |