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Thomas Einberger Die Fischer von der Ilha de Mocambique
Morgens um vier Uhr treffen sich die vierzig Männer des Fischerkollektives. Wortlos stapfen sie in den unbeleuchteten Straßen zum Hafen, und durch das seichte Wasser zu den Booten. Die Dieselmotoren der beiden offenen Kähne starten nur unwillig, und die Mannschaft macht es sich zwischen Bojen und leeren Fischkisten so bequem wie möglich. Mit billigen Plastiktüten, die nicht wirklich gegen den Regen schützen steuern sie auf ein unsichtbares Ziel. Als es dämmert läßt der Regen nach, die ersten Delphine springen links und rechts neben den Booten. Immer noch sitzt Ernesto, der Käpitän der El Corno, im Bug und weist dem Steuermann im Heck mit Handzeichen den Kurs. Ernesto findet seinen Weg durch die hohen Wellen, die nur allzu leichtes Spiel mit den kleinen Booten hätten, würden sie ihre Wucht längsseits entfalten. Als die Sonne schon eine Handbreit über dem Wasser steht, läßt die Heftigkeit der Wellen nach. Nun ist Ernestos Blick nicht mehr in die Ferne gerichtet. Etr versucht den Schwarm ausfindig zu machen, der es lohnen würde, die Netze auszulegen. Auch die Taucher gehen ins Wasser, unterstützen Ernesto von unten. Früher war es einfacher Heringe zu fangen. Sie ruderten hinaus, warfen die Netze dreimal aus und hatten immer einen guten Fang. Doch das ist lange her. Als die Schwärme ausblieben, fuhren sie immer weiter, doch auch das reichte bald nicht mehr. So schlossen sie sich zusammen, kauften Motoren für die beiden größten Boote und steuerten nun gemeinsam hinaus. Zuerst nur eine Stunde, doch auch dort findet man längst keinen Fisch mehr. Nun laufen die Motoren drei bis vier Stunden, bevor sie die Netze auslegen. Immer wieder kommen die Taucher an Bord, immer wieder wechseln die Boote ihren Kurs, die Männer an Bord beginnen unruhig zu werden. Sollte auch diese Fahrt umsonst gewesen sein, sind auch hier die Fische fort, weitergezogen an einen noch entfernteren Ort? Doch da ruft Ernesto das erlösende Wort: Peixe! Auch die Taucher haben sie gesehen und weisen die Boote an den richtigen Ort. Dann geht alles sehr schnell. Die Netze gleiten in zwei sich zum Kreis schließenden Bögen ins Wasser. Die Taucher kontrollieren ob sich der Schwarm immer noch in der Mitte zwischen den Netzen befindet, dann werden die Motoren abgestellt. Die Boote schaukeln führungslos in den Wellen. Behutsam beginnen die Fischer die Netze zu einem immer enger werdenden Kreis in die Boote zu ziehen. Sehr leicht könnte ein zu kräftiger Zug an den klammen Seilen die alten Netze reißen lassen, die ganze Arbeit zunichte machen. Die ersten Heringe hängen schon beim Einziehen im Netz. Geschickt werden sie gelöst und in eine Kiste geschmissen, ohne daß die Fischer dabei aus dem Rhythmus kommen. Alles was vor dem großen Schwarm in das Boot gezogen wird, ist unmittelbarer Lohn für die Fischer, der tägliche Fisch, den sie mit nach Hause nehmen. Der Schwarm hingegen, so klein er auch am Ende im Netz sein wird, wird verkauft. So kommt gerade genug Geld herein, um den Motor am laufen, das Boot über Wasser zu halten. Jeden Tag hofft Ernesto, daß ihm der ganz große Fang gelänge, der mehr einbringen würde als der Diesel kostet um so weit hinauszufahren, doch bisher war die Hoffnung vergebens. Vor ein paar Jahren einmal wären sie fast soweit gewesen, doch die morschen Netze rissen unter der Masse an zappelnden Fischen, zurück blieb ein trauriger Rest. Der Kreis den die beiden Netze im Wasser bilden wird immer kleiner. Noch kann man die Größe des Schwarms nicht erkennen. Alle hoffen auf einen guten Fang, der das Wasser von den um sich schlagenden Fischflossen aufschäumen lassen würde, und alle fürchten, daß durch ein Mißgeschick, eine kleine Unachtsamkeit eines Einzelnen, alles verloren sein könnte. Die Boote sind jetzt ganz dicht beieinander. Mit Käschern schöpfen die Männer ihren Fang in das Boot. Ein guter Tag. Nicht so wie früher, aber sie werden nicht mit leeren Händen nach Hause kommen. Mahmed ist auf der ganzen Rückfahrt damit beschäftigt, das Wasser, das von dem nassen Netz und den Fischen ins Innere des Bootes gelangt ist, mit einem geflickten Eimer zu schöpfen. Nun, da das Boot vollgeladen ist, dringt auch Wasser durch kleine Löcher die vorher über der Wasserkante lagen ein. Doch die Stimmung ist gut. Ausgelassen unterhalten sich die Fischer, fädeln ihren privaten Fang auf lange elastische Holzspäne. Es ist Mittag, und auf der Rückfahrt essen die Männer die erste Mahlzeit des Tages: etwas trockenes Brot, ein Schluck Wasser. Noch gilt es den Hunger zu überwinden, denn immer noch sind die Boote ein Spiel der Wellen. Leere Mägen vertragen dies besser. Auf den nassen Netzen machen sie es sich wieder bequem, dieselben Plastiktüten die am Morgen noch gegen den Regen schützen sollten, spenden in der sengenden Mittagssonne wenigsten ein bißchen Schatten. Im Hafen warten schon schon die Händler. Die Heringe werden in 3 Kisten aufgeteilt und auf den Markt getragen. Die Insel ist zu klein um Landwirtschaft zu betreiben, die Menschen leben vom Fisch. Ernesto und seine Mannschaft haben Fisch gefangen, auch ein guter Tag für die Insel. Abends sitzt Ernesto mit anderen Fischern im Gemeinschaftshaus am Hafen. Sie trinken Bier, spielen Domino und essen ihren Fisch. Wegen des guten Fanges genehmigen sie sich ein Glas Bananenschnaps. Die Dämmerung zeigt die Boote leicht umgekippt auf dem Sand, fast wie von Meer ausgespuckt. Morgen früh um vier Uhr werden sie wieder in der Flut schwimmen, und auch die Fischer werden wieder da sein, und sie werden auf den ganz großen Fang hoffen, und daß die Netze nicht reißen.
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