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Laudatio zum 75. Geburtstag von Alf Welski - Ausstellung im Kulturspeicher Lübecke

6.5. - 17.6.2001

Lieber Alf Welski, verehrte Gäste

"Was immer als Protest sich regt, - und keine künstlerische Form ist länger denkbar, die nicht Protest wäre, - fällt doch zurück in das Geplante und trägt die Male dieses Widerspruchs," schreibt ein führender Philosoph der Frankfurter Schule, Theodor W. Adorno. Alf Welskis Kunst ist ohne diesen Gedanken des elementaren Protests des Künstlers als politischem Menschen, nicht in ihrem Wesen zu verstehen. Von Krankheit immer wieder bedroht, kannst Du, lieber Alf, die Hände von der Kunst nicht lassen. Du führst vor, dass die Kunst weit mehr ist als die Herstellung schöner Dinge, dass sie Teil des Lebensprozesses ist in einem ganz elementaren Sinn. Auf Bildflächen, auf grafischen Papieren, immer wieder aber in Deinem ureigenen Medium, der Radierung, bildest Du die Formen und Figuren, die Lichter, Schatten und Lineamente deines Widerspruchs zur Realität, wie sie nun einmal ist, wie sie aber nicht unbedingt sein muss.

Malerei sagt auch Picasso, ist nicht erfunden worden, um die Wände zu schmücken, sondern als Angriff und zur Verteidigung gegen den Feind. Gegen welchen Feind? Niemand bedroht uns anscheinend persönlich, nur die Banalität, die Gedankenlosigkeit, das dumpfe Dulden oder Mitmachen bei zerstörerischen Prozessen und zuletzt der Tod. Alf Welsky hat in seinem ganzen Leben immer wieder Stellung bezogen zu politischen und gesellschaftlichen Fragestellungen, was für ihn immer zugleich bedeutete ein Infragestellen seiner eigenen Position. Wer nicht zweifelt, ist verrückt, sagte kürzlich der Schauspiler und Universalkünstler Peter Ustinow. Ich lernte Alf Welski vor fast 30 Jahren kennen.

Ich hatte gerade meine Lehrtätigkeit an der Bielefelder Fachhochschule aufgenommen, als wir gemeinsam einen neuen Vorstand im Berufsverband Bildender Künstler , dem BBK, stellten und versuchten, die unserer Meinung nach verschlafene ostwestfälische Kunstszene nachhaltig in Bewegung zu bringen. Auch hier gab die politische Situation den Antrieb - der Putsch in Chile und unsere Aktionen dagegen mit den Mitteln der Kunst. Natürlich haben wir zwar in Ostwestfalen-Lippe, leider aber nicht in der Republik und schon garnicht in Chile etwas in Bewegung gebracht. Aber wir haben auch gemeint, für die Kunst etwas bewegt zu haben. Bei allem Engagement kann man die Kunst in ihrem Wesen nicht nach ihrem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Erfolg messen, wohl aber nach ihren Impulsen, ihren Dekanstößen. Kunst - auch die von Alf Welski - ist keine Werbemaßnahme, deren Erfolg sich an der direkten Verbesserung unserer Lebensverhältnisse ablesen ließe. Man darf vielmehr so weit gehen zu behaupten, je zweckloser eine Bilderwelt, desto näher ist sie am Leben, an der Artikulation unserer Existenz. Sie bewegt nicht direkt, sie forciert nicht gesellschaftliche Prozesse, aber sie schafft Bewusstsein für die Notwendigkeit dazu. Dieses Tun auf Leinwänden und Papieren, das in Ausstellungen und Katalogen eine bürgerliche, sich ordentlich eingefügte Form gibt, die sich hier als Festveranstaltung in die Zweckbestimmung einmogelt, existiert in Wahrheit mur aus sich selbst und für sich selbst. Alf Welski arbeitet an der Kunst, weil er nicht anders kann - Kunst gehört für die Betroffenen zu den Notwendigkeiten - ja sie hat so etwas an sich wie eine Sucht. Kunst gehört zu unseren elementarsten Äüßerungen.

Diese Ausstellung von Alf Welski macht nun diesen Zusammenhang der künstlerischen Linie mit der Realität der menschlichen Existenz zu ihrem Thema, sie stellt Menschen in immer neuen Zusammenschlüssen und Konflikten, in immer neuen Varianten, Bedrohungen, Ekstasen vor. Dabei zeigen die vorgestellten Grafiken den Künstler Welski immer wieder als einen kämpferischen Menschen, der im Protest gegen die Missstände seiner Zeit seinen Zorn in sorgfältig gestaltete, grafische Formen gießt. Fast jedes seiner Blätter trägt eine gesellschaftliche Problematik vor mit deutlicher Stellungnahme. Alf Welski hat sich nicht in einem Elfenbeinturm eingerichtet. Seine Kunst, bei aller grafischen Rafinesse, hat immer zugleich den Drive eines Flugblatts, eines Angriffs auf die Trägheit des Herzens und des Denkens, einer auch technisch und ästhetisch, kalkulierten Provokation. Auch in seiner Biografie wird die elementare Anlage eines Künstlers, der Gestalten als Widerstand begreift, deutlich. Das Alf Wlsky sollte einmal als 15 jähriger ein Porträt von Adolf Hitler zeichnen, der damals immerhin auf Milionen von Briefmarken und Ölbildern in Büros und Rathäusern eine alltägliche Selbstverständlichkeit war. Der Junge Alf weigert sich mit der Begründung, einen Massenmörder und Lumpen wolle er nicht malen. Es folgen Verhaftung und Verhör. Ein Schlüsselerlebnis: wehre dich und überlebe, beides. Alf Welski ist kein Märtyrer. Seine Kunst hat sich in ständigem Kampf mit der Krankheit des Körpers und der Krankheit der Gesellschft entwickelt, sie ist den gesellschaftlichen Verhältnissen in jeder Phase ihrer Entwicklung buchstäblich abgetrotzt. Er will Maler werden und darf es nicht. Stattdessen geht er in die Lehre als technischer Zeichner und Reprofotograf. An den Abenden betreibt er seine Kunststudien.

Im Krieg und in Gefangenschaft bewahrt ihn immer wieder seine Kunst vor der Verzweiflung. Als er endlich sein Kunststudium an der Werkkunstschule Bielefeld bei Professor Muggly aufnehmen kann, bricht er dieses ab, weil er sich auch hier fehl am Platze fühlt. Der Künstler Welski liegt immer quer, eine sperrige Gestalt. Bis heute paßt er in kein Regal. Später lehrte er dann an der Nachfolgeinstitution, die er damals als enttäuschter Student verlies, als Honorarprofessor am Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Bielefeld. Auch im Staatsbad Oeynhausen hinterlässt seine Kunst Spuren. Mich lud er ein gemeinsam mit 5 polnischen und 5 deutschen Künstlern für eine Arbeitswoche die Krakauer Kulturtage mit zu gestalten, die Alf Welsky ins Leben gerufen hat. Hier wurde ein Stück polnisch-deutscher Verständigung realisiert durch die universale Sprache der Kunst. Heute feiern wir hier in Lübecke seinen 75. Geburtstag mit Arbeiten aus früheren und aus den letzten Jahren, ein kräftiges Stück Vergangenheit deutscher Geschichte und Kunst, ein faszinierendes Stück Gegenwart und ein ermutigendes Beispiel kämpferischer Kunst und Humanität. Ich möchte schließen mit einem Poem von Dieter Treek, das er zusammen mit Grafiken von Welski in Krakau 1987 veröffentlichte, Krakau, für dessen Wiederaufbau und für einen intensiven Kulturaustausch wiederum mit seiner grafischen Kunst sich Alf Welski immer wieder erfolgreich eingesetzt hat, auch dies ein starkes Stück, eine politische Kulturarbeit:

Unbekannt Erstaunen über gestrige Gedanken,

Erschrecken über Sätze aus dem letzten Jahr.

Ein Labyrinth die Summe meiner ICH´s.

Die Leben, die zur gleichen Zeit ich lebe, sind oft nur

Eine Vielfalt kurz und doch meist eine Einfalt lang.

Viel Glück weiterhin im Streit, wir sehen uns wieder - vielleicht - spätesten bei der Ausstellung zu deinem 80. Geburtstag, weiterhin viel Zorn und Glassenheit, weiterhin gute Arbeit, lieber Alf.

Herford, 6.5.2001

Jörg Boström

 

Neue Westfälische Zeitung, 11.5.2001, Kultur

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