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Virtuelles Magazin - Ausgabe 9 - 2001
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Biochip

Miskroskopische Aufnahmen von Splittern eines Computerchip
Mikroskop: Leitz Biomed
Vergrösserung: 1000fach
 
"Biochip"
Ein Computerchip wurde seziert und staubgroße Splitter unter dem Mikroskop fotografiert.
Gibt es Leben im Chip? Ähneln sich Mikro- und Makrokosmos? Gibt es Übergänge zwischen belebter und unbelebter Welt? Suche nach Formen, bekannten und neuen Lebensformen.
Die Farben Methylenblau, Toluidinblau, Kaliumpermanganat und Jodkaliumjodid werden in der Botanik verwendet, um Pflanzenpräparate anzufärben. Meine Schwester ist Botanikerin, und ich konnte ihr Mikroskop benutzen und bekam auch eine Beratung im Mikroskopieren, um Präparate zu fotografieren, die so angefertigt wurden, wie man es normalerweise mit kleinen sezierten Teilen von Pflanzen tut. Auf einem Objektträger werden die winzigen Teile in einen Wassertropfen gelegt und mit einem Deckglas versehen, dann kann man eventuell überflüssiges Wasser absaugen und es besteht auch die Möglichkeit mit einer Pipette dem Wasser Farbe zuzufügen. Bei Pflanzen färben sich dann eventuell bestimmte Teile oder Schichten ein, andere bleiben ungefärbt, so dass man die Strukturen besser erkennt. Auch beim Chip wurden die Resultate durch Farben interessanter.
Die technischen Strukturen des Chips erscheinen selten, viele Formen wirken eher organisch, es scheint dass die These stimmt, dass der Versuchsaufbau das Ergebnis beeinflusst. Ausser an Mikroorganismen und Pflanzenteile erinnern die Formen auch an Landschaften, mal Unterwasserlandschaften, mal Berge. Die Formen des Makrokosmos finden sich im Mikrokosmos wieder, so wie vielleicht auch der Aufbau von Atomen an Planetensysteme erinnert. Vielleicht befinden wir uns nur irgendwo im mittleren Bereich eines Systems, das sich unendlich fortsetzt in kreisenden Zusammenballungen von Materie und Energie im jeweils kleineren und grösseren Masstab, die ineinander geschachtelt sind, vergleichbar mit fraktalen Strukturen?
Und jetzt heisst es wieder: "Schon die alten Griechen..." - in diesem Falle die vorsokratischen Philosophen, beschäftigten sich schon mit der Frage, ob es unteilbare kleinste Bestandteile, die Atome, gibt, oder ob alles unendlich oft teilbar ist.
Anaxagoras (500 - 428 v. Chr.) vertrat die Theorie einer unendlichen Zahl von immer weiter teilbaren Teilchen: "Denn weder gibt es beim Kleinen ein Kleinstes, sondern immer gibt es stets ein noch Kleineres ... aber auch beim Grossen gibt es stets ein Grösseres."
Demokrit (etwa 460 - 370 v. Chr.) vertrat sowas wie die Gegenposition: er meinte, es sei unmöglich, einen Körper unendlich oft zu teilen, sondern nur bis zu den unteilbaren Atomen. Sie sind die Grundbestandteile der Materie, aber auch der Zeit, der Linie, der Fläche.
Es geht auch um die Ursubstanz der Welt. Diese letzten Bestandteile sind bei Anaxagoras, nicht wie bei Demokrit nur quantitativ zu unterscheiden, sondern vor allem qualitativ, so daß, was ein Ding als Ganzes ist, es genauso in jedem seiner Teile ist, quasi Keime der Dinge.
Diese Fragen beschäftigten auch spätere Philosophen bis hin zu Platon und Aristoteles.
Auch Platon (ca. 428 - 348 v. Chr.) dachte an Atome, aber nicht materieller Natur, sondern als Idee von geometrischen Formen, die den jeweiligen Elementen zugeordnet wurden, der Würfel der Erde, das Ikosaeder dem Wasser, das Tetraeder dem Feuer, das Oktaeder der Luft und das Dodekaeder der Quinta Essentia, dem Himmelsäther. Diese fünf Grundformen sind die einzig möglichen regulären konvexen Polyeder, d.h. dass alle ihre Oberflächen aus demselben regelmäßigen Vieleck bestehen und in jeder Ecke gleich viele dieser Vielecke zusammenstoßen.
D.h. die Materie ist bei Platon nicht unendlich teilbar, weil sie sich in den kleinsten Dimensionen aus diesen geometrischen Formen, als Symbolen für die Eigenschaften der jeweiligen Substanzen, zusammensetzt. Dabei liegt aber die Betonung mehr auf der Idee, die der Struktur der Materie zugrundeliegt, als bei der Materie selbst: "Die Bedeutung der Geometrie beruht nicht auf ihrem praktischen Nutzen, sondern darauf, daß sie ewige und unwandelbare Gegenstände untersucht und danach strebt, die Seele zur Wahrheit zu erheben." (Platon)
Die Polyeder beschäftigten später auch Euklid und Archimedes.
Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) unterschied zwischen zwei Arten von Unendlichkeit.
In einem Gespräch mit seinen Schülern erklärt Aristoteles dies so:
"Das Studium der Natur", sagte Aristoteles, "verlangt die Erforschung der Unendlichkeit. Die Betrachtung des Unendlichen hat aber ihre Schwierigkeit, weil vieles Unmögliche sich sowohl aus der Verneinung seiner Existenz als auch aus seiner Anerkennung ergibt."
"Aber was ist denn nun diese Unendlichkeit?" fragte einer seiner Schüler.
"Die Unendlichkeit darf man nicht als einen bestimmten Gegenstand verstehen wie einen Menschen oder ein Haus", erläuterte Aristoteles, "sondern in dem Sinne, wie wir beispielsweise von einem Tag reden, der ständig entsteht und vergeht."
Heute sind es die Naturwissenschaften, die auf der Suche sind nach den mehr oder weniger kleinsten Bestandteilen, und ihrer weiteren Teilbarkeit oder Unteilbarkeit.
Aber für mich gibt es vielleicht noch einen weiteren Zusammenhang, zwischen Computerchips und Pflanzen, manchmal erinnern mich Computer an pflanzliche Lebensformen, sie möchten manchmal mit Strom begossen werden, stehen bevorzugt gerne für lange Zeit an demselben Platz, sie können Symbiosen mit verwandten Einheiten eingehen in einem Netzwerk, ein Gewirr von Kabeln führt wie Wurzeln meist in Richtung Boden. Nur die leuchtenden Bildschirme erinnern mehr an Tiefseewesen, die selbstleuchtende Organe ausgebildet haben in der Dunkelheit.

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