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Theodor Helmert-Corvey Oculus Herfordiensis - Eine Laudatio.
Noch ein Preis, und dann auch noch das "Herforder Auge" - werden manche kopfschüttelnd fragen. Als ob uns nicht im Juni 1996 schon "Das deutsche Auge" präsentiert wurde, verbunden mit der fast provokatorischen Überschrift "Das Ende der Photographie?" (Claus Heinrich Meyer, Süddeutsche Zeitung Nr. 136, 15. Juni 1996). Mit der von den Kuratoren uns Sponsoren dieser umstrittenen Hamburger Ausstellung apostrophierten Art des Sehens und Fotografierens verbindet Jörg Boström nichts. Seine bildjournalistischen Überzeugungen stehen diametral zu denen der "arischen Lichtbildner" vom Schlage eines Hanns Hubmann, Hilmar Pabel und Max Ehlert (womit man das "deutsche Auge" - im übrigen ein biologistischer Unsinn - unwillkürlich assoziiert). In der Psychologie eines Malers und Fotografen steht das Auge für seine Funktion, es ist das Zeichen für "Sehen" überhaupt. Erst durch das Auge begreift der geist die unmittelbaren Erfahrungen des tastsinns, "die uns von den alltäglichen Aspekten der Realität und den gewohnten Umrissen der Dinge und Lebewesen Kunde geben" (Pierre Mabille, Das Auge des Malers). Das Auge ist deshalb auch "das Auge des Entdeckers" (so der Titel eines Gedichtbandes von Nicolas Born), entwicklungsfähig und zugleich aufmerksam für den Gegenstand, für die Einzelheit, für den Alltag. Sensitivität und subtile Regristrierfähigkeit sind daher auch Kennzeichen eines Sehers, eines Visionärs, eines Philosophen. Nicht ohne Grund ist Thomas von Aquin durch seinen Interpreten Josef Pieper als das "Auge des Adlers" bekannt. Nicht Thomas von Aquin, sondern ein anderer Visionär und Kulturbringer hat Jörg Boström über lange Jahre beschäftigt. Die Mythologie des Prometheus hat nicht nur eine ganze Reihe wichtiger künstlerischer und kulturpolitisch bemerkenswerter Projekte gezeitigt, sondern auch der Stadt, in der Jörg Boström seit langen Jahren lebt und arbeitet, wichtige Impulse und Visionen - "Herforder Visionen" - vermittelt. In einer so betitelten Rede an das Rathaus vom 2. März 1989 entwickelte der Preisträger kulturpolitische Perspektiven über den Tag hinaus. Seine Vorschläge zur Identitätsfindung des einzelnen Bürgers und der Herforder Gesellschaft blieben im pejorativen Sinne utopisch, obwohl sie geradezu kongenial neben dem in Herford stets geschätzten humanistischen Rückgriff auf die klassische Figur des Prometheus auch auf besondere christliche Visions-Traditionen in der Herforder Geschichte anspielten. Ob so viel provinzieller Engstirnigkeit konnte man nur lächeln, wieder unter Rückgriff auf den bewährten Prometheus. Es mag dahingestellt bleiben, ob dies mit der Absicht des Schöpfers höchstens zufällig etwas zutun hatte oder ob dieser Gedanke - eine Hommage an Wolfgang Amadeus - wie ein Maulwurf aus unsichtbaren, unterirdischen Gängen überraschend immer wieder auftaucht und in Regionen virtueller Welten fortschreitet. "Der Zwang zur Erschaffung künstlicher Welten steckt in unserem Programm", hat Jörg Boström einmal resümiert. Ob er dabei auch auf ein virtuelles "Sancta Herfordia" in den unendlichen Weiten der mecklenburgischen Seenplatte anspielt, wird die Zukunft zeigen. Ad multos annos. | ||||
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