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Virtuelles Magazin - Ausgabe 3 - 2000

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Jörg Boström:
Geschichten und Geschichte
Augenblicke auf die Ware Wahrheit
Das Wort Journalismus zielt auf den Bericht - in einem Journal, einem Tageblatt, einer Zeit-ung. Die Zeit führt Regie. In die Zeit verwickelt sind auch die Fotografen, oft selbst wie eingewickelt in Zeitungspapier. Ihre Blicke sind mitgesteuert durch das Medium, in dem und für das sie arbeiten. Auch wenn sie persönliche geistige Arbeit leisten sind sie unterworfen dem Geist ihrer Zeit, dem immer zweifelhaften, dem Zeitgeist.
"Pressefotografie - Medium zwischen Aufklärung und Verdummung", überschreibt Walter Uka seine historische Darstellung dieser Entwicklung und zitiert Siegfried Kracauer: "In den Illustrierten sieht das Publikum die Welt, an deren Wahrnehmung es die Illustrierten hindern." Ich erweitere das Zitat:" Die Einrichtung der Illustrierten in der Hand der herrschenden Gesellschaft ist eines der mächtigsten Streikmittel gegen die Erkenntnis. " Dies steht in Kracauers Essay "Das Ornament der Masse".
Der Begriff Objektiv erstarrt zum Mythos, der einer genaueren Betrachtung nicht standhält. Die Massenmedien, in welchen die Bilder des Fotojournalismus erscheinen, ist zu sehen auch als Spiegel einer massenhaften Meinung. Die Frage nach dem Foto als Dokument und Kommunikationsmittel kann diesen Zusammenhang verdeutlichen. Kommunikation heißt die Fluchtlinie zwischen "Sender" und "Empfänger". Eine "neutrale", "objektive", vom Fotografen und dem Massenmedium abzulösende Kommunikation kann es demnach nicht geben. Aus seiner Verantwortung, aus seiner Stellungnahme zum dargestellten Geschehen wird der Fotograf demnach nicht zu entlassen sein, sowenig wie der Textautor, der schreibende Journalist. Beide möchten, das darf man unterstellen, die Wirklichkeit beschreiben, sie sind in ihrer Tendenz Realisten. Aber sie sind gefangen in ihrer Zeit und in ihrer Zeitschrift. Diese wiederum werden sortiert und benutzt von Interessen, welche meist politischer und wirtschaftlicher Natur sind.
 
"Man will die Wahrheit wissen, will es aber auch nicht. Das heißt, nicht jede Wahrheit und nicht jeder dieselbe. Verstehen Sie?"
-"Nein."
(Die verwirklichten Unmöglichkeiten, Aus: Stanislav Lem, Friede auf Erden, S.122)
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