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Virtuelles Magazin - Ausgabe 3 - 2000

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Jörg Boström

 Die fotografische Landschaft von Maria Otte

Die Arbeit mit dem Titel Natur entstand in einem ehemaligen Braunkohlenrevier, in dem darstellende Künstler Aktionen und Installationen entwickelten.

Was ist in dieser von Technik abgehobelten, von Kunstwerken zart gespickten Landschaft noch Natur?

Wenn Maria Otte in der Kamera diese Wirklichkeit zu suggestiven Flächen formt, fügt sie der dreifach übermalten eine vierte Wirklichkeit hinzu, die des Bildes, die sich wiederum als Bildfolge präsentiert. 

Die hier gezeigten Fotobilder stehen in einem Wechselspiel zu anderen Künsten und Künstler/innen.Wir haben es hier zu tun mit einer Verbindung der Medien, die mit dem Begriff Multimedia nur ungenau bezeichnet wird. Die Verbindungen der Medien untereinander im Computer ist nur die technische Antwort auf einen Prozeß der Dialoge, welcher sich in unseren Köpfen, in der visuellen Kultur unserer Zeit abspielt. Es geht nicht nur um die Verbindung der klassischen Künste etwa auf dem Bildschirm und um entsprechende technische Verknüpfungen in Computerprogrammen. 

Solche Verknüpfungen etwa zwischen Fotografie, Malerei, Skulptur und Grafik finden zunächst auch modellhaft in Ausstellungen, Symposien und in der ästhetischen Theorie statt. Maria Otte steht in dieser Entwicklung. Eine besonders intensive Verbindung ist zu beobachten zwischen Techniken der bildenden Künste und der Musik. Dabei beginnen die Medien mit einer wechselseitigen Befragung ihrer Wirkungen und Möglichkeiten. Während in der Romantik die Sehnsucht nach Zusammenspiel der sinnlichen Erfahrungen in Oper, Dichtung und Malerei zu einem Begriff des totalen Kunstwerks führte, der mit dem dem Wort Synästhesie, dem gleichzeitigen sinnlichen und sinnenhaften Einwirken des künstlerischen Impulses auf Auge, Ohr, auf Tastsinn und in Gestaltungsfantasien etwa von Richard Wagner sogar auf den Geruchssinn auf den Ausdruck im Sinne einer gesteigerten Suggestion zielte, läßt sich heute eher eine analytische, medienkritische Tendenz beobachten. Man untersucht die Wirkungen etwa der Töne durch visuelle Mittel, man prüft die Funktionen optischer Medien durch Montage und Vergleich. Maria Otte nutzt diese Methode um herauszufinden, in welchem Zusammenhang die Bewegungung des Körpers zum Musizieren steht, in welcher Zeichensprache ein Dirigent zu den Musikern "spricht" usw.) Der technische Prozeß wird transparent gemacht und tritt dem Betrachter und Hörer als Gestaltungsmittel selbst gegenüber.

So stellt Maria Otte etwa den fotografschen Prozeß durch Ausbleichen, Tonen, durch Langzeitbelichtungen, durch Reduktion auf Bewegungsspuren, durch Montage mit Elementen der Malerei, durch Konfrontation mit Texten durch Projektion auf andere Materialien wie hier auf die Papierhemden von Hiltrud Schäfer selbst zur Disposition. Es geht hierbei neben der Herstellung eines neuen, der synthetischen Struktur unserer durch Medien geschaffenen, künstlichen Wahrnehmung auch um die Öffnung, die Transparenz der Mittel selbst. Man soll vergleichen, man soll die Methoden der Wahrnehmung fast instrumental erleben.

Die technischen Prozesse dienen nicht mehr nur der Schaffung einer Illusion von Realität, wie dies in den Massenmedien in der Regel der Fall ist, sondern sie zeigen sich in ihrer Struktur als Gestaltungsmittel, sie werden selbst zum Thema. 

Dabei bleibt bei Maria Otte die Fotografie stets im Mittelpunkt dieser Gestaltungprozesse, von dem aus sie dazu übergeht, die Welten der Installation, der Malerei, der typografischen Konnotation und nicht zuletzt der Musik zu erforschen und auf ihre Bildformen einwirken zu lassen. Im Verlauf der Entwicklung der Moderne, die durch den Begriff der Postmoderne abgelöst wurde, also einer Kunstausübung, die sich alle Mittel unabhängig von ihrem historischen Zeitpunkt zu Nutze macht, waren viele dieser Tendenzen angelegt. So versuchte der Futurismus etwa in dem Bild von Boccioni im Städelmuseum, "Der Lärm der Strasse dringt ins Haus", akkustische Eindrücke in die Malerei aufzunehmen. 

Aus der gleichen Kunstrichtung kennen wir zahlreiche Beispiele der Darstellung von Bewegung durch Verbindung von Bewegungsphasen ähnlich dem Film, jedoch auf einer Bildfläche, eine Tendenz, wie sie auch in Maria Ottes Langzeitbelichtungen zusammengefaßt ist. Hier wird die Verbindung von Bewegung, und Fotografie in eindrucksvollen Porträts gesucht. Oder umgekehrt in der Installation mit Hiltrud Schäfer, wo sich die Projektionsfläche, die Papierhemden durch einen Ventilator angetrieben, bewegen und ständig neue Bilder entwerfen. 

Daß Bilder neben der zweifellos ästhetischen Suggestion auch zugleich Untergründiges, Urtümliches zum Ausdruck bringen und nicht nur den Schein der Oberfläche, wird in der Fotokunst von Maria Otte vor die Augen und ins Bewußtsein gerückt. 

Sie stellt eine Herausforderung dar an den Betrachter, sie ist dialogisch.
 

Siehe auch:
Artists in Art
Maria Otte: Fotografie
Rasch Druckerei und Verlag
Bramsche 2000
ISBN 3-935326-02-5


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